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Politik

Elitesoldat vom Dienst suspendiert

Richard A. Fuchs
8. Februar 2019

Medien berichten, dass die Bundeswehr einen Elitesoldaten suspendiert hat. Er soll sich im Netz rechtsextremistisch geäußert haben. Damit erreicht der Verdacht rechter Netzwerke die Führungsebene der deutschen Armee.

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Deutschland Kommando Spezialkräfte KSK in Calw
Bild: picture-alliance/dpa/F. Kraufmann

Die jüngere Geschichte der Bundeswehr ist nicht arm an Skandalen. Im April 2017 wird mit Offizier Franco A. ein Soldat festgesetzt, der als Flüchtling getarnt einen terroristischen Anschlag in Deutschland geplant haben soll. In dieselbe Zeit fallen weitere Skandale, die Sexismus und Missbrauch von Führungsgewalt in der Truppe offenbaren. Danach machen Meldungen von rechtsextremen Soldaten-Netzwerken die Runde. Mangelnde Einsatzbereitschaft, defektes Material und eine angeschlagene Moral der Truppe kommen hinzu. Und jetzt muss dieser Reihe von Negativschlagzeilen noch ein weiteres Kapitel hinzugefügt werden.

Ein "Reichsbürger" unter den Elitesoldaten?

Wie die "Bild"-Zeitung am Freitag berichtete, wurde ein Soldat der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) mit Sitz im baden-württembergischen Calw vom Dienst suspendiert. Der Vorwurf: Der Soldat soll in privaten Gesprächen und in Meinungsbeiträgen in den sozialen Medien rechtsextremes Gedankengut verbreitet haben. In überwachten Telefonaten soll der KSK-Soldat behauptet haben, der deutsche Staat habe die Lage aufgrund der großen Zahl von Flüchtlingen nicht mehr im Griff, weshalb die Armee die Dinge nun selbst in die Hand nehmen müsse. Zudem habe sich der Betroffene als Mitglied der "Reichsbürger"-Szene zu erkennen gegeben. Anhänger dieser Bewegung lehnen die Rechtmäßigkeit der heutigen Bundesrepublik ab, erkennen ihre Staatsorgane nicht an und stellen den Holocaust in vielen Fällen in Frage. Der suspendierte Soldat soll die Abschaffung des Bundespräsidentenamtes gefordert haben.

Bundeswehr
Die Mehrzahl der Soldatinnen und Soldaten steht fest auf dem Boden des Grundgesetzes. Trotzdem gab es im Jahr 2018 270 extremistische Verdachtsfälle Bild: picture-alliance/dpa/K.-J.Hildenbrand

Das Verteidigungsministerium und das Informationsamt des Heeres bestätigte die Suspendierung eines Soldaten der Division Schnelle Kräfte und betonte, dass dem Betroffenen das Tragen der Uniform verboten worden sei. "Wenn das geboten ist, ist das schon ein besonderer Fall", betonte ein Sprecher der Heeresstreitkräfte im Gespräch mit der DW. "Das machen wir nicht ohne Grund." Das besondere an diesem Fall ist, dass der Beschuldigte nicht irgendein Soldat aus den unteren oder mittleren Diensträngen ist, sondern dem Führungspersonal der Truppe angehört. Laut "Bild"-Zeitung soll es sich bei ihm um einen Oberstleutnant handeln, der an der Gründung der Bundeswehr-Eliteeinheit KSK maßgeblich beteiligt gewesen ist.

Agnieszka Brugger, stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag, stellt im Gespräch mit der DW klar: "Menschen, die die Existenz der Bundesrepublik leugnen, dürfen keinen Zugang zu Waffen und militärischer Ausbildung haben." Reichsbürger gehörten entsprechend nicht in die Bundeswehr und schon gar nicht in ihre Eliteeinheiten, betont Brugger.

Agnieszka Brugger Abgeordnete des Deutschen Bundestages
Fordert schonungslose Aufklärung in der Bundeswehr-Führungsetage: Agnieszka Brugger, grüne BundestagsabgeordneteBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Sinkt die Zahl der Extremisten in der Armee - oder steigt sie an?

Hat die Bundeswehr also ein Problem mit Rechtsextremismus bis hinauf in die Führungsetage? Das Bundesverteidigungsministerium beeilte sich am Freitag, dem Eindruck entgegenzuwirken, es gebe eine wachsende Zahl von Rechtsextremismus-Fällen in der Truppe. Eine Ministeriumssprecherin betonte, die Zahl der gemeldeten Vorkommnisse sei nach Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2012 deutlich zurückgegangen. Die Sprecherin verwies darauf, dass es in den vergangenen zehn Jahren rund 200 tatsächliche Fälle von Rechtsextremismus in der Truppe gegeben habe. Die Mehrzahl davon, also 170, sei allerdings vor 2012 aktenkundig geworden. Auch die 15 linksextremistischen Fälle seien fast alle vor 2012 erkannt worden. Nur die 35 Fälle von islamistischer Gefährdung seien der jüngsten Vergangenheit zuzuordnen. Belastbare Hinweise auf ein (rechts)extremistisches Netzwerk will das Bundesverteidigungsministerium aus all dem nicht erkennen.

Die Sprecherin des Verteidigungsministeriums betonte, dass die Mehrheit der Beschuldigten bereits aus der Bundeswehr entlassen worden sei. Eine Behauptung, die im krassen Widerspruch zu dem steht, was die Oppositionspolitikerin Brugger von den Grünen beobachtet hat. Der Grünen-Verteidigungsexpertin ist trotz der hohen Zahl bekannter Verdachtsfälle in keinem einzigen Fall bekannt, dass es zu Entlassungen gekommen sei. Bislang sind diese widersprüchlichen Aussagen nicht aufzulösen. Der Militärgeheimdienst MAD, der die Bundeswehr vor einer extremistischen Unterwanderung bewahren soll, hat nach Informationen der "Funke Mediengruppe" im vergangenen Jahr 270 Verdachtsfälle gezählt. Welche Dienstgrade betroffen sind, ist unbekannt. 

Der Fall Günzel und die Führungsfrage in der Bundeswehr 

Dass es bereits in der Vergangenheit immer wieder Hinweise darauf gab, dass auch obere Führungskader der Bundeswehr nicht vor extremistischen Bestrebungen gefeit sind, zeigt ein Blick in die Geschichte der Eliteeinheit KSK. Im Jahr 2003 wurde der damalige Kommandeur der Spezialeinheit in den Zwangs-Ruhestand versetzt. Der Grund: Der Brigadegeneral a.D. Reinhard Günzel hatte eine mit antisemitischen Vorurteilen gespickte Rede des damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann mit Lob überhäuft. Damit beendete der damalige Verteidigungsminister eine steile Bundeswehr-Karriere, die Günzel in viele Ämter brachte, obwohl er auch zuvor mit rechtsextremen Äußerungen aufgefallen war. 1997 kassierte er dafür öffentlich eine Abmahnung.

Deutschland Reinhard Günzel ehemaliger KSK Kommandeur
Reinhard Günzel, ehemaliger KSK-Kommandeur, unehrenhaft aus dem Dienst in den Ruhestand versetztBild: picture-alliance/dpa/H. Nicolai

Eine anschließende Beförderung im November 2000 zum Kommandeur der KSK verhinderte das nicht. Drei Jahre führte er das Kommando - bis zu seiner Entlassung im Jahr 2003. Auch danach machte Günzel von sich reden, beispielsweise als Vortragsreisender, der Verschwörungstheorien propagierte und Vorträge bei Treffen von rechtsextremen Bündnissen hielt. 2005 veröffentlichte Günzel zusammen mit dem Gründer der GSG9-Spezialeinheit der Bundespolizei, Ulrich Wegener, und einem ehemaligen Wehrmachtsoffizier das Buch "Geheime Krieger". Darin wird die Eliteeinheit der Bundeswehr in die Traditionslinie der Wehrmacht gestellt. Die neuen Vorwürfe rund um den Elitesoldaten der KSK erscheinen vor diesem Hintergrund in einem ganz anderen Licht. Die offenen Fragen an die Bundeswehr werden dadurch allerdings nicht weniger.