1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Internetkonzerne werden strenger kontrolliert

14. Januar 2021

Amazon, Facebook und Google, aufgepasst! Das Bundeskartellamt kann künftig derartige Internetriesen enger an die Leine nehmen. Das beschloss der Bundestag.

https://p.dw.com/p/3nuXM
Symbolbild Digitalsteuer & US-Internetkonzerne
Die Logos der drei Internetriesen Google, Amazon und FacebookBild: picture-alliance/dpa/S. Jaitner

Internetkonzerne sollen ihre Marktmacht in Deutschland nicht mehr unbeschränkt ausnutzen dürfen: Der Bundestag billigte eine Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Demnach kann das Bundeskartellamt künftig leichter gegen Wettbewerbsverzerrungen vorgehen, wenn marktbeherrschende Digitalunternehmen ihre Position ausnutzen. Die Kartellwächter erhalten mehr Ermittlungsbefugnisse und leichteren Zugriff auf marktrelevante Digitalunternehmen. "Unsere Arbeit wird uns jetzt ein Stück weit leichter gemacht", sagte Behördenpräsident Andreas Mundt und kündigte ein härteres Vorgehen gegen große Internetkonzerne an.

Die seit Monaten diskutierte Novelle wurde in der dritten Lesung mit den Stimmen der Regierungskoalition und der Grünen angenommen. Die Oppositionsparteien AfD, FDP und Linke enthielten sich der Stimme. Die Novelle besteht vor allem aus einem neuen Paragrafen 19a. Dieser erlaubt es dem Kartellamt erstmals, eine "überragende marktübergreifende Bedeutung" von Digitalplattformen festzustellen und ihnen daraufhin bestimmte Praktiken zu untersagen.

Beispielsweise soll sichergestellt werden, dass die Internetriesen ihre eigenen Produkte auf ihren Plattformen nicht bevorzugt vor Produkten von Konkurrenten anbieten - etwa bei der Darstellung der Suchergebnisse. Um in Zukunft lange kartellrechtliche Verfahren zu vermeiden und Schadenersatzansprüche besser durchzusetzen, werden der Rechtsweg verkürzt und solche Streitigkeiten nach Paragraf 19a des Gesetzes in die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes übergeben.

"Rechtzeitig unsere Waffen zücken"

Wettbewerbshüter sollen ferner die Einhaltung der Regeln effektiver kontrollieren und leichter einstweilige Maßnahmen ergreifen können, um den Wettbewerb frühzeitig zu schützen. So könne das Kartellamt künftig auch auf Märkten einschreiten, welche betroffene Großkonzerne noch nicht kontrollieren, sagte Mundt. "Wir müssen jetzt nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, sondern wir können rechtzeitig unsere Waffen zücken."

Deutschland Andreas Mund in Bonn
Sein Amt kann künftig härter zupacken: Kartellamtpräsident Andreas Mundt (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/H. Kaiser

Zudem sieht die Novelle eine Überarbeitung der Fusionskontrollen vor, so dass sich das Bundeskartellamt auf relevante Fusionen konzentrieren soll. Zusammenschlüsse mittelständischer Unternehmen sollen erst der Kontrolle unterliegen, wenn alle beteiligten Unternehmen in Deutschland mindestens einen Jahresumsatz von zehn Millionen Euro machen, statt bisher fünf Millionen.

Prozesswelle erwartet

Der Kartellamtschef rechnet mit anstrengenden Auseinandersetzungen vor Gericht. Ein entschlossenes Vorgehen sei aber wichtig, denn derzeit gebe es fast keinen fairen Wettbewerb mehr im Netz, sagte er. Das neue Gesetz soll hier Abhilfe schaffen. Gleichzeitig sollen Unternehmen mehr Rechtssicherheit bei der gemeinsamen Nutzung von Daten oder dem Aufbau von Plattformen bekommen.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Joachim Pfeiffer, sprach von einem der wichtigsten wirtschaftspolitischen Projekte der aktuellen Legislaturperiode. Das GWB-Digitalisierungsgesetz sei "echte Pionierarbeit mit Vorbildfunktion weit über Deutschland hinaus" und "unsere Antwort auf die teilweise monopalartigen Strukturen in der Digitalwirtschaft". Der funktionierende Wettbewerb auf den digitalen Märkten sei in Gefahr, warnte der CDU-Politiker.

Opposition hat Einwände

Die Grünen stimmten der Novelle zu, bemängelten jedoch das "schleppende Tempo", mit dem die Reform umgesetzt worden sei. Die AfD machte sich statt einer Änderung des Kartellrechtes für einen freiwilligen Verhaltenskodex stark, der zwischen Unternehmens- und Verbraucherverbänden ausgehandelt werden sollte. Die Linken forderten dagegen eine präventive Zerschlagung der großen Internet-Konzerne, so wie sie derzeit in den USA diskutiert werde.

"Nun kann das Bundeskartellamt endlich proaktiv gegen Unternehmen vorgehen, die ihre Marktmacht missbrauchen", lobte der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller. Das GWB helfe, Plattformen wie Amazon und Google "in die Schranken zu weisen", und schaffe mehr Wahlfreiheit für Verbraucher.

Klaus Müller, Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv
Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Ist die Novelle eine Innovationsbremse?

Der Digitalverband Bitkom dagegen kritisierte, die Novelle drohe datengetriebene Geschäftsmodelle im Netz auszubremsen. "Unternehmen werden sich gut überlegen müssen, ob sie in innovative Lösungen investieren, wenn sie die daraus gewonnen Erkenntnisse anschließend mit Wettbewerbern teilen müssen." Aufsichtsbehörden sollten zudem "nur bei eindeutigem Marktversagen in den Wettbewerb eingreifen".

"Das Eingreifkriterium sollte weiterhin der Missbrauchsvorwurf, nicht schon das bloße Vorliegen einer kritischen Marktmacht sein", erklärte der Bundesverband der Deutschen Industrie. Er kritisierte außerdem einen nationalen Alleingang der Bundesregierung vor einer entsprechenden EU-Regelung. Deutschland gefährde dadurch "deutsche Industrieplattformen in ihrem Wachstum".

kle/sti (afp, dpa, rtr, epd)