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China, Taiwan und der Freihandel: erste Bilanz

8. April 2011

Seit Anfang des Jahres ist zwischen China und Taiwan das Freihandelsabkommen ECFA in Kraft. Regierung und Unternehmer auf der Insel ziehen eine positive Bilanz. Doch der Vertrag bleibt umstritten.

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Ximending, der Geschäftsbezirk von Taipeh (Foto: Mathias Bölinger / DW)
Ximending, der Geschäftsbezirk von TaipehBild: DW

"Frühe Ernte" - so haben die Regierungen beiderseits der Taiwanstraße die erste Phase des Kooperationsabkommens ECFA genannt. Jetzt hat Taipeh die ersten Zahlen vorgelegt. Demnach sind die taiwanesischen Exporte nach China in den ersten beiden Monaten um 28,5 Prozent gestiegen. Seit dem 1. Januar 2011 können taiwanesische Unternehmen 539 Produkte zollfrei nach China einführen – vor allem petrochemische Produkte, Maschinen und Elektronik. Taiwan hat seinen Markt im Gegenzug für 267 Produkte geöffnet, die auf dem Festland produziert werden.

"Bisher habe ich meine Investitionen in China immer weiter ausgeweitet", sagt Pen-Tsao Chang. Sein Unternehmen Unitech stellt Platinen für Computer her. Fünf seiner Fabriken stehen in Taiwan, eine in Shanghai. Durch das ECFA-Abkommen seien für ihn die Einfuhrzölle in China weggefallen. Seitdem verlagere er die Produktion wieder zurück nach Taiwan, sagt er. "Ich stelle sehr hochwertige Technologie her, und dafür brauche ich hochqualifizierte Arbeitskräfte." Und die finde er leichter in Taiwan.

Taiwanesische Lebensmittel in China beliebt

Pen-tsao Chang, Vorsitzender der Handelskammer von Taiwan (Foto: Mathias Bölinger / DW)
Pen-tsao Chang, Vorsitzender der Handelskammer von TaiwanBild: DW

Chang, der auch Vorsitzender der Handelskammer der Republik China - wie Taiwan offiziell heißt - ist, gehört zu den vehementesten Befürwortern von ECFA. Mit durchgedrücktem Rücken sitzt er auf der Kante eines viel zu großen Sessels im Büro der Handelskammer und erwähnt stolz die vielen Begegnungen, die er in den vergangenen zwei Jahrzehnten als Vertreter der taiwanesischen Wirtschaft mit der Führungselite der Volksrepublik hatte. Heute gehen 40 Prozent der taiwanesischen Exporte nach Festlandchina. Für Pen-Tsao Chang ist klar, dass das Potential noch viel größer ist, nicht nur im Technologiesektor. Vor allem die Nahrungsmittelindustrie – bisher noch nicht von ECFA erfasst - werde profitieren, glaubt er. Denn viele Chinesen misstrauten nach den Lebensmittelskandalen der letzten Jahre einheimischen Produkten. "Wohlhabende Chinesen interessieren sich sehr für taiwanesische Produkte", erzählt Chang. "Chinesen, die Taiwan besuchen, bringen von hier an erster Stelle nicht Elektronik mit nach Hause, sondern Esswaren."

Die engeren Beziehungen zu China machten Taiwan langfristig auch international zu einem interessanten Standort, sagt Kao Shien Quey von Taiwans Wirtschaftsplanungskommission. In den ersten zwei Monaten seien die Direktinvestitionen um mehr als ein Fünftel gegnüber dem Vorjahr gestiegen, erklärt sie. "Die Unternehmen wollen zum einen von den zollfreien Exporten und zum anderen von der Infrastruktur der taiwanesischen Firmen auf dem Festland profitieren. Taiwanesen und Chinesen sprechen die gleiche Sprache. Deshalb ist es für viele ausländische Unternehmen interessant, gemeinsam mit taiwanesischen Firmen den Markt auf dem Festland zu erschließen."

Stadtansicht von Taipeh (Foto: Mathias Bölinger / DW)
Stadtansicht von TaipehBild: DW

Furcht vor Abhängigkeit von China

Doch nicht überall im Land wird die Begeisterung von Regierung und Wirtschaftsverbänden geteilt. Noch immer wird jeder Besuch des chinesischen Unterhändlers Chen Yunlin von Demonstrationen begleitet. Die steigenden Importe aus China bedrohten die Existenz der Bauern und gefährdeten Jobs in der Produktion weniger anspruchsvoller Güter, sagen die Gegner.

Vor allem aber führe die Festlandpolitik der Regierung von Präsident Ma Ying-jeou in eine gefährliche Abhängigkeit von China, fürchtet Oppositionspolitiker Huai-Hui Hsieh von der Partei DPP. "Es gibt viele Beispiele dafür, dass China andere Staaten mit seiner wirtschaftlichen Macht erpresst", sagt sie und erinnert daran, wie China im Streit um die Kollision zweier Schiffe im vergangenen Jahr den Export Seltener Erden nach Japan eingestellt hatte. "Wir sind besorgt, dass das auch mit Taiwan passieren könnte. Das ist die größte Bedrohung für uns." Wenn Taiwan wirklich Brückenkopf nach China sein wolle, dann sei es enorm wichtig, Distanz zu wahren, sagt sie. Statt einseitig mit China solle Taiwan lieber die wirtschaftlichen Beziehungen zu seinen anderen asiatischen Nachbarn ausbauen.

Autor Mathias Bölinger
Redaktion: Esther Felden