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Das Beste zum Schluss

15. November 2011

Mit Beschlüssen ihres Parteitags zur Bildung und zum Mindestlohn geht die CDU unter Angela Merkel den Weg der Erneuerung weiter. Aber nicht mehr so stürmisch wie zuletzt beim Atomausstieg und dem Ende der Wehrpflicht.

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Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag in Leipzig. (Foto: dpa)
Parteichefin Angela MerkelBild: picture-alliance/dpa

Karl-Josef Laumann hat nicht nur gute Erinnerungen an diesen Saal im Leipziger Messezentum. Vor acht Jahren hatte der CDU-Parteitag hier unter der noch neuen Bundesvorsitzenden Angela Merkel einen neoliberalen Kurs eingeschlagen. Die Wirtschaft sollte dereguliert werden, die Unternehmen von Sozialausgaben entlastet. Laumann, Chef der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, stand auf verlorenem Posten. "Sozial ist, was Arbeit schafft", hieß der Slogan damals, 2003.

Porträt Karl-Josef Laumann (Foto: dpa)
Karl-Josef Laumann: Kampf für den MindestlohnBild: picture alliance / dpa

Heute gibt es zwei Millionen Arbeitslose weniger, aber es entstanden auch Millionen Jobs, die so schlecht bezahlt werden, dass die Arbeitnehmer ohne zusätzliche Sozialleistungen nicht über die Runden kommen. Die Erkenntnis, dass nicht jede Arbeit sozial ist, hat Karl-Josef Laumann zum Helden des jetzt zu Ende gegangenen CDU-Parteitags 2011 gemacht: Leidenschaftlich hatte er den Antrag begründet, dass Deutschland einen Mindestlohn braucht. Stürmischen Applaus hat er dafür bekommen und am Ende die breite Zustimmung des Parteitags zu dem Antrag.

Verbindlicher Mindestlohn ist nicht mehr tabu

Wobei die CDU offiziell nicht vom "Mindestlohn" spricht, um sich von einem staatlich festgesetzten Mindestlohn abzugrenzen, wie ihn die Opposition fordert. Die Christdemokraten sprechen von einer Lohnuntergrenze, und die soll eine Kommission mit Gewerkschaften und Arbeitgebern festlegen. Der Gesetzgeber soll lediglich dafür sorgen, dass diese Lohnuntergrenze für alle Unternehmen verbindlich ist, sofern nicht die Tarifparteien für bestimmte Branchen und Regionen eine andere unterste Tarifgruppe festgelegt haben. Das entspricht dem christdemokratischen Grundsatz der Subsidiarität, wonach der Staat nur dort tätig werden soll, wo nicht andere Institutionen dazu in der Lage sind.

Der ursprüngliche Entwurf des CDU-Vorstands hatte noch konkretere Vorgaben zur Lohnuntergrenze enthalten, und es zeichnete sich ein heftiger Konflikt darüber auf dem Parteitag ab. In letzter Minute verständigte sich die Parteiführung dann auf den entschärften Antrag, der den Wirtschaftsflügel der CDU besänftigte, mit dem der Arbeitnehmerflügel aber dennoch vollauf zufrieden war. Für ihren Vorsitzenden Laumann wurde Leipzig so zum Ort des späten Triumphs.

Merkel will ihre Partei nicht überfordern

Angela Merkel hält am Dienstag (15.11.2011) beim 24. Bundesparteitag der CDU in Leipzig ihre Stimmkarte hoch. (Foto: dapd)
CDU-Chefin Angela Merkel mit ihrer StimmkarteBild: dapd

In den zurückliegenden anderthalb Jahren hatte Merkel ihrer Partei weitaus drastischere Veränderungen zugemutet: Im Sommer 2010 musste sie sich von der Wehrpflicht verabschieden, die bis dahin als Herzstück der christdemokratischen Verteidigungspolitik galt. Und im Frühjahr, nach dem Atomkraftunglück von Fukushima, überrumpelte Merkel ihre Partei mit dem Ausstieg aus der Kernenergie, die von der CDU jahrzehntelang als unverzichtbar für die sichere und klimafreundliche Energieversorgung Deutschlands gegen alle Kritik hochgehalten worden war.

Umso mehr achtete die Führung nun darauf, die Partei nicht zu überfordern. Das galt auch beim Thema Bildung: Jahrzehntelang hatte die CDU das dreigliedrige Schulsystem hochgehalten und verteidigt - gegen Sozialdemokraten und Grüne, aber auch gegen Liberale. Mit der Hauptschule, die auf praktische Berufe vorbereitet, der Realschule als Grundlage vor allem für Büroberufe und dem Gymnasium, das zur Hochschulreife führt, sollte den unterschiedlichen Begabungen der Kinder Rechnung getragen werden.

Dann aber fasste der Parteivorstand unter Federführung von Bundesbildungsministerin Annette Schavan den Beschluss, Haupt- und Realschule zu einer neuen Oberschule zusammenzufassen. Begründet wurde dies mit den dramatisch zurückgehenden Schülerzahlen vor allem in ländlichen Räumen.

Moderate Veränderung in der Schulpolitik

Auf CDU-Regionalkonferenzen im ganzen Land musste sich Angela Merkel deswegen in den vergangenen Monaten viel Kritik anhören. Die Untergliederungen der Partei stellten über 1700 Änderungsanträge zum bildungspolitischen Leitantrag, so viele wie noch nie in der Geschichte der CDU. Die Führung reagierte, indem sie ihren Antrag an den Leipziger Parteitag deutlich modifizierte. Das Reizwort "Oberschule" wurde nun weitgehend gemieden.

Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister auf dem CDU-Parteitag (Foto: dapd)
David McAllister: Finger weg vom Gymnasium!Bild: dapd

Die Zusammenführung von Haupt- und Realschule wurde lediglich empfohlen als Möglichkeit, um eine wohnortnahe Schulversorgung auf dem Land zu sichern, sofern dies dem Wunsch der Eltern entspricht. "Wir wollen damit genau nicht die Einheitsschule", so verteidigte Schavan in Leipzig dieses Modell in Abgrenzung zu den Vorstellungen der Opposition.

Noch deutlicher wurde der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister, der sich direkt an die Adresse der Opposition wandte: "Finger weg von der Eigenständigkeit des Gymnasiums, sonst gibt’s Ärger".

Womit die parteipolitischen Fronten wieder klargestellt waren – und der Parteitag noch einen weiteren Helden hatte, den er bejubelte. Und Parteichefin Angela Merkel konnte zufrieden verfolgen, dass die behutsame Weiterentwicklung der CDU am Ende auch auf dem Feld der Bildungspolitik eine breite Mehrheit fand.

Autor: Peter Stützle
Redaktion: Hartmut Lüning