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CDU: Wie groß ist der Unmut in der Partei?

Kay-Alexander Scholz
21. April 2021

Die Union hat ihren Kanzlerkandidaten gefunden - teilweise gegen den Widerstand der CDU-Basis. Die trägt es mit Fassung, vor allem ostdeutsche Bundesländer erwarten jetzt aber mehr Unterstützung von Armin Laschet.

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Klausurtagung Unionsfraktion | Laschet und Söder
Armin Laschet (links) hat sich gegen Markus Söder durchgesetztBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Eigentlich hatte Angela Merkel einen Plan. Sie wollte, dass ihre Nachfolgerin die jetzige Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer wird. Doch die zog zurück. Am Ende machten die Ministerpräsidenten zweier großer Bundesländer, Armin Laschet (Nordrhein-Westfalen) und Markus Söder (Bayern), die Frage der Kanzlerkandidatur unter sich aus. Laschet von Merkels Christlich Demokratischer Union (CDU) und Markus Söder von der bayerischen Schwesterpartei CSU. Laschet, der auch Parteivorsitzender der CDU ist, setzte sich schließlich durch

Die CDU und die bayerische CSU machen es sich selten leicht, wenn es darum geht, einmütig die Stelle im Kanzleramt besetzen zu wollen. Denn sie nennen sich zwar Schwesterparteien - sind aber eigenständig. Sich in dieser wichtigen Personalie zu einigen, war schon öfter in der Vergangenheit nicht ganz einfach. Auch, weil es kein offizielles Verfahren, keine Möglichkeit für einen gemeinsamen Parteitag oder den Willen zu einem Mitgliedervotum gibt. Dieses Mal nun war es besonders schwierig.

Kanzlerkandidat Armin Laschet

Marschrichtung: Vorwärts!

Aus dem Wettbewerb zwischen Laschet und Söder war ein Machtkampf geworden, der offen legte, dass Söder auf vielen Parteiebenen der CDU, beim Wahlvolk und vor allem der Parteibasis viele Sympathisanten hat. Söder gab dennoch nach.

Mit besonderer Spannung blickten deshalb viele nach der Entscheidung der sogenannten K-Frage - K wie Kanzleramt - auf die erste Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Dienstag. Das ist das einzige gemeinsame Gremium beider Parteien. Auch hier hatten sich viele CDU-Abgeordnete als Söder-Anhänger zu erkennen gegeben. Doch: Der öffentliche Aufstand blieb aus.

Die Lust am Siegen sei größer als das Augenmerk auf die Gräben zu werfen, sagte der Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus. CDU und CSU seien pragmatische Parteien, die den Erfolg wollten.

Dennoch gibt es auch kritische Stimmen. Die Bremer Bundestagsabgeordnete Elisabeth Motschmann schrieb auf Twitter: "Projekt Kanzlerkandidat gegen die eigene Parteibasis. Das hat es noch nie gegeben!"

Motschmann hatte sich mit Dutzenden anderen Abgeordneten dafür ausgesprochen, die Unionsfraktion im Bundestag in die Entscheidung über die K-Frage mit einzubeziehen. Doch dazu kam es nicht, weil die CDU-Parteiführung entschied - und Söder das akzeptierte.

Kann Laschet Ost-Deutschland?

Die Basis brodelte vor der Entscheidung vor allem in Ost-Deutschland: in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern. Dort hatte Söder sehr viele Fürsprecher, auch bis in die obersten Etagen der Partei.

Hier, im Osten des Landes, wird Basisdemokratie groß geschrieben: Christian Hartmann hatte 2017 als CDU-Kreisvorsitzender in der sächsischen Hauptstadt Dresden über den Koalitionsvertrag in Berlin abstimmen lassen - was ziemlich ungewöhnlich war. Er wollte damals die Parteibasis stärker einbinden.

Inzwischen ist Hartmann CDU-Fraktionsvorsitzender im sächsischen Landtag. "Ich persönlich habe mich für Markus Söder ausgesprochen", sagt er der DW. "Gut ist, dass wir nun Klarheit haben." Jetzt könne der Wahlkampf starten, bei dem es neben Personen auch um Themen gehen solle.

Christian Hartmann, CDU in Sachsen
Fraktionsvorsitzender der CDU-Landtagsfraktion in Sachsen, Christian HartmannBild: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Die Themen sind in den 1990 beigetretenen östlichen Bundesländern noch immer teils andere als im Westen des Landes. Durch die hohe Arbeitslosigkeit nach der Wiedervereinigung spielen beispielsweise Lohnunterschiede eine größere Rolle. Auch die Zuwanderung und Flüchtlingsfragen werden hier kritischer gesehen. Ein wichtiges Thema ist auch der Kohleausstieg, den Laschet bis zum Jahr 2038 anvisiert, da es in der Gegend große Braunkohlereviere gibt. Wird Laschet, der Mann aus dem ganz weit westlich gelegenen NRW, das abdecken können?

Hartmann sucht bei dieser Frage zunächst die Gemeinsamkeiten: "Laschet ist als Ministerpräsident des Kohle-Landes Nordrhein-Westfalen schon längst an unserer Seite beim Thema Strukturreform." Und er kenne viele der Herausforderungen des Ausstiegs aus der Kohle, vor denen nun auch das ostdeutsche Braunkohlerevier stehe. "Hier weiß ich ihn an unserer Seite", so Hartmann. "Bei allen anderen Fragen und Problemlagen - auch den spezifisch ostdeutschen - wird sich das noch zeigen. Ich traue ihm aber zu, dass er sich auch für diese einsetzen wird."

Personalwunsch mit Ausrufezeichen

Im Bundesland Sachsen-Anhalt hatte man sich noch einen ganz anderen Ausgang der Wahl gewünscht. Dass nämlich Friedrich Merz (Ex-Fraktionschef im Bundestag) an die Parteispitze kommt, berichtet der Vize-Fraktionsvorsitzende der CDU im Magdeburger Landtag, Ulrich Thomas, der DW.

Merz, ein Konkurrent aus Merkels Anfangszeiten, hatte sich auch um den Parteivorsitz beworben.

Ulrich Thomas, CDU Sachsen-Anhalt
Vize-Fraktionsvorsitzender der CDU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, Ulrich Thomas Bild: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa/picture alliance

"Wir erwarten, dass Herr Laschet Herrn Merz an exponierter Stelle im Wahlkampf und darüberhinaus einbindet", so Thomas. Wenn das gelinge, könne Laschet sich der Unterstützung aus Sachsen-Anhalt und wohl der Ost-Verbände generell sicher sein. Von Merz erwarte man sich hier, dass er der Union am klarsten auch ein konservatives Profil wiedergebe.

Die AfD im Nacken

Ulrich hatte vor einigen Jahren mit einem Papier bundesweit provoziert, in dem er eine Zusammenarbeit mit der teilweise als rechtsextrem eingestuften Alternative für Deutschland (AfD) diskutierte. Aktuell möchte er sich dazu nicht äußern, obwohl sich an der Situation wenig geändert hat. Anders als in West-Deutschland, ist die AfD in einigen ostdeutschen Bundesländern der CDU dicht auf den Fersen.

Infografik Sonntagsfrage CDU AfD DE

Damals habe es im Ergebnis nach vielen Diskussionen eine notwendige Standortbestimmung in der CDU in Sachsen-Anhalt gegeben. Schließlich habe es generell in den vergangenen Jahren in der CDU viel zu wenige Diskussionen über die Strömungen in der Partei und über tagesaktuelle und grundsätzliche Ausrichtungen gegeben, findet Thomas. Als Kreisvorsitzender, der Thomas auch ist, habe er mitbekommen, wie sehr das die Stimmung an der Basis verschlechtert habe. Nach dem Motto: "Auf uns hört doch sowieso keiner, die machen doch eh, was sie wollen." Viel schlimmer als verlorene Abstimmungen sei die Ansicht: "Uns hat keiner gefragt!", so Thomas. "Ich erwarte, dass Laschet es schafft, die Basis wieder stärker einzubeziehen."

Ein gemeinsamer Entscheidungsrat

Den Streit zwischen Laschet und Söder wertet Thomas nicht als Chaos, wie oft beschrieben. Vielmehr sei das im Kern ein normaler demokratischer Wettbewerb mit zwei Kandidaten gewesen, die für sich geworben haben und über die diskutiert wurde. Natürlich hätte auch die Basis abstimmen können. "Aber ich finde es gut, dass wir uns das zugemutet haben, das strahlt schließlich auch in die unteren Parteiebenen aus."

Übrigens, so Thomas, habe sich die CDU in Sachsen-Anhalt für einen mutigen Schritt entschieden: Damit aus der Partei wieder stärker eine Mitmach-Partei werde, werde es nach der Landtagswahl eine Urastimmung über einen Koalitionsvertrag geben. So wie es CDU-Kollege Hartmann in Sachsen vorgemacht hatte. Im Juni sind in Sachsen-Anhalt Landtagswahlen, die ersten nach der Entscheidung der K-Frage. Hier wird Laschet ein erstes Zwischenzeugnis bekommen.

Bleibt wieder die Bundesebene: Welches Verfahren könnte es zukünftig geben, das die Frage der Kanzlerkandidatur zwischen CDU und CSU geordnet klärt und auch die Parteibasis mitnimmt? Ein Vorschlag kommt von CDU-Vize Julia Klöckner. Sie schlägt einen gemeinsamen "Entscheidungsrat" von CDU und CSU vor. Damit hätten "Mitglieder und alle Beteiligten Klarheit", so Klöckner.