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Bundestag fordert Freilassung Badawis

Nina Werkhäuser29. Januar 2015

Einmütig haben deutsche Parlamentarier die saudische Regierung aufgefordert, den inhaftierten Blogger Raif Badawi freizulassen. Differenzen gab es darüber, wie eng Deutschland mit Saudi-Arabien kooperieren sollte.

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Der saudische Blogger Raif Badawi
Bild: privat

Es kommt nicht oft vor, dass der Bundestag eine ganze Debatte der Menschenrechtssituation in einem Land widmet. Doch die Auspeitschung des saudi-arabischen Bloggers Raif Badawi (Artikelbild) hat im Parlament eine Welle der Empörung ausgelöst, so dass die Opposition das Thema auf die Tagesordnung hob. Betroffen und schockiert äußerten sich die Abgeordneten über die grausame Folter, der Badawi ausgesetzt ist. Der Internet-Aktivist und sein ebenfalls verurteilter Anwalt müssten sofort begnadigt und freigelassen werden.

Grausames Urteil

Am 9. Januar hatte Badawi die ersten 50 Stockschläge erhalten - 50 von insgesamt 1000, zu denen er verurteilt wurde. "Mord auf Raten" sei das, sagte der Grüne Tom Koenigs. Angeblich habe Badawi den Islam beleidigt. "Er hat gesagt, alle Menschen sind gleich viel wert, Mulisme, Juden und Christen", zitierte Koenigs aus dem Blog Badawis. Genau dieser Satz stehe aber im ersten Artikel der universellen Erklärung der Menschenrechte. "Saudi-Arabien pervertiert eine unumstößliche Wahrheit zum Verbrechen", erklärte der CSU-Politiker Volker Ullrich. "Es gibt keine Gründe, die die Strafe für Badawi rechtfertigen können."

Badawi war im Mai 2014 vom Strafgericht in Dschidda wegen der Gründung der Webseite der "Saudi-Arabischen Liberalen" und "Beleidigung des Islams" schuldig gesprochen und verurteilt worden. Das Strafmaß: Zehn Jahre Haft, 1000 Stockschläge, ein anschließendes Reiseverbot von zehn Jahren und eine Geldstrafe von umgerechnet etwa 195.000 Euro. Seine Webseite wurde auf Anordnung des Gerichts geschlossen. Auch Badawis Anwalt, der Menschenrechtsverteidiger Waleed Abu al-Khair, wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt. Badawis Frau und seine drei Kinder haben Zuflucht in Kanada gesucht, wo sie politisches Asyl beantragt haben.

Solidaritätskundgebung für den Blogger Raif Badawi in Berlin, Foto: dpa
Solidaritätskundgebung für den Blogger Raif Badawi vor der Botschaft Saudi-Arabiens in BerlinBild: picture-alliance/dpa/C. Kornmeier

"Heuchelei und Doppelmoral"

Als unverständlich und zynisch wertete es das Parlament, dass ein Vertreter Saudi-Arabiens bei der Solidaritätskundgebung für die Opfer der Anschläge in Paris dabei war. "Saudi-Arabien hat das Attentat von Paris als feigen Terrorakt verurteilt, der gegen den wahren Islam verstößt - und zwei Tage später den Blogger Raif Badawi in Dschidda öffentlich auspeitschen lassen", kritisierte der CDU-Politiker Frank Heinrich. Und die Linke Inge Höger ergänzte: "Soviel Heuchelei und Doppelmoral ist kaum zu überbieten." Anerkennung zollte das Parlament Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) für seine klaren Worte zur Strafe für Badawi, die er als "grausam, falsch, ungerecht und völlig unverhältnismäßig" bezeichnet hatte.

Uneins waren sich Regierungs- und Oppositionsparteien aber über die generelle Politik Deutschlands gegenüber Saudi-Arabien. Für die Bundesregierung ist das Land ein wichtiger Partner, wirtschaftlich und politisch. "Saudi-Arabien ist - ob man das will oder nicht - einer der wichtigsten Spieler in der Region", hatte ein Sprecher des Auswärtigen Amts in dieser Woche erklärt. "Ohne Saudi-Arabien geht dort ganz wenig und gegen Saudi-Arabien geht auch wenig." Deshalb lägen gute Kontakte zu Saudi-Arabien in deutschem Interesse.

Die Zusammenarbeit einschränken?

Den Grünen und den Linken geht das zu weit: "Deutschland hofiert die königlichen Diktatoren", sagte Koenigs über die regelmäßigen Reisen deutscher Regierungsvertreter in das Land am Golf, in dem in punkto Menschenrechte "mittelalterliche Zustände" herrschten. Sie sollten dort lieber den wenigen Demokraten und den Gefängnissen einen Besuch abstatten.

Höger forderte, Deutschland solle die Sicherheitskooperation mit Saudi-Arabien auszusetzen, also etwa die Ausbildung saudischer Grenzschützer durch deutsche Polizeiausbilder. Das gelte auch für die militärische Zusammenarbeit. Saudi-Arabien ist ein wichtiger Käufer deutscher Rüstungsgüter. 2013 wurden Rüstungsexporte in Höhe von 360 Millionen Euro an Saudi-Arabien genehmigt.

Die Medienberichte, nach denen die Waffenexporte vorerst gestoppt werden sollen, hat die Bundesregierung nicht bestätigt. Die Opposition fordert schon länger, keine deutschen Waffen mehr an den Golfstaat zu verkaufen. Für einen Mittelweg zwischen Kooperation und klarer Kritik an Menschenrechtsverletzungen plädierte der Sozialdemokrat Achim Post: Der Dialog müsse ausgeweitet werden, auch auf die Zivilgesellschaft, denn: Die deutsche Haltung werde in Saudi-Arabien wahrgenommen "und zwar nicht nur in der Führung, sondern auch im Volk".