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Einigung

24. Juli 2008

Peking und Moskau haben einen jahrzehntelangen Streit um den Verlauf der gemeinsamen Grenze beigelegt. Doch damit sind noch lange nicht alle Probleme in den russisch-chinesischen Beziehungen gelöst.

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Außenminister Yang Jiechi und Sergej Lawarow schließen AbkommenBild: AP

Fragen an Dr. Frank Umbach, verantwortlich für das Asien-Pazifik-Programm am Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

DW-Chinesisch: Nach 40-jähriger Uneinigkeit sei die Grenze zwischen den beiden Ländern nun vollständig festgelegt worden, sagte am 21. Juli Chinas Außenminister Yang Jiechi nach der gemeinsamen Unterzeichnung des Abkommens mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow. Sind damit aus Ihrer Sicht die Grenzprobleme zwischen China und Russland gelöst?

Frank Umbach: Dies ist in der Tat ein ganz wichtiger Schritt für beide Seiten. China, das nach wie vor Territorialprobleme mit Indien, aber insbesondere auch mit Japan im Ostchinesischen Meer, bilaterale Territorialkonflikte auch im Südchinesischen Meer mit zahlreichen ASEAN-Staaten hat, ist sicherlich an der Grenzfrage interessiert, auch in der Hoffnung, dass dies ausstrahlt auf die übrigen ausstehenden Territorialkonflikte. Umgekehrt ist für Russland dieses Abkommen auch sehr wichtig, weil es in der Vergangenheit die Beziehungen immer wieder belastet hat und immer ein Irritationspunkt war.

Die Einigung bedeute für beide Länder einen Gewinn, sagte Yang. Aus rechtlicher Sicht sei die Voraussetzung geschaffen worden, damit die Grenze zu einer "Brücke der Stabilität, Offenheit, des gegenseitigen Nutzens, der Freundschaft und Zusammenarbeit" werde, sagte Lawrow. Wodurch ist diese Einigung zustande gekommen?

Das hat sicherlich auch mit der allgemeinen Veränderung der Machtbeziehung zwischen beiden Seiten zu tun. Natürlich ist es auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ostwärts vom Ural zu sehen. An der gemeinsamen Grenze mit China sehen sich etwa sieben Millionen russische Bevölkerung mehr als 150 Millionen Chinesen gegenüber. Und auf chinesischer Seite gab es in der Vergangenheit immer wieder "Warnungen" oder "Angebote", dass die sibirischen Rohstoffvorkommen doch nur mit chinesischer Hilfe zu erwirtschaften sind. Vor dem Hintergrund dieses demografischen Ungleichgewichts fürchtet vor allem die russische Bevölkerung in der Region selbst, dass sich China langfristig mit dem Status quo nicht abfindet. Man fürchtet, die Machtbalance könne sich in Zukunft noch weiter zugunsten Chinas verschieben, oder dass China möglicherweise auch eine aggressivere Politik gegenüber dem sibirischen Fernen Osten betreiben könnte.

Russland ist bemüht, China als Abnehmer für Erdöl und -gas zu gewinnen. Zugleich wird der Aufstieg des Landes zu einer globalen Wirtschaftsmacht in Russland mit Argwohn beobachtet. Wie bewerten Sie den Stand der russisch-chinesischen Beziehungen?

Dieses Abkommen ist ein positives Signal. Es dient nicht zuletzt auch der Vertrauensbildung. Auf der anderen Seite darf man nicht übersehen, dass es immer noch eine ganze Reihe von Konflikten gibt, die das tradierte Misstrauen auch zuweilen immer wieder stärken. Dazu gehört ganz sicher auch, dass die Energiebeziehungen zwischen beiden Seiten sich zwar deklaratorisch sehr positiv entwickelt haben, aber diese Deklarationen häufig nicht in die politisch-ökonomische Realität implementiert worden sind. Das hat dazu geführt, dass China zunehmend in Zentralasien aktiv geworden ist, dort seine wirtschaftlichen Beziehungen in den letzten Jahren massiv ausgebaut hat und damit zu einem ernsthaften Konkurrenten Russlands in seinem traditionellen Hinterhof geworden ist. Das wird sicherlich in Moskau mit Misstrauen verfolgt, auch wenn beide Seiten beispielsweise in der Shanghai-Kooperationsorganisation nach wie vor enger zusammenarbeiten. Diese nutzen beide Seiten gerne als Plattform, um deklaratorisch, auch propagandistisch Positionen der USA zu attackieren. Das betrifft ganz sicher auch die amerikanische Präsenz in Zentralasien.

Das Gespräch führte Cao Haiye