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Cannabis auf Rezept für Schwerstkranke

18. August 2010

Bei schweren Leiden sollen Kranke in Deutschland bald Medikamente nehmen können, die Cannabis enthalten. Patientenverbände begrüßen entsprechende Pläne der Bundesregierung. Manchen gehen sie aber nicht weit genug.

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Cannabis (Foto: AP)
In den Niederlanden gibt es Cannabis auf RezeptBild: AP

Kiffen auf Rezept? Wohl eher nicht, aber cannabishaltige Medikamente sollen in Deutschland künftig unter bestimmten Bedingungen zugelassen werden. Die Koalitionsfraktionen von Union und FDP haben sich darauf verständigt, Cannabis-Medikamente zu legalisieren. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) sagte, damit könnten zum Beispiel bei Multiple-Sklerose-Kranken Krämpfe und damit schwerste Leiden gelindert werden.

Eine Gesetzesänderung sei dafür nicht notwendig, sagte Rösler, sondern nur eine Änderungsverordnung seines Ministeriums. Er gehe davon aus, dass diese "vergleichsweise schnell" komme, weil es entsprechende Zulassungen bereits in anderen europäischen Ländern gebe. Für entsprechende Medikamente werde aber auf jeden Fall ein spezielles Betäubungsmittelrezept notwendig sein, das ein Arzt ausstellen müsse.

Patientenverbände begrüßten die Liberalisierung

Kiffer (Foto: AP)
Bei der jährlichen Hanfparade in Berlin fordern die Teilnehmer, Cannabis zu legalisierenBild: AP

Schwerstkranke, Patientenverbände und Hanf-Lobbyisten fordern schon lange die Freigabe von Hanf zu medizinischen Zwecken. Das eigentliche Rauschmittel der Cannabis-Pflanze, die meist als Haschisch oder Marihuana konsumiert wird, ist der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC). Diesem werden positive Wirkungen bei der Linderung von Schmerzen zugeschrieben. So soll er die Symptome von Multipler Sklerose und Krebs abmildern.

Die Deutsche Hospiz Stiftung begrüßte die Ankündigung der Bundesregierung. "Weil es unverhältnismäßig schwierig ist, Cannabis als Medikament zu erhalten, werden derzeit viele Schmerzpatienten in die Illegalität gedrängt", sagte der Geschäftsführende Vorstand der Hospiz-Stiftung, Eugen Brysch. Auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), lobte die Änderung als wichtigen Schritt für schwerstkranke Menschen. Cannabishaltige Fertigarzneimittel könnten auch bei Sterbenskranken eingesetzt werden.

Nicht weitreichend genug?

Die Arbeitsgemeinschaft "Cannabis als Medizin" (ACM) kritisierte allerdings, dass sich für die Patienten erst einmal gar nichts ändere. Die Koalitionsfraktionen hätten lediglich beschlossen, entsprechende Medikamente zuzulassen, sagte der ACM-Vorsitzende Franjo Grotenhermen. Bisher gebe es aber nur einen derartigen Antrag, nämlich für ein Präparat gegen Multiple Sklerose. "Patienten mit anderen Erkrankungen haben auch dann keinen Zugang zu entsprechenden Medikamenten", kritisierte Grotenhermen.

Bislang sind Cannabis-Medikamente in Deutschland nur schwer zu bekommen. Daher gibt es derzeit nach Auskunft der Arbeitsgemeinschaft "Cannabis als Medizin" bundesweit nur 40 Patienten, die entsprechende Präparate beziehen dürfen. Mehr als 75 Prozent der Deutschen befürworten allerdings laut einer aktuellen Umfrage die Freigabe von Cannabis für die Medizin.

Autor: Dirk Eckert (dpa, kna)

Redaktion: Susanne Eickenfonder