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Lockere Zügel

Zhang Danhong10. Februar 2007

Im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele lockert die Chinesische Führung die allgegenwärtige Zensur. Doch noch immer werden Journalisten eingesperrt und Internetseiten geblockt.

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Eine Wandzeitung in Guangzhou in China(September 2005)
Metropolzeitungen können mittlerweile Missstände aufdeckenBild: picture-alliance/dpa

Die Zeiten der langweiligen Propaganda-Nachrichten im chinesischen Staatsfernsehen sind vorbei. Brandaktuell und professionell werden die Nachrichten präsentiert - etwa über Gespräche zwischen Nordkorea und den USA oder eben über Unfälle mit genauen Todeszahlen. Sogar über den Sieg der Bollywood-Schönheit Shilpa Shetty in der britischen "Big Brother"-Show für Prominente wurde in den Hauptnachrichten berichtet.

Im Vorfeld der Olympischen Spiele 2008 zeigt sich die Pekinger Führung gern großzügig. So genießen seit Jahresanfang ausländische Journalisten in China eine, wenn auch zeitlich begrenzte, Reisefreiheit: Bis kurz nach den Olympischen Spielen brauchen sie für Reisen innerhalb Chinas keine Genehmigung. Allerdings nahmen die Auslandskorrespondenten bereits in der Vergangenheit die Vorschriften nicht allzu ernst.

Das bestätigt auch Kai Strittmatter, ehemaliger Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung". Für drei von vier Reisen habe er keine Genehmigung eingeholt. "Ich habe mich einfach als Tourist ausgegeben, China ist für ausländische Korrespondenten ein Paradies. Denn die Chinesen sind uns gegenüber sehr freundlich, sehr offen", berichtet der Journalist. In Europa habe man von den Chinesen ein anderes Bild, aber das stimme nicht. "Die Chinesen reden schon, noch bevor du eine Frage gestellt hast. Normale Bürger zu interviewen, ist in China ein leichteres Unterfangen als in Deutschland", meint Strittmatter.

Druck auf inländische Journalisten

Chinesische Jugendliche in einem Internet-Café in Peking (20.7.2006)
Im Internet findet eine staatliche Zensur stattBild: AP

Im Gegensatz zu den ausländischen Journalisten üben die Behörden einen großen Druck auf die chinesischen Medienmacher aus. So finden spontan einberufene nächtliche Konferenzen statt, auf denen die Zensurbehörde den Chefredakteuren mitteilt, über welche Themen ab sofort nicht mehr berichtet werden darf. Die Zensur gipfelte Mitte Januar im verhängten Verbot von acht Buchtiteln.

Als Verkünder dieses Verbots geriet Wu Shulin, stellvertretender Leiter der Hauptverwaltung für Presse und Verlagswesen, schnell in Verruf. Der Medienexperte Li Datong hält diese Aktion für "außerordentlich dumm". "Dieser Wu Shulin spricht sogar davon, dass das Verbot mehr den Autoren gilt als ihren Büchern. Die Beamten der Propaganda-Abteilung handeln aus alter Gewohnheit - nach dem Motto: Links ist besser als rechts", kritisiert Datong. Als Linker verliere man nicht so schnell seinen Posten. Das für die Ideologie zuständige Propaganda-Ministerium habe sich in dieser Hinsicht keinen Millimeter bewegt", bemängelt der Medienexperte.

Li Datong ist selber Opfer der Zensur. Seine vor allem unter Intellektuellen sehr beliebte Wochenzeitschrift "Bingdian" (Gefrierpunkt) war vor einem Jahr verboten, was weltweite Kritik und Proteste auslöste. Sogar Staatspräsident Hu Jintao soll verstimmt über die Zensurbehörde gewesen sein und die Aktion als schädlich für Chinas Image bewertet haben. Auch das Bücherverbot dürfte auf der Führungsebene keine Begeisterung ausgelöst haben, meint Li Datong. Trotz Kritik hält die chinesische Führung aber an den Mitarbeitern der Zensurbehörde fest. In bestimmten Situationen können sie sich mehr als nützlich erweisen.

Investigativer Journalismus auf dem Vormarsch

Ein positives Zeichen ist, dass der investigative Journalismus immer mehr Einzug findet - vor allem in die Metropolenzeitungen: Missstände aller Arten werden schonungslos aufgedeckt. Die Schattenseite dieser Freiheit ist, dass Chefredakteure dieser Zeitungen wegen solcher Berichte jederzeit entlassen werden können.

Dennoch schätzt Li Datong die Lage insgesamt positiv ein. "Wir haben von Überlegungen in der Regierung gehört, wonach man sich daran gewöhnen muss, mit unterschiedlichen Meinungen zu regieren." Solche Überlegungen in die Praxis umzusetzen, sei natürlich ein langer Prozess, räumt Datong ein. "Man muss immer wieder mit neuen Artikeln oder Berichten die Grenze testen. Aber generell gilt, dass unter Wahrung der sozialen Stabilität immer mehr Lockerung erfolgen wird", ist sich der Medienexperte sicher.

Ein Wasserträger vor einem Olympia-Plakat in Peking (24.8.2004)
Die Olympischen Spiele in China könnten sich positiv auf die Pressefreiheit auswirkenBild: AP

Von dieser Lockerung wollte sich auch die Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" vor Ort überzeugen lassen. Sie führte Ende Januar Gespräche mit chinesischen Medienbehörden und gab damit offiziell ihre Boykotthaltung zu den Olympischen Spielen auf. Die chinesischen Gesprächspartner hätten der Delegation von "Reporter ohne Grenzen" Besserungen versprochen, berichtet der Asienleiter der Organisation, Vincent Brossels. "Wir sind nicht naiv geworden nach der China-Reise. Aber es war eine gute Gelegenheit, auch über die Freilassung der inhaftierten Journalisten in China zu reden." Dies wolle man auch weiterhin versuchen, so Brossels. "Bis zu den Olympischen Spielen ist es noch ein Jahr. Wir geben der chinesischen Regierung sechs Monate oder ein Jahr Zeit und warten ab, ob sie ihr Versprechen einlöst."