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Chinesische Gen-Babys haben höheres Sterberisiko

3. Juni 2019

Ende 2018 schockierte der chinesische Forscher He Jiankui mit der Behauptung, er habe genmanipulierte Kinder künstlich gezeugt. Nun bestätigt eine Berkeley-Studie: Sie haben eine deutlich kürzere Lebenserwartung.

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DNS DNA Illustration Molekül
Das menschliche Erbgut, die DNA. Bereits die Entfernung eines Gens hat Folgen auf die Entwicklung. Bild: Imago/Science Photo Library

Ende November 2018 hatte der chinesische Biophysiker He Jiankui auf einer Fachtagung in Hong Kong berichtet, er habe zwei Kinder durch künstliche Befruchtung gezeugt. Deren Erbgut habe er vor der Einpflanzung des Embryos mit Hilfe der Genschere CRISPR/Cas9 manipuliert.

Wahrscheinlich ist es bislang der erste Fall weltweit, in dem durch Genmanipulation in die menschliche Keimbahn eingegriffen wurde.

Ethiker und Experten verschiedenster Fachrichtungen kritisierten Hes Vorgehen damals scharf: Er habe einen gefährlichen Präzendenzfall geschaffen und einen ethischen Tabubruch begangen. Die chinesische Regierung erließ strenge Regeln gegen derartige Versuche. 

Für den Eingriff habe zudem keine medizinische Indikation bestanden und es sei völlig unklar, ob die mittlerweile geborenen Kinder oder deren Nachkommen später im Leben unter unerwünschten Folgen leiden müssten.

Nun bestätigt eine Studie von Xinzhu Wei und Rasmus Nielsen von der Universität Berkeley diese Befürchtungen: Menschen, die eine vergleichbare natürliche Genveränderung haben, sterben im Durchschnitt deutlich früher als Menschen ohne diese Genveränderung. Die Studie wurde im Fachjournal Nature Medicine veröffentlicht. 

Mehr dazu: Ethikrat: Gen-Veränderungen bei Menschen unverantwortlich

China Forschung von He Jiankui
Die Wissenschaftswelt war geschockt, als He Jiankui zugab, dass er in die menschliche Keimbahn eingegriffen hatte. Bild: Imago/Zuma Press

Immunität gegen das HI-Virus durch Entfernung eines Gens

He Jiankui hatte seinen Keimbahneingriff damit gerechtfertigt, dass der Vater der Kinder das HI-Virus (HIV) in sich trage, das die Immunschwächekrankheit AIDS auslöst. Die von ihm künstlich gezeugten Kinder habe er durch den Eingriff immun gegen HIV gemacht.

Und so ist He vorgegangen: HIV nutzt ein Zelleiweiß, das von einem bestimmten Gen namens CCR5 codiert wird, um Zellen des Immunsystems anzugreifen. Mit der Genschere CRISPR/Cas9 hat der Biophysiker deshalb vor der Einpflanzung des Embryos das CCR5 Gen aus dem Erbgut entfernt, um eine spätere Infektion der Kinder mit HIV auszuschließen.

In der Tat ist CCR5 das wichtigste Einfallstor für HIV, aber ist gibt noch weitere, die durch die Genmanipulation nicht geschlossen werden.

Einige Menschen sind von Natur aus immun  

He Jiankui argumentierte, dass es auch ohne jegliche Gen-Manipulation viele Menschen gebe, die kein CCR5 Gen in ihrem Erbgut tragen. Das sind Menschen, die eine Mutation namens Delta 32 aufweisen. Weltweit leben schätzungsweise 100.000 Menschen mit dieser Gen-Mutation, die sie auch immun gegen das HI-Virus macht. Nach Hes Auffassung seien diese Menschen aber ansonsten gesund.

Doch das stimmt offenbar nicht ohne Vorbehalt, wie die Studie aus Berkeley nun nahelegt. Xinzhu Wei und Rasmus Nielsen haben die weltgrößte humane Gen-Datenbank, die UK Biobank, statistisch daraufhin durchforstet, ob andere Gesundheitsrisiken mit dem Fehlen des CCR5 Gens bzw. mit der natürlichen Mutation Delta 32 in Zusammenhang stehen. 

Mehr dazu: CRISPR-Krise: China will Ruf seiner Gentechnik schützen

Das menschliche Erbgut

Die UK Biobank führt für mehr als 400.000 Menschen die Genvarianten (Genotyp) und die bei ihnen auftretenden Krankheitsmerkmale und weitere Eigenschaften (Phänotyp) auf.

Auf drei Genotypen hatten es die Forscher abgesehen: Menschen, die zweimal die Mutation Delta 32 haben, Menschen die einmal Delta 32 und einmal CCR5 haben, sowie Menschen, die zweimal CCR5 haben  Die von He gezeugten Babys entsprechen dabei der ersten Gruppe mit zweimal Delta 32. 

HIV-Immunität, aber höherer Sterblichkeit bei Grippe 

Die Forscher fanden heraus, dass Menschen mit einer zweifachen Delta 32 Mutation, denen also CCR5 vollständig fehlt, eine um 21 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit haben, das 76. Lebensjahr zu erreichen.

Vermutlich sei das CCR5 Gen doch wichtig für die Gesundheit. Es zu entfernen, mache die Patienten möglicherweise anfällig für andere Krankheiten. Es sei ein "funktionelles Protein, von dem wir wissen, dass es im Organismus eine Wirkung hat", sagte Nielsen in einer Mitteilung der Universität Berkeley.

So hatte schon eine frühere Studie gezeigt, dass Menschen ohne dieses Gen viermal häufiger an einer Grippe sterben als Menschen, die CCR5 in sich tragen. 

Nielsen folgerte daraus, dass wahrscheinlich "eine Mutation, die das Protein zerstört, nicht gut für [Mensch und Tier] ist". Und Wei pflichtete ihm bei: "Die CRISPR-Technologie ist viel zu gefährlich, um sie derzeit für die Keimbahnbearbeitung zu verwenden." 

Mehr dazu: Kommentar: Genversuche am Menschen stoppen!