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Bundestagswahl: China setzt auf Kontinuität

Wan Fang 10. September 2013

Angela Merkel oder Peer Steinbrück? Auch in China interessiert man sich für die Wahl in Deutschland. Bei einem Regierungswechsel könnten andere Themen auf die deutsch-chinesische Agenda kommen.

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Merkel mit Xi Jinping 2012 in Peking (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

In China ist Bundeskanzlerin Angela Merkel bekannt für ihre rationale und pragmatische Art. Seit acht Jahren ist sie im Amt, lange genug, um die deutsch-chinesischen Beziehungen zu prägen. Zuletzt war Merkel im August 2012 in Peking, wo sie mit dem heutigen Staatspräsidenten Xi Jinping zusammentraf.

"In der politischen Auseinandersetzung in Deutschland zeigt Merkel besonderes Charisma. Unterschiedliche politische Haltungen bringt sie sehr gut auf den Punkt. Und sie präsentiert die entsprechenden Lösungen. Die Opposition hat dem nicht viel entgegenzusetzen," so die Analyse der starken Stellung der Bundeskanzlerin durch Zhao Chen, Politikwissenschaftler an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften jüngst in einer Studie.

Pragmatismus und gute Wirtschaftsdaten

Liu Liqun, Professor für deutsche Politik an der Fremdsprachenuniversität Peking, hat eine überwiegend positive Berichterstattung in China über Angela Merkels Amtsführung registriert. Mit einer großen Ausnahme: als Merkel 2007 den Dalai Lama im Kanzleramt empfing.

Liu Liqun von der Pekinger Fremdsprachenuniversität(Foto: privat)
Der Politologe Liu Liqun rechnet mit Fortsetzung der bisherigen KoalitionBild: Privat

In der Folge kühlten damals die bilateralen Beziehungen empfindlich ab. Aus chinesischer Sicht hat Merkel mit ihrer rationalen und pragmatischen Art die Beziehungen aber wieder in ruhigeres Fahrwasser gebracht. Und da werden die Beziehungen vor allem von dem wachsenden wirtschaftlichen Austausch beider Länder geprägt.

(Kein) Thema: Internetspionage

Das hohe Ansehen der Bundeskanzlerin beruhe nicht zuletzt auf der guten wirtschaftlichen Lage Deutschlands, meint Deutschlandexperte Liu Liqun: "Trotz der Schuldenkrise in Europa ist die deutsche Wirtschaft stabil." Als mächtigste Frau der Welt komme Merkel in China gut an, sagt Liu.

Nach Ansicht der chinesischen Experten hat die Bundeskanzlerin allerdings beim NSA-Überwachungsskandal Schwächen gezeigt. Liu Liqun sieht Merkel in einem Dilemma: "Einerseits will Deutschland die transatlantischen Beziehungen schützen, andererseits gerät Merkel unter öffentlichen Druck, den Abhörskandal grundlegend aufzuklären", erklärt Liu. In China werde über dieses Thema allerdings kaum berichtet.

"Deutsche Innenpolitik für Chinesen weniger interessant"

Kanzlerin Merkel ist dem chinesischen Publikum sehr viel besser bekannt als der Herausforderer Steinbrück. Von dem SPD-Politiker hätten nur wenige Chinesen gehört, sagt Bian Wei, Korrespondent der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua in Berlin. In China interessiere man sich speziell für Zahlen und Fakten aus den Meinungsumfragen. "Wir geben selbst keine Prognosen ab, sondern berichten über den Wahlkampfverlauf und mögliche Koalitionen. Die Details der deutschen Innenpolitik lassen wir aus. Die sind für das chinesische Publikum weniger interessant", so der Xinhua-Mitarbeiter aus Berlin.

Deutschlandfest der SPD mit Peer Steinbrück (Foto: Getty Images)
In China weitgehend unbekannt: SPD-Spitzenkandidat SteinbrückBild: Getty Images

Allerdings, ergänzt Bian, würden gelegentlich die möglichen Folgen der Wahl für China diskutiert. "Wer auch immer gewählt wird, die deutsch-chinesischen Beziehungen werden sich weiterentwickeln", davon ist Bian Wei überzeugt.

"Grüne könnten für Turbulenzen sorgen"

Mit einer Überraschung am Wahltag rechnet Liu Liqun nicht: "Mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent gehe ich davon aus, dass das kommende Bundeskabinett weiter von CDU und FDP gebildet wird", so der Pekinger Deutschlandexperte.

Markus Löning, Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, und der chinesische Menschenrechtler Chen Guangcheng in Berlin (Foto: Su Yutong DW)
Der Bundesbeauftragte für Menschenrechtspolitik, Markus Löning, mit dem chinesischen Aktivisten Chen GuangchengBild: DW

Sollte entgegen seiner Prognose doch eine rot-grüne Koalition aus den Wahlen hervorgehen, geht Liu Liqun allerdings von einer stärkeren Betonung des Themas Menschenrechte aus. In letzter Zeit hätten zahlreiche grüne Politiker die Menschenrechtssituation in China scharf kritisiert, hat Liu beobachtet. Das könnte bei einer Regierungsbeteiligung der Grünen zu Turbulenzen im bilateralen Verhältnis führen.

Dennoch schauen sowohl Chinas staatliche Medien als auch die Deutschlandexperten relativ gelassen auf die Bundestagswahl. Die allgemeine Einschätzung: Egal wer ins Kanzleramt einzieht - an den deutsch-chinesischen Beziehungen wird sich nichts Wesentliches ändern. In der China-Politik unterschieden sich die politischen Lager nur wenig.