1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Verpflichtung zum Datenschutz"

Friedel Taube27. Dezember 2014

Der Chaos Computer Club ist in Aufbruchsstimmung. Auf ihrer Jahrestagung in Hamburg fordern die Mitglieder Konsequenzen aus den Snowden-Enthüllungen. CCC-Sprecher Falk Garbsch nennt im DW-Interview die Details.

https://p.dw.com/p/1EAfV
Hacker unter sich - Foto: Patrick Lux (Getty Images)
Bild: Patrick Lux/Getty Images

Deutsche Welle: Das Motto der diesjährigen Tagung des Chaos Computer Clubs lautet: "A new dawn", ein neuer Aufbruch. Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass es Zeit ist für einen Neuanfang?

Falk Garbsch: Was wir in den vergangenen zwei Jahren gesehen haben ist, dass das Ausmaß der Überwachung und der weltweit agierenden Institutionen viel größer ist, als wir jemals gedacht hätten. Wir wussten zwar, dass vieles von dem technologisch möglich ist, aber dass es auch so umfangreich passiert, wussten wir nicht. Die vergangenen zwei Jahre haben wir gebraucht, um zu begreifen, was da passiert.

Auf dem Kongress vor einem Jahr haben wir eine Ratlosigkeit gespürt, aus der wir versuchen mit dem neuen Motto herauszukommen. Wir wollen den Punkt finden, um zu sagen: Jetzt müssen wir anpacken, jetzt bestehen die Chancen etwas gegen die Dinge zu tun, die mit den Snowden-Enthüllungen öffentlich gemacht wurden.

Was müssen Sie denn tun?

Das sind verschiedene Ebenen. Zum einen gehört für uns natürlich ein gesellschaftlich-politischer Diskurs dazu. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, wo die Reise hingehen soll: Was ist für uns in Ordnung und wo sind die Grenzen der Überwachung? Der Diskurs kann nicht nur in den Kongressräumen stattfinden, sondern muss gesamtgesellschaftlich geführt werden. Wir müssen uns Ziele stecken und uns klar machen, was diese Form der Überwachung bedeutet.

Wie wollen Sie durch Ihre Tätigkeiten die User sensibilisieren? Man hat ja das Gefühl, dass Usern die Überwachung durch die Informationstechnologie ein Stück weit egal ist.

Das ist so pauschal nicht zu sagen. Manche Benutzer sagen: "Ich werde überwacht, aber ich habe nichts zu verbergen." Es gibt aber auch User, die sagen: "Wir kennen das irgendwoher, das gab es schon mal in der Geschichte." Und tatsächlich ist das alles nicht neu. Geheimdienste überwachen seit Jahren. Auch in der DDR gab es mit der Staatssicherheit Überwachungsstrukturen. Es gibt Menschen, für die das nicht akzeptabel ist.

Was mir fehlt, ist ein gemeingesellschaftliches Ziel, der Punkt zu sagen: Hier ist jetzt die Grenze, wir wollen keine Gesamtüberwachung. Dass man zum Beispiel 24 Stunden am Tag über sein Handy geortet wird, dass in private Daten eingegriffen wird, auf private Rechner eingegriffen wird, das ist für uns nicht mehr akzeptabel.

Gemessen an dem Schock, den die Enthüllungen von Edward Snowden ausgelöst haben, ist auf deutscher, aber auch US-amerikanischer Seite relativ wenig geschehen, um mehr Privatsphäre im Netz herzustellen. Was muss die Politik jetzt tun?

Es muss Konsequenzen geben. Man muss die geheimdienstliche Arbeit überdenken und auch deren Existenzberechtigung. Deren Vorgehen und Ziele muss man gegebenenfalls neu definieren. Viele Geheimdienste sind älter als 50 Jahre. Damals war an diese Entwicklung nicht zu denken.

Natürlich geht es auch um Datenschutz. Wie sieht das auf rechtlicher Ebene aus? Der Aufschwung des Internets bedeutet eine Globalisierung von Datenflüssen. Da ist es wichtig, auf internationaler Ebene Übereinkünfte zu erzielen, wie damit umgegangen wird.

Wie wollen Sie das konkret machen? Wie wollen Sie von Ihrem Treffen aus ins Kanzleramt oder in Geheimdienste hineinwirken?

Wir stehen mittlerweile sehr eng mit verschiedenen Politikern in Kontakt und machen dort unsere Arbeit. Dazu gehört, dass wir Probleme, die wir sehen, veröffentlichen - auch in Zusammenhang mit den Chaos Communication Kongress. Dieses Jahr geben wir zwei Vorträge hintereinander über Handyüberwachung. Dabei wird deutlich, wie es auf internationaler Ebene nicht nur Geheimdiensten, sondern auch Menschen mit ein wenig Kleingeld möglich ist, beliebig Handys zu überwachen und zu orten. Mit diesen Veröffentlichungen können wir Druck ausüben und hoffentlich den Politikern - oder zumindest der Gesellschaft - klarmachen, dass etwas passieren muss. An vielen Stellen braucht man technische Lösungen oder Gesetzesgrundlagen, die eine Verpflichtung zum Datenschutz oder zur Datensparsamkeit beinhalten.

In diesem Jahr geht es bei der CCC-Tagung vor allem um Sicherheitslücken beim Thema Mobilfunk. Was sind denn in dem Zusammenhang die neuen Gefahren, die 2015 auf uns lauern?

Die Themen, über die wir diskutieren, sind nicht neu. Sie existieren schon lang, sind aber bislang ziemlich unbekannt. Es ist an der Zeit, sie aufzudecken und zu beseitigen. Wir sehen, dass immer mehr Menschen Smartphones nutzen. Dass mobile Applikationen in den Fokus gelangen, über die Privatunternehmen Daten sammeln und auch an Geheimdienste weiterreichen. Das ist die Herausforderung, die auf uns zukommt: Wir müssen uns Gedanken machen, wie diese Daten verarbeitet werden und wo sie landen dürfen. Und das ist nicht nur die Herausforderung für 2015, sondern für die nächsten zehn Jahre.

Falk Garbsch ist Mitglied im Chaos Computer Club (CCC) und dessen Sprecher. Der 1981 als Hackervereinigung gegründete Verein mit Sitz in Hamburg setzt sich seit Jahren für Datensicherheit ein und macht auf Sicherheitslücken aufmerksam. Das Jahrestreffen des CCC gehört mit mehr als 9000 Teilnehmern zu den wichtigsten Veranstaltungen der Hackerszene weltweit.

Das Gespräch führte Friedel Taube.