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Chaos beim HSV

Jan-Hendrik Raffler
8. März 2018

Vorstandschef Heribert Bruchhagen und Sportdirektor Jens Todt müssen den akut abstiegsbedrohten Fußball-Bundesligisten Hamburger SV mit sofortiger Wirkung verlassen. Ein neuer Vorsitzender steht bereits fest.

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Hamburger SV - Heribert Bruchhagen und Jens Todt
Mit sofortiger Wirkung freigestellt: Ex-HSV-Vorstandsboss Bruchhagen (r) und Ex-Sportchef Todt Bild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

Das Chaos rund um den "Fußball-Dino" Hamburger Sportverein geht in die nächste Runde: Der Aufsichtsrat des Fußball-Bundesligisten hat den Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen und Sportdirektor Jens Todt mit sofortiger Wirkung freigestellt. Dies teilte der Klub heute mit. Der bisherige Finanzvorstand Frank Wettstein übernimmt die operative Führung der HSV Fußball AG, der erst am 18. Februar gewählte Präsident des Gesamtvereins, Bernd Hoffmann, ist neuer Aufsichtsratschef der AG.

Hamburger SV  Sportdirektor Jens Todt
Todt hatte erst im Januar 2017 das Amt übernommen.Bild: picture-alliance/dpa/C. Charisius

"Wir haben uns nach eingehender Analyse der Gesamtsituation zu diesem Schritt entschieden und widmen uns nun der Neuausrichtung",  sagte Hoffmann, der Bruchhagen die Entscheidung am Donnerstagmorgen nach einer Aufsichtsratssitzung in einem persönlichen Gespräch mitteilte. Bruchhagen habe sich "stets schützend vor unseren Club gestellt. Ihm war und ist sehr daran gelegen, dass der HSV die aktuelle sportliche Talsohle überwindet."

"Wir sind voll handlungsfähig"

Bruchhagen hatte das Amt als Nachfolger von Dietmar Beiersdorfer erst Ende 2016 übernommen. Wettstein habe sich als ersten Beschluss für die Beurlaubung von Todt entschieden. Todt war seit Januar 2017 im Amt. "Wir wollen uns für die Zukunft neu aufstellen", sagte Wettstein. Todts Aufgaben, zu denen auch die Vertragsverhandlungen mit Spielern für den möglichen Abstiegsfall gehören, werden demnach intern aufgeteilt, so dass keine Lücke entstehen werde. "Wir sind voll handlungsfähig", versicherte Wettstein.

Damit reagiert der Verein auf die rasante Talfahrt und den drohenden Abstieg aus dem Fußball-Oberhaus. Neun Spieltage vor dem Saisonende ist der HSV Tabellenvorletzter und hat bereits sieben Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz. Damit droht dem Club erstmals seit Gründung der Bundesliga im Jahr 1963 der Gang in die Zweitklassigkeit.

Bei einem Abstieg in die 2. Bundesliga will der Verein schon in den nächsten Wochen die Weichen stellen und dabei Personal für die Führung sowie Spieler für einen Neubeginn rekrutieren. Hoffmann beginnt nun mit dem Aufsichtsrat die Suche nach geeigneten Kandidaten für die Komplettierung des Vorstandes. "Wir erstellen ein konkretes Anforderungsprofil und werden einen geordneten Prozess angehen, mit dem wir den besten Kandidaten für den HSV finden wollen", sagte der 55-Jährige.

Einige Fußball-Fachleute sehen beim HSV seit vielen Jahren ein Strukturproblem. "Dieser rote Faden beim HSV, wie der ganze Verein organisiert ist, erscheint mir das Hauptproblem zu sein", sagte etwa Europameister Matthias Sammer im Eurosport-Interview: "Alle Situationen, Positionen, Menschen und Gremien müssen im Sinne des HSV so organisiert sein, dass man handlungsfähig ist und mit der nötigen Qualität agieren kann - aber das ist seit über einem Jahrzehnt das Riesenproblem!" Neben der Kompetenz sei fehlendes Vertrauen zwischen den Klubgremien ein weiterer Faktor des Misserfolgs. "Du kannst in Hamburg alle Vorschläge schon nachlesen, bevor sie überhaupt entschieden sind. Damit geht so viel kaputt. Die Folge sind Vertrauensverlust und Handlungsunfähigkeit."

Der langjährige Hamburger Profi und frühere Nationaltorhüter Frank Rost beklagte zudem die große Abhängigkeit von Investor Klaus-Michael Kühne. "Jeder will immer nur hingehen und sich Geld leihen, das bringt dich aber immer nur tiefer in die Abhängigkeit", sagte der 44-Jährige in der Sendung "100 Prozent Bundesliga - Fußball bei Nitro". Damit sei der Klub auch teilweise den Launen ausgesetzt: "In den letzten Jahren ist der HSV mehr und mehr zum Selbstbedienungsladen von Beratern und Spielern geworden."

jhr/jw (sid, dpa)