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Chodorkowski-Urteil schadet Modernisierung

27. Dezember 2010

Die Verurteilung von Chodorkowski und Lebedew ist keine Überraschung. Es war von Anfang bis Ende ein politischer Prozess – mit weitreichenden politischen Folgen, meint Ingo Mannteufel.

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Die Verurteilung des früheren Yukos-Eigentümers Michail Chodorkowski und seines Geschäftspartners Platon Lebedew ist keine Überraschung. Von einem freien und fairen rechtstaatlichen Verfahren kann nicht gesprochen werden. Es war ein politischer Prozess, der ganz klar den Vorgaben von oben folgte. Die Verurteilung zu fast 14 Jahren Haft entsprechend des Antrags der Anklage, ist nur ein weiterer Beleg dafür. Chodorkowski und Lebedjew werden nun bis 2017 in Haft bleiben, da die Haftstrafe aus der ersten Verurteilung angerechnet wird.

Putin hat sich verrannt

Es muss stark vermutet werden, dass auch im zweiten Prozess gegen Chodorkowski und Lebedew der frühere russische Präsident und jetzige Ministerpräsident Vladimir Putin die treibende Kraft hinter der Verurteilung gewesen ist. Seit der Verhaftung der beiden russischen Öl-Unternehmer vor mehr als sieben Jahren lautet eine weit verbreitete These, dass Putin Chodorkowski dafür bestrafen will, dass dieser sich in die russische Politik eingemischt habe und sich gegen Putin stellen wollte. Demnach betrachtet Putin Chodorkowski als seinen persönlichen Erzfeind, dem er scheinbar auch jetzt keine Milde gewähren will.

Ingo Mannteufel (Foto: DW)
Ingo Mannteufel, Leiter der russischen RedaktionBild: DW

Dieser Lesart entspricht auch, dass Putin Mitte Dezember nachdrücklich die Verurteilung von Chodorkowski öffentlich gefordert hat. Das war ein schwerer Fauxpas, denn die russische Führung bemüht sich nach Kräften, den Eindruck eines unabhängigen Gerichtsverfahrens aufrecht zu erhalten. Da war der russische Präsident Medwedew wesentlich klüger, als er am Weihnachtswochenende feststellte, dass sich niemand – auch kein Präsident und kein hoher russischer Staatsbeamter, gemeint war Putin - vor einem Urteil zu einem laufenden Gerichtsverfahren äußern solle. Vermutlich hatte Präsident Medwedew dabei die weitreichenden Folgen einer Verurteilung im Blick gehabt.

Symbol für mangelnde Rechtsstaatlichkeit

Denn die fragwürdige Verurteilung von Chodorkowski und Lebedew und auch das hohe Strafmaß sind ein heftiger Rückschlag für die Modernisierungspolitik von Präsident Medwedew und auch ein herber Dämpfer für eine Partnerschaft Russlands mit dem Westen. Es ist mehr als bedauerlich, dass die politische Führung in Russland nicht verstehen will, dass die dauernd gepredigte Modernisierung Russlands nur durch den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen gelingen wird. Und die Verurteilung von Chodorkowski in einer absurden Gerichtsposse straft alle diese Bemühungen Lügen. Schöne Reden und teure PR-Kampagnen im Ausland können hier nicht weiterhelfen. Mit der Verurteilung von Chodorkowski wird das gesamte Modernisierungsprojekt der russischen Staatsführung grundsätzlich in Frage gestellt.

Im Ausland ist der Chodorkowski-Prozess längst zu einem Symbol für die mangelnde Rechtsstaatlichkeit in Russland geworden. Mehr noch: Er ist ein Lackmus-Test für eine wirkliche Partnerschaft. Denn so sehr Deutschland, Europa und auch die USA an guten Beziehungen zu Russland gegenwärtig interessiert sind, so sehr verfestigt sich das Urteil, dass einem von Putin geprägten Russland nicht zu trauen ist. Das wird als erstes der US-amerikanische Präsident Obama zu hören bekommen, der noch rechtzeitig vor Weihnachten – und vor dem Urteil – den neuen START-Abrüstungsvertrag mit Russland durch den Senat gebracht hat.

Doch nicht nur im Ausland werden Michail Chodorkowski und sein Geschäftspartner Platon Lebedjew zu Symbolfiguren für ein freies, gerechtes und demokratisches Russland. Das waren die beiden Öl-Magnaten mit Sicherheit nicht, als sie 2003 verhaftet worden sind. Doch durch die offenkundig ungerechte Behandlung und die klar politisch motivierte Bestrafung sind sie auch in den Augen vieler Russen zu unbeugsamen Helden eines Kampfes gegen ein korruptes und willkürliches Regime geworden.

Autor: Ingo Mannteufel

Redaktion: Sabine Faber