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Chinas Weg zum Flugzeugträger

Matthias von Hein28. Januar 2015

Betrug, Korruption und massenhaft Schnaps - damit kam China an seinen ersten Flugzeugträger. So schildert es eine Schlüsselfigur in einer Hongkonger Zeitung. Beim Ausbau seiner Streitkräfte zieht Peking alle Register.

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China erster Flugzeugträger, aufgenommen im September 2012 in Dalian, Nordostchina (Copyright: STR/AFP/GettyImages)
Bild: Getty Images

Größe, Prestige und militärische Macht - all das bündelt sich in der Welt der Marine im Flugzeugträger. Kein Wunder, dass schon Mao Zedong über den Bau von chinesischen Flugzeugträgern nachdachte. Weil die aber eine sehr komplexe und extrem teure Waffengattung sind, blieb bis zum 25. September 2012 China das einzige permanente Mitglied im UN-Weltsicherheitsrat ohne einen statusträchtigen Flugzeugträger. An diesem Tag wurde die "Liaoning" in Dienst gestellt: Gut 300 Meter lang, über 50 Stundenkilometer schnell, 1500 Mann Besatzung - und ursprünglich in der Ukraine gebaut. Mit welchen Tricks die chinesische Marine in den Besitz des ursprünglich "Varyag" getauften Flugzeugträgers kam, konnte man kürzlich in der Hongkonger "South China Morning Post" nachlesen. Da schilderte der Hongkonger Geschäftsmann Xu Zengping seine Version vom Kauf der "Varyag": Eine Geschichte von Korruption, Betrug und Alkohol. Xu hatte eine enge Beziehung zum chinesischen Militär: Bevor er eine Größe im Hongkonger Geschäftsleben wurde, war er Basketballprofi bei der Armee gewesen.

Screenshot: Artikel über Xu Zengpings Kauf des Flugzeugträgers "Varyag" für China in der "South China Morning Post"
Xu Zengping erzählte seine unglaubliche Geschichte der SCMP: Glück hat ihm das Abenteuer angeblich nicht gebracht.Bild: South China Morning Post

Täuschungsprojekt schwimmendes Kasino

Weil die Ukraine das Schiff nicht für militärische Zwecke verkaufen wollte, gründete Xu in Macao ein Glücksspielunternehmen. Mit einer frisch erworbenen Lizenz für ein Spielkasino flog Xu im Januar 1998 in die Ukraine. Dort überzeugte er die Schiffsbauer, er wolle den Flugzeugträger in ein schwimmendes Kasino verwandeln. Als Argumentationshilfe dienten Xu nach eigenen Angaben "Stapel von Dollarnoten" für das Werftmanagement und mehr als 50 Flaschen hochprozentigen chinesischen Schnapses. Nach vier Alkohol-getränkten Verhandlungstagen war der Deal perfekt: Für 20 Millionen US-Dollar wechselte die "Varyag" den Besitzer. Zu dem Schiff selbst gehörten rund 40 Tonnen an Plänen. Die ließ Xu schnellstens auf dem Landweg nach China bringen. Und: Anders als bislang angenommen waren nach Angaben des Hongkonger Geschäftsmann auch die Antriebsaggregate noch an Bord und intakt. Wahrscheinlich läuft die "Liaoning" noch heute mit den ukrainischen Maschinen.

Türkei sperrt Bosporus

Zunächst hielten politische Probleme den Flugzeugträger aber auf dem Schwarzen Meer fest: Die Türkei verwehrte die Durchfahrt durch den Bosporus. Erst nach einem Besuch des damaligen chinesischen Präsidenten Jiang Zemin im Jahr 2000 änderte sich das Klima. Im Sommer 2001 trat die "Varyag" ihre Reise an: Durchs Mittelmeer, die Straße von Gibraltar und um die Südspitze Afrikas – aber nicht nach Macau sondern direkt nach Dalian, einem Hafen in Nordostchina. Das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin berichtet, die Kasinolizenz sei noch am Tage des Einlaufens in Dalian zurück gezogen worden, am 3. März 2002.

Zeitgewinn durch Trägerkauf

"Der Kauf dieses ursprünglich sowjetischen Flugzeugträgers war enorm wichtig, da er Zeitgewinn verschafft hat", analysiert Michael Paul, von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Die "Liaoning" diene als Vorlage für den Bau eigener Flugzeugträger, betont Paul im DW-Interview. Der erste Flugzeugträger chinesischer Bauart wird bis 2020 erwartet. "Insgesamt erwarten wir eine Flotte von vier Flugzeugträgern. Das wäre eine erhebliche regionale Machtprojektion, die nicht nur in den asiatisch-pazifischen, sondern auch in den indisch-pazifischen Raum ausstrahlen würde," so der SWP-Experte für Sicherheitspolitik.

Mann gelber Sicherheitsweste steht vor einem gerade gelandeten Kampfjet auf dem chinesischen Flugzeugträger "Liaoning". (Copyright: REUTERS/Xinhua/Zha Chunming )
Die eingesetzten Kampfjets ähneln deutlich dem russischen VorbildBild: Reuters

USA sehen Interessen bedroht

Angesichts des aggressiveren Auftretens Chinas in den Territorialstreitigkeiten im Süd- und Ostchinesischen Meer sind die Nachbarn besorgt. Und die USA: "Die USA sind die traditionelle Schutzmacht und Hegemonialmacht im Westpazifik seit dem 2. Weltkrieg. Insofern richtet sich jede militärische Aufrüstung indirekt auch gegen die USA", erklärt Michael Paul. Tatsächlich stellt der jüngste Bericht der U.S. - China Economic and Security Review Commission vom Herbst 2014 nüchtern fest: "Chinas Aufstieg zu einer größeren militärischen Macht stellt Jahrzehnte der Luft- und Hochseedominanz der USA in einer Region in Frage, in der Washington substantielle Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen hat." Die Empfehlung der Kommission: Die US-Navy solle zusätzliche Schiffe bauen und ihre Präsenz im Pazifik verstärken, auch durch Verlegung von insgesamt 60 Prozent der US-Flotte in den Pazifik.

Zur Zeit allerdings ist die "Liaoning" nicht gefechtsbereit. Bernt Berger vom Institut für Sicherheit und Entwicklungspolitik ISDP im schwedischen Stockholm bringt es auf den Punkt: "Die 'Liaoning' ist kein Flugzeugträger, der wirklich militärisch eingesetzt wird. Das ist ein Übungs-, Trainings- und Technologienentwicklungsprojekt", so Berger gegenüber der DW. Hier können chinesische Kampfpiloten das Starten und Landen auf einem fahrenden Schiff üben, eines der heikelsten militärischen Manöver überhaupt. Die Piloten fliegen den Kampfjet J-15, genannt "Fliegender Hai", eine chinesische Raubkopie der russischen Suchoi SU-33. Ein Flugzeug dieses Typs hatte China zu Beginn der 2000er Jahre kaufen können - ebenfalls in der Ukraine.