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Politik

Burkina Faso in der Krise

Katrin Gänsler
29. April 2019

In Burkina Faso haben Anschläge und Überfälle seit 2016 spürbar zugenommen. Fast 136.000 Menschen sind vor der Gewalt auf der Flucht. Daran bessert auch eine Selbstverteidigungsmiliz nichts - im Gegenteil.

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DW Burkina Faso l Sicherheit
Im Flüchtlingscamp von Barsalogho leben knapp 1400 MenschenBild: DW/K. Gänsler

Im Flüchtlingscamp von Barsalogho im Norden Burkina Fasos sitzen Dutzende Kinder in einer kleinen Hütte. Geflochtene Matten halten die Sonne ab. Die Kleinen singen, klatschen und spielen mit ihren Erzieherinnen. Die meisten sind seit Januar hier. Es ist völlig ungewiss, wie lange sie und die übrigen knapp 1400 Bewohner bleiben müssen.

Der Grund für ihre Flucht: Im Norden des Landes kommt es seit 2016 immer häufiger zu Anschlägen und Massakern, an diesem Montag (29.04.) erst wurden bei einem Angriff auf eine Kirche fünf Menschen getötet. Terrorgruppen und organisierte Kriminalität florieren, ethnische Spannungen tun ihr Übriges. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen (UN) sind inzwischen fast 136.000 Menschen auf der Flucht. Das Massaker von Yirgou Anfang Januar war der Grund, weshalb das Camp in Barsalogho überhaupt errichtet wurde.

Morde, Vergeltungstaten und Gerüchte hatten damals die ohnehin angespannte Stimmung zwischen ethnischen Gruppen in der Region eskalieren lassen. Verschiedenen Angaben zufolge starben zwischen 49 und mehr als 200 Menschen, die meisten von ihnen Angehörige der Volksgruppe Peul, die im anglophonen Afrika Fulani genannt werden.

Selbstverteidigungsmiliz unter Verdacht

Die 40-jährige Adama Dicko starrt in die Ferne. Sie lebt in einem der Zelte und erinnert sich stockend an den Überfall auf Yirgou und die Nachbardörfer: "Menschen sind gekommen, um uns zu töten. Sie haben auch meinen Mann umgebracht. Wir sind in den Wald gelaufen." Polizisten oder Soldaten seien tagelang nicht in das Dorf gekommen, erzählen mehrere Flüchtlinge und kritisieren die Sicherheitsbehörden scharf.

DW Burkina Faso l Sicherheit - Flüchtling Adama Dicko
Adama Dicko hat Angst, in ihr Dorf zurückzukehrenBild: DW/K. Gänsler

Adama Dicko und die anderen Bewohner des Flüchtlingscamps sind sich einig: Für das Massaker verantwortlich seien Mitglieder der Koglweogo. So heißt die Selbstverteidigungsmiliz, die sich 2015 im ganzen Land gegründet hat. Übersetzt bedeutet der Name "Wächter des Waldes". Nach dem Sturz von Langzeitherrscher Blaise Compaoré und den Neuwahlen ein gutes Jahr später waren die Hoffnungen auf ein demokratischeres Burkina Faso groß. Gleichzeitig herrschte Unsicherheit, in welche Richtung sich der bis dahin stabile Sahel-Staat entwickeln würde.

Miliz füllt Sicherheitsvakuum

"Da der Staat nicht die Mittel hatte, die Sicherheit für seine Bürger zu organisieren, haben sie das selbst getan", sagt Bienvenue Ambroise Bakyono über die Anfänge der Selbstverteidigungsmiliz. Bakyono sitzt für die Regierungspartei "Bewegung der Menschen für den Fortschritt" (MPP) im Parlament und ist stellvertretender Präsident der Verteidigungs- und Sicherheitskommission.

Seitdem bewegt sich die Gruppe in einer Grauzone. In der Hauptstadt Ouagadougou werden ihre Vertreter zu Diskussionsrunden eingeladen und sitzen mit Mitgliedern der Zivilgesellschaft und regulären Sicherheitsbehörden an einem Tisch. In der Provinz Centre-Nord, in der auch Barsalogho und Yirgou liegen, ist zumindest ihre Existenz per offiziellem Schreiben anerkannt worden.

DW Burkina Faso l Sicherheit - Moumini Ouedraogo
Die Koglweogo haben für Sicherheit gesorgt, findet Moumini OuedraogoBild: DW/K. Gänsler

Moumini Ouedraogo freut das. Er gehört den Koglweogo an und ist auf lokaler Ebene verantwortlich für die Kommunikation mit der öffentlichen Verwaltung. "Die Gründung war absolut notwendig", erzählt er im Koglweogo-Hauptquartier in der Provinzhauptstadt Kaya. "Man konnte weder in der Stadt, noch in den Dörfern spazieren gehen. Selbst zu Hause war man nicht mehr sicher."

Zu wenig Polizisten in Burkina Faso

Die Vorwürfe, an den Massakern in und um Yirgou beteiligt gewesen zu sein, weisen er und die übrigen Männer von sich. Im Gegenteil: Ihre Präsenz habe dafür gesorgt, dass Banditen keine Straßenblockaden mehr bauten, Vieh nicht mehr gestohlen werde und sich die Menschen wieder sicherer fühlten. Etwas später räumt Moumini Ouedraogo allerdings ein: "Natürlich sollte das die Polizei machen. Doch sie haben im Verhältnis zur Bevölkerung viel zu wenige Leute. Wenn wir jemanden fangen, dann rufen wir die Polizei." Ohnehin sei seine Gruppe nicht bewaffnet, beteuert er. "Wenn die anderen jedoch Waffen haben, können wir nichts ausrichten. Das wäre zu gefährlich."

DW Burkina Faso l Sicherheit - Rodrigue Wangraoua
Jeder weiß, dass die Gefahr da, sagt Rodrigue Wangraoua, Generalsekretär des Regionalrats Centre-NordBild: DW/K. Gänsler

Die Koglweogo werden von Behördenvertretern häufig gelobt, auch eine Bewaffnung der Gruppe wurde schon diskutiert. Rodrigue Wangraoua, Generalsekretär des Regionalrats Centre-Nord, sieht das kritisch: "Wenn eine bewaffnete Gruppe innerhalb der Bevölkerung meint, für die Sicherheit von anderen sorgen zu müssen, dann ist das eine Gefahr." Niemand könne sie dann kontrollieren oder beeinflussen.

Burkina Faso wird destabilisiert

Es sind jedoch nicht nur lokale Konflikte mit ethnischer Färbung, die in Burkina Faso Misstrauen und Angst schüren. Immer wieder kommt es zu Anschlägen islamistischer Terrorgruppen, auch in der Hauptstadt Ouagadougou. "Es gibt den Aspekt des Dschihadismus und grenzüberschreitende Kriminalität", sagt der Parlamentsabgeordnete Bienvenue Ambroise Bakyono. Das destabilisiere das Land zusätzlich, denn die Terroristen stellten die Existenz des burkinischen Staates in Frage.

Besonders betroffen sind der Norden der Landes sowie die Grenzregionen zum Niger und zum Nachbarland Benin. "Jeder weiß, dass die Gefahr da ist", sagt Rodrigue Wangraoua in Kaya. Spürbar ist das auch im wirtschaftlichen Bereich. Burkina Faso gehört schon lange zu den ärmsten Ländern der Welt und liegt im UN-Entwicklungsindex auf Platz 183 von 189. "Bei einer Terrorgefahr entscheiden sich einige Menschen für andere Märkte", befürchtet Wangraoua. Und das könne Burkina Faso zusätzlich schwächen.