1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Karlsruhe setzt BND-Abhörpraxis Grenzen

19. Mai 2020

Darf der Bundesnachrichtendienst im Ausland ohne konkreten Anlass Datenströme durchforsten? Jedenfalls nicht wie bisher, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Ein Sieg für die Pressefreiheit.

https://p.dw.com/p/3cRnv
Karlsruhe | Stephan Harbarth - Vorsitzender des Senats beim Bundesverfassungsgericht
Bild: picture-alliance/dpa/U. Deck

Strengere Regeln für BND: Gespräch mit Prof. Helmut Aust, Rechtswissenschaftler

Der Bundesnachrichtendienst (BND) muss sich bei seinen weltweiten Überwachungsaktivitäten an deutsche Grundrechte halten. Das Fernmeldegeheimnis und die Pressefreiheit schützten auch Ausländer, entschied das Bundesverfassungsgericht. Die Karlsruher Richter gaben damit einer Klage der Organisation "Reporter ohne Grenzen" (RoG) und mehrerer ausländischer Journalisten gegen das BND-Gesetz statt. Es muss nun bis spätestens Ende 2021 grundlegend überarbeitet werden (Az.: 1 BvR 2835/17).

Konkret geht es um die Vorschriften für die sogenannte strategische Fernmeldeaufklärung im Ausland. Dabei durchforstet der BND ohne konkreten Verdacht große Datenströme auf interessante Informationen. Deutsche Bürger dürfen nicht auf diese Weise überwacht werden. Der BND versucht deshalb, ihre Kommunikation vor der inhaltlichen Auswertung auszusortieren.

Die gewonnenen Daten werden auch für ausländische Partnerdienste ausgewertet oder an diese weitergegeben. Seit Anfang 2017 gibt es im BND-Gesetz dafür zum ersten Mal eine rechtliche Grundlage. Menschen- und Bürgerrechtler hatten diese als völlig unzureichend kritisiert - zu Recht, wie nun das Urteil zeigt.

Strengere Regeln für BND: Gespräch mit Prof. Helmut Aust, Rechtswissenschaftler

Genauere Regeln erforderlich

Grundsätzlich haben die Verfassungsrichter keine Einwände gegen eine "strategische Kommunikationsüberwachung" durch den deutschen Geheimdienst. Sie könne verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, betonte der Senatsvorsitzende Stephan Harbarth (Artikelbild). Dies beruhe auf dem "überragenden öffentlichen Interesse an einer wirksamen Auslandsaufklärung im Interesse der außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland".

Der Gesetzgeber muss die BND-Befugnisse jedoch viel genauer als bisher regeln und begrenzen. Das betrifft eine Vielzahl an Einzelpunkten: Zum Beispiel muss das Volumen der abgegriffenen Daten von vornherein vorgegeben sein. Verbindungsdaten dürfen höchstens ein halbes Jahr gespeichert werden. Die vertrauliche Kommunikation bestimmter Berufsgruppen wie Anwälte und Journalisten muss besonders geschützt werden. Sehr private und intime Inhalte, die den BND-Mitarbeitern ins Netz gehen, müssen unverzüglich gelöscht werden.

Deutschland - Zentrale des Bundesnachrichtendienst
Späher im Dienst der Bundesregierung: die neue Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in BerlinBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Auch für den Datenaustausch und die Kooperation mit ausländischen Partnern machen die Richter Vorgaben. Sie pochen in ihrem gut 140-seitigen Urteil insbesondere auf die "Einhaltung elementarer menschenrechtlicher Grundsätze". Außerdem muss es eine eigenständige, starke Kontrollinstanz geben, die dem BND auf die Finger schaut.

"Guter Tag für die Grundrechte"

Die Kläger zeigten sich mit dem Urteil zufrieden. Es sei ein "Meilenstein für den Schutz von Journalisten im digitalen Zeitalter", sagte RoG-Geschäftsführer Christian Mihr in Karlsruhe. Die Entscheidung bedeute auch international ein wichtiges Signal. Der Vorsitzende der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), Ulf Buermeyer, sprach von einem "sehr guten Tag für die Grundrechte". 

Auch der Deutsche Journalistenverband (DJV) begrüßte den Richterspruch. Er sei ein "Sieg für die Pressefreiheit auf ganzer Linie", erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall in Berlin. "Ein Geheimdienst, der die Demokratie schützen soll, darf nicht wichtige demokratische Grundwerte mit Füßen treten."

sam/wa (dpa, afp, rtr)