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Politik

Schäuble zum Bundestagspräsidenten gewählt

24. Oktober 2017

Mit großer Mehrheit hat der Deutsche Bundestag den bisherigen Bundesfinanzminister Schäuble zu seinem neuen Präsidenten gekürt. Der 75-jährige CDU-Politiker erhielt in der konstituierenden Sitzung 501 der 704 Stimmen.

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Deutschland 1. Sitzung im neuen Bundestag
Bild: Reuters/H. Hanschke

Wolfgang Schäuble ist neuer Bundestagspräsident. 501 Abgeordnete stimmten für ihn, 173 gegen ihn. Es gab 30 Enthaltungen. Damit entfielen auf Schäuble 71 Prozent der Stimmen. 705 Stimmen wurden abgegeben, eine Stimme war ungültig. Der neue Bundestag hat 709 Mitglieder. Schäuble nahm die Wahl an. Als erste gratulierte ihm Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der 75-jährige CDU-Politiker sitzt seit 1972 im Bundestag und ist damit dienstältester Parlamentarier. 

In seiner ersten Rede im neuen Amt dankte Schäuble seinem Vorgänger Norbert Lammert, der seit 2005 an der Spitze des Parlaments gestanden hatte, und sagte: "Er war zwölf Jahre ein großartiger Bundestagspräsident." Er freue sich auf die neue Aufgabe, betonte der neue Bundestagspräsident. "Im Parlament schlägt das Herz der Demokratie." Schäuble erklärte weiter: "Ich bin Parlamentarier aus Leidenschaft."

Deutschland 1. Sitzung im neuen Bundestag
Erste Gratulantin: Angela MerkelBild: Reuters/F. Bensch

Der neue Präsident des Parlaments mahnte die Abgeordneten, über den Streit in der Sache Fairness und Respekt nicht zu vergessen. "Es kommt auch auf den Stil an: Es gab in den vergangene Monaten in unserem Land Töne der Verächtlichungmachung und Erniedrigung. Das hat keinen Platz in einem zivilisierten Miteinander." Er fügt hinzu: "Prügeln sollten wir uns hier nicht."

Schäuble rief ungeachtet des Einzugs der rechtsnationalen AfD in das Parlament zu Gelassenheit im demokratischen Umgang auf. Er wisse aus eigenem Erleben, "dass Erregung und Krisengefühle so neu nicht wirklich sind", sagte er. "Auch deshalb sehe ich mit Gelassenheit den Auseinandersetzungen entgegen, die wir in den kommenden Jahren führen werden."

Zu stellvertretenden Bundestagspräsidenten wurden fünf Abgeordnete gewählt: Hans-Peter Friedrich (CSU), der bisherige SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki sowie die Abgeordneten Claudia Roth (Grüne) und Petra Pau (Linke), die dieses Amt schon im vorherigen Bundestag innehatten. Wie erwartet erhielt der AfD-Abgeordnete Albrecht Glaser im ersten Wahlgang nicht die erforderliche Mehrheit. Auch im zweiten und dritten Wahlgang scheiterte der 75-Jährige. Glasers Kandidatur war wegen seiner islamkritischen Äußerungen schon im Vorfeld bei den anderen Fraktionen zum Teil auf massiven Widerstand gestoßen. 

Solms eröffnet Sitzung

Zuvor war der 19. Deutsche Bundestag auf den Tag genau 30 Tage nach der Bundestagswahl zu seiner ersten Sitzung zusammengetreten. Zum Auftakt wurde ein Antrag der neu ins Parlament eingezogenen rechtspopulistischen Partei AfD von den anderen Fraktionen abgelehnt, die Sitzung nicht vom Alterspräsidenten, sondern einen Versammlungsleiter eröffnen zu lassen. Somit blieb es dabei, dass der FDP-Abgeordnete Hermann Otto Solms die Sitzung mit einer Rede eröffnete.

Solms mahnte die alten und neuen Parlamentarier: "Abgeordneter des Deutschen Bundestages zu sein, ist eine große Ehre, aber eine noch viel größere Verpflichtung." Der Bundestag bestimme die Regierung, nicht umgekehrt. "Das Parlament muss ein Spiegelbild der Meinungsvielfalt des Volkes sein", betonte der 76-Jährige. Er fügte hinzu: "Ich warne davor, Sonderregelungen zu schaffen, auszugrenzen oder gar zu stigmatisieren." Die Abgeordneten hätten alle "das gleiche Mandat, gleiche Rechte, aber auch gleiche Pflichten".

Solms will Reform des Wahlrechts 

Der FDP-Politiker machte sich in seiner Ansprache für eine Wahlrechtsreform stark. "Die Größe dieses aufgeblähten Parlaments trägt eher dazu bei, dass die Arbeitsfähigkeit des Bundestages ebenso wie sein Ansehen bei den Bürgern leidet." Wie der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) rege auch er an, dass "sich der Bundestag rasch mit einer Reform des Wahlrechts befasst". Im Interesse der Funktionsfähigkeit des Parlaments dürfe es dabei "keine taktischen Machtspiele" geben.

Dem Parlament gehört in dieser Wahlperiode die Rekordzahl von 709 Abgeordneten an. Es ist damit der größte Bundestag seit Bestehen der Bundesrepublik, keine andere westliche Demokratie hat ein so großes Parlament. Die Zahl der Fraktionen ist von vier auf sechs gewachsen. Union, SPD, FDP, Grüne, Linke und AfD sind repräsentiert. Hinzu kommen zwei fraktionslose Abgeordnete, die nach der Wahl die AfD-Fraktion verlassen haben, darunter die frühere Parteichefin Frauke Petry.

SPD: Kanzlerin häufiger befragen

Die SPD, die künftig die parlamentarische Opposition anführen will, brachte einen Antrag ein, der die Bundeskanzlerin Angela Merkel verpflichten soll, im Bundestag den Abgeordneten künftig regelmäßig Rede und Antwort zu stehen. Konkret soll sich die Kanzlerin mindestens viermal im Jahr dem Parlament stellen. Zudem soll die traditionell in Sitzungswochen am Mittwoch stattfindende Befragung von Regierungsvertretern durch Abgeordnete von 30 auf 60 Minuten verlängert werden. "Der Bundestag muss wieder zur zentralen Bühne der politischen Auseinandersetzung werden", begründete SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider den Antrag im Parlament. Merkels "Politikstil" sei ein Grund dafür, dass mit der AfD nunmehr eine populistische Partei im Bundestag vertreten sei.

Der FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann warf der SPD "Effekthascherei" vor. Über den Antrag solle nicht bereits in der konstituierenden Sitzung ohne vernünftige Beratung abgestimmt werden. Die Abgeordneten überwiesen den Antrag an den Ältestenrat. Auch weitere Anträge von Linken und AfD zur Änderung der Geschäftsordnung wurden überwiesen. 

Vor der konstituierenden Sitzung waren zahlreiche Abgeordnete und Mitglieder des alten Kabinetts unter Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem ökumenischen Gottesdienst in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin zusammengekommen.

Jamaika-Verhandlungsrunde in Berlin

Am Nachmittag händigte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier der Kanzlerin und den anderen Regierungsmitgliedern ihre Entlassungsurkunden aus. Steinmeier bat zuvor die Kanzlerin, die Geschäfte bis zur Bildung einer neuen Regierung weiterzuführen. Derzeit verhandeln Union, FDP und Grüne über ein gemeinsames Regierungsbündnis, die Verhandlungen sind am Abend fortgesetzt worden. Neben dem Finanzbereich sollte an diesem Dienstag über Europa-Themen gesprochen werden.

kle/qu (dpa, afp, epd, rtr, Phoenix)