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Politik

Mit Davos-Bonus vor Trumps Amtsantritt

Hans Spross
18. Januar 2017

Donald Trump will alles anders machen, auch bei den Beziehungen zu China. Was Taiwan betrifft, wird er auf Granit beißen. Inwieweit er die Handelsbeziehungen zu China ändern kann, bleibt abzuwarten.

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Shanghai Donald Trump und China
Bild: Getty Images/AFP/J. Eisele

Gehen die USA und China unter der Präsidentschaft Donald Trump auf Kollisionskurs? Die brachialen Äußerungen des Milliardärs, etwa dass China die USA durch seinen massiven Handelsüberschuss "vergewaltigt", seine Drohung mit Strafzöllen und sein Telefonat mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen, lassen eine solche Entwicklung denkbar erscheinen. Auch die rabiaten Reaktionen chinesischer Staatsmedien auf Trumps Infragestellung der bisherigen amerikanischen Politik gegenüber Taiwan, also eine mögliche Aufkündigung der "Ein-China-Politik", lässt eine Konfrontation drohend am Horizont aufscheinen.

Konfliktpotential enthalten auch die Äußerungen von Trumps Wunschaußenminister Rex Tillerson zu Chinas Aktivitäten im Südchinesischen Meer bei seiner Anhörung im US-Senat Anfang Januar. Die USA müssten "an China ein starkes Signal senden, dass erstens die künstlichen Aufschüttungen von Inseln aufhören muss, und dass zweitens der Zugang zu diesen Inseln nicht erlaubt wird." Dass Tillerson tatsächlich ein mit militärischer Drohung untermauertes Stoppschild gegen China im Südchinesischen Meer aufstellen will, wird von chinesischen und amerikanischen Experten bezweifelt. Aber zurückgenommen haben er oder Trump die Äußerungen bislang nicht.

Kombobild Trump und Tsai Ing-wen
Trump provozierte Peking durch sein Telefonat mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wenBild: Getty Images/T. Wright/A. Pon

Abrücken von der Ein-China-Politik als "rote Linie"

Peking steht auf dem Standpunkt, dass Trump bis zu seinem Amtsantritt am Freitag als Privatmann tweete und man nicht alles wörtlich nehmen müsse. Trotzdem werden sich Xi Jinping und seine Mannschaft auf alle Eventualitäten vorbereiten. Die "rote Linie" ist für Peking dabei die Änderung der Ein-China-Politik durch die USA. Letztere besteht im Kern darin, dass Washington den Alleinvertretungsanspruch Pekings für ganz China anerkennt, keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan unterhält und seine Rüstungslieferungen an Taiwan begrenzt.

Zum Punkt Rüstungslieferungen redet Shen Yi, Politikwissenschaftler an der Fudan-Universität Shanghai, gegenüber der DW Klartext. Sollten sich die Regierung Trump "in der Tradition von Ronald Reagan oder George Bush Senior" dazu entschließen, moderne Kampfflugzeuge wie den Tarnkappenbomber F-35B mit Senkrechtlandekapazität an Taiwan zu verkaufen, "muss man sehen, dass China über die finanziellen Ressourcen, den strategischen Willen und die taktischen Fähigkeiten für mögliche Gegenmaßnahmen verfügt." Das sei anders als in den 80er und 90er Jahren.

"Wenn sich die USA heute auf ein solches Abenteuer und auf Provokationen einlassen, sollten sie vorher eine Verlust-Gewinn-Rechnung machen", meint Shen Yi von der Fudan-Universität.

Shi Yinhong, Leiter des Forschungsinstitut für USA-Studien an der Pekinger Volksuniversität und Berater der chinesischen Regierung seit 2011, ergänzt: "Sobald Trump ins Weiße Haus einzieht, sind seine Äußerungen offizielle US-Politik. Sollte er weiterhin die Ein-China-Politik in Frage stellen, wird China zu Gegenmaßnahmen greifen. Sollte er mit der Ein-China-Politik brechen, was ich ihm nicht zutraue, würde China mit den USA brechen, die Grundlage für diplomatische Beziehungen würde nicht mehr existieren."

Großbritannien Flugschau Farnborough 2016 Fliegerstafel mit Lockheed Martin F-35B
Verkaufen die USA Tarnkappenbomber F-35B an Taiwan?Bild: Getty Images/AFP/A. Dennis

Wie viel Kooperation ist möglich?

Diesseits eines solchen Worst-Case-Szenarios stellt sich für die chinesische Führung die Frage, welche Art Zusammenarbeit mit der Regierung Trump wünschenswert und möglich ist. Peking hätte sicherlich nichts dagegen, von den USA weiterhin als wichtiger Partner in internationalen und bilateralen Angelegenheiten betrachtet zu werden. Beide Seiten haben in der Ära Obama einen "strategischen und wirtschaftlichen Dialog" institutionalisiert, der auch ohne spektakuläre Ergebnisse ein nicht zu unterschätzendes Forum zum gegenseitigen Verständnis darstellt. Dort wird beispielweise über ein bilaterales Investitionsschutzabkommen verhandelt.

Und nicht zuletzt in der Klimapolitik hatten Xi Jinping und Barack Obama die Welt durch ihren Schulterschluss in Erstaunen, wenn nicht gar Euphorie versetzt. Jetzt, bei seinem viel beachteten Auftritt auf dem Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos, unterstrich Xi die Bedeutung des Klimaabkommens von Paris und forderte Trump indirekt zu weiteren gemeinsamen Anstrengungen auf. Trump hatte in einem Tweet von 2012  den Klimawandel als chinesische Erfindung bezeichnet, um die amerikanische Industrie zu schwächen. Später meinte er aber, das sei ein "Scherz" gewesen.

Barack Obama und Xi Jinping in Peking 12.11.2014
Amerikanisch-chinesische Klima-Partnerschaft auf dem APEC-Gipfel 2014Bild: Reuters/G. Baker

Was kann Trump im Handel durchsetzen?

China will sich als globaler Vorreiter in Sachen Klimaschutz, als Verkäufer seiner Umwelttechnologie und als Verteidiger des freien Welthandels und Kämpfer gegen Abschottung und Protektionismus aufstellen. Diesem Ziel diente der Auftritt von Xi Jinping in Davos, der als erster chinesischer Staatpräsident zu Gast beim Weltwirtschaftsforum dort im Mittelpunkt stand.

Trump hatte seinen neuen Kommunikationschef, den Finanzinvestor Anthony Scaramucci, nach Davos geschickt. Auch Scaramucci gab sich als Verfechter des Freihandels. Trump wolle eine "hervorragende Beziehung zu den Chinesen". Aber Voraussetzung dafür sei, dass China auf die USA zugehe und den USA erlaube, endlich "Symmetrie" im Welthandel herzustellen, die USA wollten nicht länger wie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Handel benachteiligt werden. Globalisierung ja, aber nur wenn Amerikas Arbeiter und Mittelschicht profitieren.

In China nehme man Trumps Ankündigungen ernst, auch wenn es schwer vorherzusagen sei, was er konkret tun wird, sagt Regierungsberater Shi Yinhong. Für Trump habe die Stärkung der amerikanischen Binnenwirtschaft Priorität, dafür nehme er sogar die Gefährdung der Weltwirtschaftsordnung in Kauf, und damit sei auch die Volkswirtschaft Chinas betroffen. "Einseitige amerikanische Maßnahmen könnten jedenfalls große Auswirkungen auf China haben, dessen größte Schwachstellen derzeit die Konjunktur und der Druck auf seine Währung sind", meint Shi Yinhong gegenüber der DW, und weiter: "Uns könnten die angespanntesten Beziehungen zwischen den USA und China seit Jahrzehnten bevorstehen."

USA Befragung Senat - Rex Tillerson, designierter Außenminister
Rex Tillerson, designierter US-Außenminister, will China im Südchinesischen Meer Grenzen aufzeigen Bild: Reuters/K. Lamarque

Profitiert auch China von Trumps "America first"?

Trumps "America First"-Politik müsse aber gar nicht zum Schaden Chinas sein, schreibt China-Experte Patrick Mendis von der Harvard-Universität in der Hongkonger Tageszeitung "South China Morning Post". Durch den angekündigten Rückzug der USA aus der transpazifischen Freihandelsabkommen TPP durch Trump ergebe sich für China die Chance, eine regionale Freihandelszone nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Entsprechende Andeutungen hatte Xi Jinping bereits beim APEC-Gipfel in Lima vergangenen November gemacht.

Umgekehrt sei unter Trump eine amerikanische Beteiligung an der Chinas Asiatischer Infrastruktur- und Investitionsbank (AIIB)  denkbar. Denn warum sollten sich seine Freunde von der Wall Street nicht für gewinnversprechende Investitionen in Großprojekte der "neuen chinesischen Seidenstraße" interessieren? Laut Mendis kann Trump Amerika nicht "groß machen", ohne dasselbe nicht auch für China zuzulassen.

Oder wie es ein Pekinger Student bei einer Straßenumfrage der ARD auf den Punkt brachte: "Trump ist ein Kaufmann, der Präsident geworden ist.  Er ist aber nur der US-Präsident, nicht der Welt-Präsident. Er wird sich schon benehmen. Unsere Beziehungen können weder hundertprozentig gut noch hundertprozentig schlecht sein. Konfrontationen helfen keinem. Es zählt die Wirtschaft. Beide Volkswirtschaften sind voneinander abhängig. Und bei Taiwan-Frage sollten sich beide Länder zurückhalten. Einen Krieg will keiner."

Mitarbeit: Dai Ying und Li Shitao