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Chaotische Stimmenauszählung im Kongo

Alexander Göbel, zurzeit im Kongo4. August 2006

Nach den ersten freien Wahlen seit mehr als 40 Jahren werden im Kongo die Stimmen ausgezählt. Kein einfaches Unterfangen, wie DW-Reporter Alexander Göbel bei einem Besuch in der Auszählungszentrale erfuhr.

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Ermüdend: Auszählung der Stimmzettel im KongoBild: AP
Wahlen Kongo Wahllokal Stimmzettel werden verladen
Verladung von StimmzettelnBild: AP

Eine Lagerhalle der kongolesischen Staatsdruckerei in Kinshasas Stadtteil Lingwala: Hier werden die Stimmzettel der Kinois angeliefert, der rund sechs Millionen wahlberechtigten Bürger von Kinshasa. Zwei Tage lang das immer gleiche Bild: Im Fünfminutentakt kommen Lastwagen und kleine schrottreife Busse an, um die weißen und orangefarbenen Wahlurnen abzuladen. In diesem Moment ist die Polizei gefragt, denn schon wieder haben ein paar Stimmenbehälter aus papp-ähnlichem Plastik den Wahltag nicht überlebt. Übrig geblieben ist ein Papierberg, der per Hand aus dem Pick-Up geschaufelt werden muss - immerhin unter Aufsicht.

Aufwändige Listen

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Freiwillige Wahlhelfer beim Zählen der StimmenBild: AP

An den orangefarbenen Tischen sitzen Wahlhelfer mit müden Gesichtern und prüfen, ob die Zahl der abgegebenen Stimmen zur Zahl der registrierten Wähler passt. Da dies nur selten der Fall ist, müssen sie besondere Listen führen - ein mühsames Geschäft. Papa Bizele ist deshalb frustriert. Er war drei Tage als Wahlleiter bereits in seinem Wahlbüro in Kitambo im Einsatz.

Hinter Papa Bizele und den anderen Männern mit den orangen Plastikleibchen türmen sich Pakete in schwarzer Folie, Stimmzettel aus den verschiedenen Wahlbüros, die durch selbstgebaute und beschriftete Pappwände voneinander getrennt sind. Stimmzettel, so weit das Auge reicht, zumindest hunderte Meter entlang der Seitenwand der Lagerhalle.

Fragwürdige Ordnung

Als Präsident der Auszählungszentrale versucht Moise Manzaburu, den Überblick zu behalten: "Wir treffen gerade erste Vorbereitungen für die Sortierung der Stimmzettel. Zwei Tage und zwei Nächte haben wir hier die Pakete mit den eingeschweißten Wahlzetteln aus den Wahlbüros von Kinshasa zwischengelagert und nach jeweiligem Wahlzentrum und Gemeinde registriert. Damit sind wir jetzt fast fertig."

Klingt alles nach Ordnung und System. Aber was ist mit den tausenden von Wahlzetteln, die in der Halle und vor allem draußen im Hof herumliegen? Man könnte sie ohne weiteres kiloweise einstecken und unbeachtet wieder verschwinden lassen. Moise Manzaburu winkt ab: Das da draußen seien ungültige Stimmen, Papierabfall, sozusagen der Wahlschrott des 30. Juli, sagt er. Alles Wichtige befinde sich hier in der Halle.

Kein Wahlmüll

Stimmauszählung im Kongo
Bild: AP

Für den kongolesischen Wahlbeobachter Mika Peri gehören alle Dokumente zu einer Wahl dazu, eine Wahl produziere schließlich keinen Müll. Es fehle die Überwachung für die Unterlagen, und das habe man auch sehr wohl registriert, sagt Peri. Er glaube, dass man sich jetzt darum kümmern werde. Gestern noch sei die Sortierhalle nicht wirklich bereit für diese Mengen von Papier gewesen. "Heute ist schon so etwas wie eine Struktur zu erkennen. Und dann wird das auch mit der Sicherheit besser werden." Schließlich, so Mika, kenne sich kein Kongolese wirklich damit aus, wie man eine professionelle Wahl organisiert. Wie auch? Schon jetzt zieht er eine erste Bilanz: "Dafür, dass es das erste Mal war, haben wir das ganz gut gemacht. Ich finde nicht, dass man uns einen schlechten Start nachsagen kann. Aber klar, gewisse Lehren kann man aus dem Ganzen schon ziehen, um es in fünf Jahren bei der nächsten Wahl besser zu machen. Aber chaotisch ist das hier nicht."

Mehr Routine bei den nächsten Wahlen?

Jeder Kongolese in dieser Halle weiß: Was hier herumliegt, ist der Wille des Volkes. Und das, so sind hier alle überzeugt, war den großen logistischen Aufwand wert. Aber von jetzt an, sagt eine Wahlhelferin, müssten sich die Menschen an diesen mühsamen Prozess gewöhnen, denn bis zu den nächsten Wahlen werde es ja wohl nicht wieder 45 Jahre dauern.