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Bundeswehr soll IS-Waffenschmuggler stoppen

Kay-Alexander Scholz, Berlin22. Juni 2016

Die Bundesregierung will Fluchtursachen auch vor Ort bekämpfen. Ein Beispiel dafür ist die EU-Militärmission "Sophia", die nun neue Befugnisse bekommt. Die bisherigen Erfahrungen waren allerdings gemischt.

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Deutschland Korvette Ludwigshafen am Rhein - Operation Sophia Foto: Bernd Wüstneck/dpa
Bild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

Das Einsatzgebiet der bisherigen EU-Mission "Sophia" umfasst ein Gebiet ungefähr so groß wie Deutschland. Es deckt die Küste Libyens ab, die westliche Mittelmeerküste Tunesiens und reicht im Norden bis nach Sizilien und die südliche Spitze Italiens. Auf den beiden deutschen Marine-Schiffen, an Bord des italienischen Flaggschiffs und im Hauptquartier der Operation in Rom sind derzeit 400 Soldaten der Bundeswehr an "Sophia" beteiligt. Ihre Aufgabe besteht eigentlich darin, kriminelle Schleuserbanden zu bekämpfen, Aufklärungsarbeit zu leisten und so die illegale Einreise von Flüchtlingen einzudämmen. Doch in der Realität betreiben sie hauptsächlich Seenotrettung, das heißt, sie holen Flüchtlinge von Schlepperbooten an Bord.

Seit vergangenem Jahr wurden so 15.000 Flüchtlinge nach Italien gebracht. Wer mit Beteiligten sprach, hörte heraus, wie unzufrieden die Soldaten sind. Sie fühlten sich als Teil der Schlepperkette und hätten Bedenken, "Fährmann der IS-Terroristen zu sein", wie ein Kommandant im April in Berlin berichtete. Ihr eigentliches Ziel, nämlich Schlepper zu bekämpfen, sei schwer umzusetzen. 60 bis 70 Schleuserverdächtige wurden laut EU bisher festgenommen und an die italienischen Behörden übergeben. Rund 140 Schiffe wurden zerstört.

Bisheriges Mandatsziel nicht erreicht

Ein Grund dafür: Die Soldaten müssen ihren Einsatz auf internationale Gewässer beschränken, sie dürfen nicht in die Küstengewässer Libyens eindringen. Dort aber kämen sie den Schleppern näher - wenn auch nur, um sie zu beobachten. An die wirklich "großen Fische" kommen die Soldaten sowieso nicht heran. Die sitzen nämlich in schicken Bürotürmen an der Küste; für die EU nicht erreichbar. Mit einem Holzboot, auf das 350 bis 600 Flüchtlinge passen, machen die Schleuser einen Umsatz von einer Million Dollar.

Frontex, die europäische Grenzschutzagentur, geht davon aus, dass es derzeit auf der Mittelmeer-Route 10.000 Ausreisen pro Woche aus Libyen gibt. Die intensivere Überwachung und Seenotrettung durch die EU habe dazu geführt, dass die Schlepper noch ungehemmter Flüchtlinge in wenig seetüchtigen Booten auf Reise schicken, berichtete jüngst Frontex-Direktor Klaus Rösler in Brüssel. Auch in Berlin hieß es, die Libyen-Route sei weiterhin eine "relevante Route für Flüchtlinge".

Neue Befugnisse

Die Bundesregierung hat nun eine Verlängerung und Erweiterung des "Sophia"-Mandats beschlossen. Das neue Mandat ist weiter gefasst, auch örtlich,. Das Überwachungsgebiet soll in Richtung Ägypten ausgeweitet werden. Zwei Aufgaben kommen hinzu: Die Soldaten sollen zum einen Waffenschmuggel bekämpfen und zum anderen die libysche Regierung beim Aufbau einer Küstenwache und der Marine unterstützen. Konkret sollen nun auch größere Boote von Schleusern auf hoher See gestoppt, durchsucht und beschlagnahmt werden können. Bei begründetem Verdacht auf Waffenschmuggel dürfen sie Schiffe auf dem Weg von und nach Libyen durchsuchen.

Der Mandatserweiterung liegen zwei politische Entscheidungen zugrunde. Zum einen hat die kürzlich gebildete Einheitsregierung in Libyen das Angebot der EU angenommen, das Land beim Wiederaufbau einer Küstenwache zu unterstützen. Diese könnte dann dort direkt Schleuser bekämpfen. In einem ersten Schritt sollen dafür 100 Libyer an Bord eines Schiffes ausgebildet werden. Italien will Libyen dafür zehn Patrouillenboote zur Verfügung stellen. Die Ausbildung soll dann auch an Land in EU-Mitglieds- oder Drittstaaten und schließlich direkt auf den künftigen Schiffen der libyschen Küstenwache stattfinden.

Hilfe für den fragilen libyschen Staat

Der Kampf gegen den Waffenschmuggel ist möglich, weil die UN im Juni ein Waffenembargo beschlossen hat, deren Einhaltung nun umgesetzt und kontrolliert werden soll. Die libysche Einheitsregierung soll nach den Vorstellungen der UN gestärkt werden, indem verhindert wird, dass extremistische Gruppen über das Mittelmeer mit Rüstungsgütern versorgt werden. UN-Berichten zufolge sollen unter anderem über die Türkei, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate illegal Waffen nach Libyen kommen. Davon profitieren sollen die politischen Gruppierungen, die sich bis zuletzt verfeindet gegenüberstanden. Es gibt Vermutungen, dass so auch der libysche Ableger der IS-Terrormiliz vom Schmuggel profitiert und Waffen bekommt. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte in Berlin, dass die Gefahren für Europa, die vom IS in Libyen ausgingen, größer seien als die aus Syrien und dem Irak.

Die EU-Außenminister hatten sich Anfang der Woche bereit erklärt, das UN-Embargo militärisch umzusetzen, weshalb nun das "Sophia"-EU-Mandat erweitert werden soll. Die Bundeswehr will sich auf den nun potentiell gefährlicheren Einsatz in den nächsten Wochen einstellen. Die konkreten Eiinsatzregeln dafür kämen aber aus Brüssel, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin. Das dauere wohl noch vier bis sechs Wochen. Auch die konkrete Ausgestaltung der Ausbildungskomponente werde von der EU definiert und dann an die Bundeswehr weitergegeben.

Bundestag entscheidet

Das derzeitige Kontingent von 400 Soldaten könnte auf maximal 950 mehr als verdoppelt werden, das besagt die schon jetzt gültige Regel zur Mandatsobergrenze. Für das Vorgehen gegen Waffenschmuggler sind auch spezielle "Boarding Teams" im Gespräch, die Durchsuchungen notfalls erzwingen können.

Am Freitag beginnen im Bundestag die Beratungen über die Mandatsverlängerung der Mission "Sophia" bis 2017 und die neuen Aufgaben. Noch vor der Sommerpause könnte das Parlament in seiner letzten Sitzungswoche Anfang Juli zustimmen, was derzeit sehr wahrscheinlich ist. Die Teilnahme an der Mission kostet rund 45 Millionen Euro.