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Busfahrt in Berlin

20. Februar 2010

Durchsagen im Bus sind in vielen Städten unfreiwillig komisch. Aber in Berlin kann daraus auch mal ein kleiner Machtkampf entstehen.

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Der Berliner, so sagt der Berliner über den Berliner, trägt sein Berliner Herz auf der Berliner Zunge. Das ist schon länger bekannt, jeder echte Berliner, vor allem aber jeder Neuberliner und erst recht jeder Gastberliner hat das eine oder andere Beispiel parat, in dem er selbst schon Mal Bekanntschaft gemacht hat mit der Berliner Schnauze. Also jenem typischen Humor, der mindestens so schlagfertig wie boshaft, grundehrlich und dabei doch irgendwo herzensgut ist. Ich habe seit heute Morgen in meinem Repertoire ein neues Beispiel. Ich bin nämlich mit dem Bus zur Arbeit gefahren, da schaltete der Busfahrer sein Mikrofon ein und ließ die Fahrgäste großherzig an seinem Mutterwitz teilhaben: „KOMM SE RUHIG NOCH REIN. BEI MIR AUFM SCHOSS IS NOCH PLATZ.“ Offenbar wagte da jemand, in den überfüllten Bus zu drängen. Die telefonierende Passagierin hinter mir meldete sofort in ihre pfälzische Heimat: „Hörst Du? Des is einfach Berlin, ich wollt ja erst gar nit herkomme, aber jetzt bin ich froh, de Bus genomme zu habe.“

Man tut ja allet....

Ja, Des is Berlin. Und es ging weiter, zwischen zwei Haltestellen. „LIEBE FAHRGÄSTE; GEHNSE BITTE BEI DER NÄCHSTEN HALTESTELLE ALLE IN DIE HOCKE UND DANN NIMMT JEDER NOCH EINEN FAHRGAST AUF DIE SCHULTER. SO KÖNNEN ALLE MIT.“ Nicht verstanden? „DER BUS IST VOLL. ICK NEHM KEINEN MEHR MIT.“ Aha. Wer es nicht gemerkt hat weiß jetzt: Der Bus ist voll! Doch die ganze Dramatik der Situation musste dann doch noch deutlicher werden: „NUR DET SE WISSEN, WAT ICK HIER AUF MICH NEHM: DET GIBT 300 EURO UND DREI PUNKTE. DER BUS IST VÖLLIG ÜBERLASTET. ABER MAN TUT JA ALLET FÜR SEINE FAHRGÄSTE.“ Ja, der Fahrer, Held wider Willen, riskiert eine Geldstrafe und Punkte in der Flensburger Verkehrskartei für das Wohl der Berlinerinnen und Berliner. Eine Stadt mit Herz. Und dann passiert es.

Der Bus ist voll wenn ick sage, der Bus ist voll

Ein Fahrgast wagt einzusteigen, obwohl der Bus voll ist. Frech drängt er sich am Busfahrer vorbei und sucht im Obergeschoss des Doppeldeckerbusses nach einem freien Platz. So nicht, Freundchen. „SIE KOMMEN WIEDER RUNTER. DAS GARANTIER ICH IHNEN.“ Wer das Lenkrad in der Hand hat, sitzt am Längeren Hebel. „ICK FAHR ERST WEITER WENN SIE HIER WIEDER AUFKREUZEN!“ Murrend begibt sich der Fahrgast hinunter zum Busfahrer. „Aber oben sind doch noch Plätze frei.“ Der Fahrer, jetzt ohne Mikrofon: „Der Bus ist voll. Und wenn ick sage, da kommt keiner mehr rein, dann kommt keiner rein. Klar?“ Nochmal: „Aber es sind doch noch Plätze frei...“ „Der Bus is voll!“ „Oben sind noch Plätze frei.“ „Der Bus is voll, wenn ick sage, der Bus is voll!“ Mit diesen Worten entlässt er den Fahrgast, der wieder hinaufsteigt und dann kurz stehen bleibt. Mindestens fünf Sitze sind frei und er muss kurz überlegen, für welchen er sich entscheiden soll.

Ich steige aus und höre noch, wie der Fahrer an die Zentrale meldet: „Ick hab Angst um meine Achsen. Det sind mindestens 200 Prozent Überlastung...“

Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Annamaria Sigrist