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Chile feiert seinen 200. Jahrestag

18. September 2010

200 Jahre nach der Unabhängigkeit: Die Beziehung zwischen Staat und den Mapuche-Indianern bleibt Chiles größte Herausforderung.

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A native Mapuche from southern Chile in a typical headdress participates in a demonstration in front of the government palace La Moneda in Santiago, Chile, Friday, Oct. 14, 2005. The Mapuche from southern Chile are demonstrating against discrimination and for land rights. (Foto: AP)
500 Jahre Widerstand - 650.000 Mapuche leben in ChileBild: AP

Am 18.September 1810 begann Chile die ersten Schritte zu einem unabhängigen Staat – mit der Gründung eines Regierungsrates. Der sollte eigentlich nur das Vakuum füllen, das entstanden war, seit Napoleon den spanischen König Ferdinand VII in Madrid vom Thron stieß – und dadurch auch die Kolonien in Amerika keine legitime Führung mehr besaßen. Gemeinsam mit dem argentinischen Freiheitskämpfer José de San Martín schlug man die Spanier endgültig in der berühmten Schlacht von Maipú.

Chile im 19. Jahrhundert

Während auf dem ganzen südamerikanischen Kontinent Befreiungskriege tobten, konnte sich die Seemacht Chile bald eine einflussreiche Stellung sichern. Durch die Siege im Konföderationskrieg und im Salpeterkrieg im 19. Jahrhunderts annektierte Chile wichtige Teile des damaligen Perus und Boliviens. Das belastet noch heute die Beziehung zu den Nachbarstaaten. Doch die Ausbeutung der an Rohstoffen reichen Gebiete und ihr Export verschafften Chile einen frühen wirtschaftlichen Aufschwung und politische Stabilität.

Schlacht von Maipo , Gemälde
Bernardo O'Higgins und José de San Martín (weißes Pferd) - die beiden südamerikanischen Befreier schlagen die Spanier in der Schlacht von Maipú.

Im 20. Jahrhundert erlebte Chile einen demographischen Wandel: die europäische Einwanderung wurde unterstützt, die indigene Bevölkerung zurückgedrängt und ausgegrenzt. Diese Spaltung prägt die chilenische Gesellschaft bis heute – daran änderte auch nichts, dass in den 1970er Jahren das allgemeine Wahlrecht auch für Landarbeiter und Indigene eingeführt wurde.

"Die Mapuche sind seit der Epoche der Unabhängigkeit diskriminiert worden, vor allem während der Militärdiktatur, als sie ihres Landes enteignet wurden", sagte Detlef Nolte vom GIGA-Institut für Lateinamerikastudien in Hamburg. Aus dieser Machtlosigkeit entwickelte sich Wut und die Gewalt, auf die auch im demokratischen Chile noch keine Antwort gefunden wurde.

Gesetze aus der Diktatur

In den vergangenen Jahren ist es häufiger zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Mapuche und Sicherheitskräften gekommen. Den Mapuche wurde dabei immer wieder "terroristisches Handeln" vorgeworfen. Mehr als 100 Mapuche-Indianer sitzen Antiterrorgesetzgebung derzeit im Gefängnis.

Rund 650.000 Mapuche-Indianer gibt es in Chile. Damit stellen sie knapp sieben Prozent der chilenischen Bevölkerung und sind das größte Ureinwohnervolk des Landes. Kernpunkt des Konflikts zwischen der chilenischen Regierung und den Mapuches ist das Land der Mapuche, an dem vor allem Bergbaukonzerne und Zellulosekonzerne interessiert sind. Das Interesse gilt speziell den Bodenschätzen, dem Holz für die Papierproduktion und Wasser. Die Mapuche-Indianer setzen sich für ihr Land ein, was zu Konflikten mit den Konzernen und der Regierung führt.

Ein Staat mit offenen Rechnungen

Mapuche-Indianer in Chile(Foto: dpa)
Beerdigung eines Mapuche-Aktivisten.Bild: picture-alliance/ dpa

"Das Volk der Mapuche ist nicht in der Position, dem chilenischen Staat Konzessionen zu unterbreiten. Dem Staat wiederum fehlt die Fähigkeit, den Mapuche die Freiheit zu geben, die sie verlangen", erklärt Peter Imbusch, Professor für Soziologie an der Universität Wuppertal. Daher gebe es nur wenig Spielraum. Detlef Nolte warnt vor einer Zuspitzung des Konflikte in den kommenden Jahren: In manchen Regionen sei es schon jetzt zu einer Radikalisierung der Bewegung gekommen, die Bereitschaft, wenn notwendig auch mit Gewalt gegen den Staat vorzugehen, sei gewachsen.

Gleichzeitig wachse aber auch die internationale Sensibilität: "Die Mapuche haben in den letzten fünf Jahren, dank vieler ethnischen Gruppen weltweit, viel Bedeutung und Kraft erlangt. Das heißt, dass es eine internationale öffentliche Meinung gibt, die den chilenischen Staat bei seinem Vorgehen beobachtet", so Nolte. Chile könne nur dann eine wirkliche Demokratie erlangen, wenn es die Ungleichheit in der Gesellschaft reduziert, meint Claudia Zilla, Lateinamerika-Expertin von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Eine Lösung im Konflikt mit den Mapuche sei dabei die größte Herausforderung.

Autor: Evan Romero

Redaktiom: Claudia Herrera-Pahl /Anne Herrberg