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80. Geburtstag

Steffen Leidel 12. Juni 2008

Vor 80 Jahren wurde Che Guevara geboren. Sein Leben und Sterben machten ihn zum Idol der 68er, dann zum Mythos und zur massentauglichen Werbe-Ikone. Was er einst politisch predigte, ist vielen unbekannt.

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Auf Kuba prangt das Konterfei des Revolutionärs an jeder EckeBild: AP
Foto von Alberto Korda (Quelle: AP)
Es ist eines der berühmtesten Fotos der GeschichteBild: AP

Das von Alberto Korda aufgenommen Foto von Che Guevara ist wohl eines der meist reproduzierten Fotos der Geschichte. Der schwarze Lockenkopf des attraktiven Revolutionärs mit dem Barett ziert Tassen, T-Shirts, Poster auf der ganzen Welt - und auch die Website von Cuba Sí der Partei Die Linke. Auf der Startseite taucht das Konterfei des Revolutionärs gleich vier Mal auf. Für Samstag (14.06.2008) ist in Berlin eine "krachende Aftershowparty" zum 80. Geburtstag des Idols der kubanischen Revolution angekündigt. Der kubanische Botschafter in Berlin wird auch mitfeiern.

Für Cuba Sí ist die "politische und materielle Solidarität mit dem sozialistischen Kuba ein Grundanliegen", heißt es auf der Seite. Und dazu gehört offenbar auch die Verehrung des Revolutionärs. Für Rainer Thiele, der bei Cuba Sí mitarbeitet, ist Che Guevara noch heute ein Vorbild. "Dieser Mann war integer. Ein Mann der Tat. Er ist anders als die Politiker heute, die nur daherreden und uns was vorgaukeln," sagt Thiele.

Kampf gegen Unterdrückung

Für linke Politiker ist Che Guevara (1928-1967) eine Kultfigur, an die man sich regelmäßig erinnern sollte, sagt Sahra Wagenknecht, Europaabgeordnete und Vorstandsmitglied der Linken. Sie hält Che Guevara für einen "großen Revolutionär", einer der sich nicht mit "unerträglichen Ausbeutungsverhältnissen" abgefunden habe. Linke Politiker könnten von ihm lernen: "Nämlich gradlinig zu sein, und zu ihren Überzeugungen zu stehen. Das ist ja leider auch bei Linken nicht selbstverständlich."

Che Guevara ist in diesem Jahr wieder in aller Munde, nicht zuletzt wegen des viereinhalb Stunden langen Filmepos von Steven Soderbergh. Hauptdarsteller Benicio del Toro bekam für seine Rolle des "Che" die Goldene Palme, doch der Film fiel bei der Kritik durch. Guevara sei als "flache Ikone ohne Schatten und Kontur dargestellt worden. Brüche in seinem Charakter, die Grausamkeit des bewaffneten Kämpfers oder mögliche Selbstzweifel seien ausgespart geblieben.

Ideen sind aus der Mode gekommen

Der Film zeigt wieder einmal: Es sind das bewegte Leben des Revolutionärs und letztendlich auch der frühe Tod im bolivianischen Dschungel, die viele in seinen Bann ziehen. "Es gibt eine Menge guter Biographien über Che Guevara", sagt Stephan Lahrem, der selbst eine Biographie über Che Guevara geschrieben hat. "Das Eigenartige ist: Es gibt kaum ein Buch über seine politischen und ökonomischen Ansichten", sagt Lahrem. "Sein Leben ist seine politische Botschaft, durch seine politischen Schriften hat er sich nicht hervorgetan."

Und so muss auch die gestandene Kommunistin Wagenknecht einräumen, dass es schon etwas her ist, dass sie Schriften von Che Guevara gelesen hat. "Da muss ich wohl 17 oder 18 gewesen sein."

Lahrem, der als Lektor beim Ch.-Links-Verlag in Berlin arbeitet, sieht die "theoretische Leistung eher begrenzt". Seine Ideen eines sozialistischen Systems - wie es auf Kuba eingeführt wurden - inklusive Planwirtschaft seien nicht mehr aktuell. Und auch die Vision eines neuen Menschen, der sich vornehmlich von moralischen und nicht materiellen Reizen leiten lässt, sei etwas aus der Mode gekommen. Selbst Wagenknecht kann sich mit dieser Idee nicht anfreunden.

Idol mit Schattenseiten

Aktuell bleibt jedoch Che Guevaras konsequentes Eintreten für die Unterdrückten. "Das findet sich in der globalisierungskritischen Bewegung wieder", sagt Lahrem. Seinen Kampf focht der gebürtige Argentinier jedoch kompromisslos aus und war bereit dafür zu töten. "Es gibt eine dunkle Seite von Che Guevara. Der Revolution hatte sich alles unterzuordnen". "Hasta la victoria siempre!" – immer bis zum Sieg kämpfen, lautete das Motto des Revolutionärs

Telegener Revolutionäre. Che Guevara in den CBS-Studios in New York, 1964 (Quelle: AP)
Telegener Revolutionäre. Che Guevara in den CBS-Studios in New York, 1964Bild: AP

Überliefert ist sein Ausspruch, Revolutionäre müssten von "unbeugsamen Hass" getrieben sein, um sich in eine "effektive, gewaltsame, selektive und kalte Tötungsmaschine" zu wandeln. Che Guevara zeigte sich bereit, das kubanische Volk im Kampf für die Revolution zu opfern oder Atomwaffen im Kampf zu nutzen.

"In der Sierra Maestra war er wohl der Erste, der einen Verräter hinrichtete", sagt Lahrem. Und er sei politisch mitverantwortlich für Exekutionen von Anhängern des Batista-Regimes im Schnellverfahren. Viele, die Che Guevara als den jugendlichen Rebell feiern oder ihn als Kämpfer der Entrechteten verehren, blenden diese Seiten seiner Person aus.

Wagenknecht argumentiert, die Figur Che Guevaras und ihr bewaffneter Kampf könnten nur im historischen Kontext gesehen werden. "Wenn Unterdrückung bewaffnet ist, dann bleibt den Gegenkräften oft nicht viel anderes übrig. Wir haben nicht das Recht, heute in Europa zu sagen, er hätte alles anders machen müssen."