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Chinesen in Indonesien

20. November 2011

Jahrzehntelang wurden chinesischstämmige Indonesier unterdrückt. Heute erlebt die chinesische Kultur in Indonesien eine Renaissance.

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Indonesische Theatergruppe führt ein Stück auf (Foto: Anggatira Gollmer/DW)
Kein Verstecken mehr: Indonesier chinesischer AbstammungBild: DW

Das chinesische Viertel der Stadt Semarang unterscheidet sich kaum von anderen Teilen der Stadt. Nur die roten Laternen in einigen Seitenstraßen deuten darauf hin, dass die meisten Bewohner hier chinesischer Abstammung sind. Überseechinesen leben seit Jahrhunderten in Indonesien. Mit rund sieben Millionen bilden sie heute die größte ethnische Minderheit in dem Inselstaat.

Nachtleben im chinesischen Viertel in Semarang (Foto: Anggatira Gollmer/DW)
Der Abendmarkt ist nur am Wochenende geöffnetBild: DW

Das chinesische Viertel in Semarang ist bekannt für seine Tempel und für den Semawis Abendmarkt. Viele Besucher kommen hierher, vor allem um an einem der zahlreichen Essensstände Halt zu machen. "Ich komme mit meiner Familie jede Woche hierher", sagt Willy, ein Indonesier chinesischer Abstammung. "Hier kann man allerlei Gerichte finden, die typisch für Semarang sind. Außerdem treffe ich hier meine Freunde."

Chinesische Kultur darf wieder gelebt werden

Die Straßen im chinesischen Viertel sind erst in den letzten Jahren wieder zum Treffpunkt geworden. Unter der Militärdiktatur Suhartos wurde Indonesiens chinesische Minderheit jahrzehntelang unterdrückt. Das Suharto-Regime betrachtete sie als Kommunisten, die bekämpft werden müssen.

Ein Tempel im chinesischen Viertel der Stadt Semarang, Indonesien. (Foto: Anggatira Gollmer/DW)
Jahrzehntelang durften keine chinesischen Schriftzeichen die Tempel zierenBild: DW

Alles, was einen chinesischen Bezug hatte, wurde per Präsidialerlass im indonesischen Alltag verboten. Chinesischsprachige Schulen wurden geschlossen, Kulturvereinigungen wurden aufgelöst. Chinesischsprachige Bücher und Zeitschriften wurden verbrannt und die Verwendung chinesischer Schriftzeichen verboten.

Nach der Asienwirtschaftskrise kam es 1998 zu massiven Übergriffen auf die chinesische Bevölkerung. Ihre Geschäfte und Häuser wurden geplündert und niedergebrannt. Erst nachdem der langjährige Präsident Suharto im gleichen Jahr abdankte, verbesserte sich die Situation. 2004 wurde Suhartos Präsidialerlass, der chinesische Kulturmerkmale im Alltag verbot, von einem seiner Nachfolger endgültig aufgehoben.

Neue Blüte chinesischer Kultur

Seit 2004 versuchen viele Initiativen, die chinesische Kultur in Indonesien wiederzubeleben. Eine Initiative entstand aus der Zusammenarbeit des Kulturvereins Kopie Semawis und der Stadt Semarang. "Unser Ziel ist unter anderem, dass das chinesische Viertel nicht ausstirbt", erklärt Rudi Tiono vom Kulturverein Semawis. Tiono selbst ist in diesem Viertel gross geworden. Er ist sehr stolz auf diese Entwicklung.

Löwentanzaufführung auf einer Bühne (Foto: Anggatira Gollmer/DW)
Im chinesischen Viertel in Semarang werden wieder Löwentänze aufgeführtBild: DW

Heute ist das chinesische Viertel in Semarang eine Attraktion, sowohl für die chinesische Bevölkerung, als auch für viele Indonesier. "Chinesisches Kulturgut, wie der Löwentanz, ist bei uns angekommen. Wir freuen uns darüber", sagt der Javaner Agus Widodo. "Die Chinesen dürfen auf dem Gelände ihren Löwentanz üben. Viele Indonesier kommen dorthin, um mitzumachen, und die Chinesen bringen ihnen den Tanz bei."

Treffpunkt Tempel

Folgt man den engen Gassen im chinesischen Viertel, stößt man auf den ein oder anderen traditionellen chinesischen Tempel. Die gut erhaltenden Tempel sind mit goldenen Ornamenten und chinesischen Schriftzeichen verziert. "Jetzt können chinesische Indonesier auf ihre Wurzeln stolz sein", sagt der 67-jährige Lim Hoklei im kleinen Tempel Hoo Hok Bio. "Früher konnte ich nicht für meine verstorbenen Eltern beten. Nicht einmal im Tempel, auch zu Hause hatte ich Angst, dass meine Nachbarn es sehen und mich bei der Polizei anzeigen würden."

Kinder spielen mit Karten im Tempel (Foto: Anggatira Gollmer/DW)
Die Tempel sind kulturelle Zentren für viele Indonesier chinesischer AbstammungBild: DW

"Die Tempel gab es damals auch, aber es wurde dort nicht gebetet", erzählt der energische Mann, der unter dem Suharto-Regime seinen Namen in einen indonesischen Namen abändern musste. Heute treffen sich die Bewohner des Viertels abends im Vorgarten des Tempels. Auch wenn in erster Linie Buddhisten, Taoisten und Konfuzianisten in den Tempel kommen, werden auch Besucher aus anderen Religionen herumgeführt und eingeladen, auf ihre Art zu beten.

Keine Chance für radikale Elemente

Die meisten Indonesier chinesischer Abstammung können sich noch an die Jahre der Unterdrückung erinnern. Deshalb beobachten sie mit Besorgnis die zunehmende Radikalisierung religiöser Gruppen. In den letzten Jahren kam es vermehrt zu Übergriffen auf religiöse Minderheiten in Indonesien. Auf das gute Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen in der Stadt Semarang hat dies jedoch kaum Auswirkungen.

"In Semarang gibt es keine radikale Organisation wie die FPI (Verteidigungsfront des Islam)", erzählt Sandy Gunawan, ein Tempelmitglied. "Sie könnten hier nicht Fuß fassen. Die Bürger würden da nicht mitmachen", ist er sich sicher. Gunawan erzählt, dass indonesische Nachbarn gerne bei den Tempelfeiern mithelfen und dass seine Gemeinde regelmäßig Reis an die Armen verteilt. "Chinesische und indonesische Bürger sind hier eins. Es gibt keine Probleme durch die Zugehörigkeit zu den verschiedenen Religionen", sagt der Mann, der sich trotz seiner chinesischen Vorfahren vor allem als Indonesier fühlt: "Semarang ist eine sichere Stadt."

Autorin: Anggatira Gollmer

Redaktion: Ziphora Robina