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Chronologie des Nitrofen-Skandals

2. Juni 2002

Der Skandal um die Vergiftung von Bio-Nahrungsmitteln mit dem Pflanzengift Nitrofen zeigt im Rückblick eine Kette von Versäumnissen.

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Bild: AP

Die Norddeutsche Saat- und Pflanzengut AG mietet in Malchin eine Halle zur Lagerung von Öko-Getreide. In der Halle wurde zu DDR-Zeiten ein Teil der Staatsreserve für Pflanzengift aufbewahrt.

Im November 2001 stellt der Cloppenburger Futtermittelhersteller GSagri routinemäßig Proben von Öko-Weizen für spätere Untersuchungen zurück.

Im Dezember 2001 gibt es nach Angaben des größten deutschen Öko-Anbauverbands, Bioland, erste Nachweise über Nitrofen-Rückstände in Putenfleisch. Das Bundesverbraucherministerium wird nach eigener Darstellung erst Mitte Mai über die Funde informiert.

Im Januar 2002 bekommt die dem Bundesverbraucherministerium unterstellte Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach Putenfleischproben aus einem niedersächsischen Mastbetrieb. Im März stellt die Bundesanstalt in privatem Auftrag in der Probe eine zehnfach über dem zulässigen Grenzwert liegende Nitrofen-Konzentration fest. Eine Meldung an das Verbraucherschutzministeriumin Berlin bleibt aus. Man geht von einem "lokalen Fall" aus. Eine ergänzende Weizenprobe fällt negativ aus.

Am 11. März wird in einer Rückstell-Probe von GS agri erstmals Nitrofen gefunden. Darauf werden sämtliche nicht getestete Proben untersucht und 31 belastete gefunden. GS agri Geschäftsführer Paul Römann sagt am 29. Mai, die betreffenden Futtermittel seien zu diesem Zeitpunkt bereits verbraucht gewesen. GS agri habe gemeinsam mit seinen Abnehmern Maßnahmen getroffen, um zu verhindern, dass die mit belastetem Futtermittel hergestellten tierischen Produkte an die Verbraucher gelangen. Laut Römann ist die Nitrofen-Belastung den Kontrollstellen und Behörden zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt.

Am 4. April bekommt die Versicherung von GS agri das Ergebnis eines Gutachten zugeschickt, das in der November-Rückstellprobe neben Nitrofen unter anderem auch DDT und Lindan nachweist.

Anfang April wird in mehreren Läden der Tagwerk-Genossenschaft in Bayern belastete Putenwurst eines niedersächsischen Herstellers verkauft, die nach Hinweisen auf eine mögliche Verunreinigung am 8.April aus dem Verkehr gezogen wird. Tagwerk gibt bei einem Hamburger Labor eine Probe in Auftrag. Zwei Tage später wird die zuständige Öko-Kontrollstelle Biozert in Augsburg informiert, die im Auftrag der Landesanstalt für Ernährung (LfE) staatliche Prüfaufgaben übernimmt. Die LfE ist dem Landwirtschaftsministerium in München unterstellt. Das bayerische Verbraucherministerium erklärt am 28. Mai, es habe von dem Vorfall erst durch einen Zeitungsbericht am selben Tag erfahren.

Am 24. April zeigt sich die 100-prozentige Tochter "Krusenhof" des Fleischwarenherstellers Meica selbst beim Landkreis Ammerland an.

2. Mai: Die Kontrollstelle "Gesellschaft für Ressourcenschutz" ruft bei der Bezirksregierung Lüneburg an. Es gibt Hinweise auf Nitrofen-Belastung bei GS agri. Der fachfremde Referent bittet den Anrufer nach Angaben des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums, ihm die Informationen schriftlich zu senden. Der Brief erreicht die Bezirksregierung angeblich nach Bekanntwerden des Skandals.

Am 6. Mai übermittelt der Landkreis die "Krusenhof"-Anzeige an die Staatsanwaltschaft Oldenburg mit dem Hinweis, es gebe einen "Rückruf ohne öffentliche Warnung, da gesundheitliche Risiken nicht zu befürchten sind". Eine Eilbedürftigkeit wird nicht gesehen.

Am 7. Mai stellt GS agri erneut Nitrofen-belastete Proben fest, nachdem die Firma zuvor davon ausgeht, dass ihr Putenfutter wieder "sauber" ist.

Mitte Mai werden in Hessen nach Angaben einer Supermarktkette Nitrofen-Rückstände in Bio-Eiern aus Niedersachsen gefunden, die betroffenen Produkte seien einen Tag später aus den Regalen genommen worden.

Am 24. Mai gibt der größte deutsche Öko-Anbauverband, Bioland, bekannt, dass er Geflügelfutter auf Nitrofen-Rückstände untersuchen lässt.

Am 27. Mai werden bundesweit Bio-Betriebe wegen positiver Nitrofen-Tests gesperrt.

28. Mai: Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) kündigt eine Anweisung an die ihr untergeordneten Behörden an, Informationen über brisante Stoffe in Lebensmitteln künftig umgehend weiterzugeben.

29. Mai: In Mecklenburg-Vorpommern wird Nitrofen in Eiern und Hühnerfleisch gefunden. Zehntausende Hühner sollen getötet werden.

30. Mai: Nitrofen wird auch in Öko-Eiern in Niedersachsen entdeckt. Niedersächsische Behörden untersagen GS agri am Abend weitere Futter-Lieferungen, die bis dahin wegen vorliegender Unbedenklichkeitszertifikate möglich sind.

31. Mai: Eine "Task Force" von Bund und Ländern zur Aufklärung des Skandals nimmt ihre Arbeit auf.

1. Juni: Der Fall ist weitgehend geklärt. Die Halle der Firma NSP in Malchin wird gesperrt. (dpa/arn)