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im Kino: Der Dokumentarfilm "Citizen Animal"

24. April 2018

Aus einer Urlaubsreise entwickelte sich eine filmische Suche nach Menschen, die sich aktiv für die Rechte von Tieren einsetzen. Welche Denkanstöße er dabei bekam, erzählt Regisseur Oliver Kyr im DW-Interview.

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Dokumentarfilm von Oliver Kyr Citizen Animal 2
Bild: jip film & verleih/T. Kühr

2017 hat Oliver Kyr eine Reise mit dem Wohnmobil gemacht. Gut 10.000 Kilometern tourte er quer durch Europa. Auch einen Abstecher in die USA unternahm er. Filmkamera und Ausrüstung hatte er immer dabei. Die Reise zusammen mit seiner Frau und der kleinen Tochter, die damals drei Jahre alt war, geriet zu einer Spurensuche nach Menschen, die sich intensiv um Tierrechte kümmern oder als Aktivisten unterwegs sind. Daraus entstand der Dokumentarfilm „Citizen Animal" (2018), der ab 26.4.2018 in deutschen Programmkinos gezeigt wird. Tierschutzorganisationen wie der Deutsche Tierschutzbund und PETA unterstützen die Premierentour. Wie genau der Film entstand, erzählt Oliver Kyr, von Haus aus Werbetexter und Industriefilmer, im DW-Interview. 

DW: Einen Dokumentarfilm zu machen und dafür gleichzeitig in die Rolle des Regisseurs, des Kameramanns und des Tonmanns zu schlüpfen, ist wohl eher ein Wagnis. Warum haben Sie das auf sich genommen? 

Oliver Kyr: Meine Familie und ich leben seit 2015 in Autos und auf Straßen, weil wir beschlossen hatten, dass die Welt, in die unsere Tochter rein geboren wurde, suboptimal ist. Da gibt es sehr große Probleme an allen Ecken und Kanten. Wir machten es es also zu unserer höchsten Priorität, mitzuhelfen diese Probleme zu lösen. Und schnell war mir und meiner Frau klar, dass wir keine Probleme lösen, wenn wir weiter in Berlin unserem Leben nachgehen.

Wir beschlossen, noch einmal bei Null anzufangen und in ein Wohnmobil zu ziehen, alles zu verkaufen, zu verschenken oder zu spenden, was wir hatten. Also fast alles. Und loszufahren und Projekte zu machen, die die Menschen inspirieren, Veränderungen zuzulassen und selbst Hand anzulegen - aktiv mitzuhelfen, diesen Planeten zu verändern.

Dokumentarfilm von Oliver Kyr Citizen Animal 2
Tierliebe: Die kleine Tochter war auf der Reise dabeiBild: jip film & verleih/T. Kühr

Im Januar 2017 haben wir gesagt: Es ist Winter, es ist fürchterlich kalt in Deutschland, wir haben ein Wohnmobil, sind also mobil, und machen einfach das, was andere zu dieser Jahreszeit auch tun: Wir fahren nach Süden, nach Süd-Spanien, und machen einfach zwei Monate Urlaub. Auf dem Weg dahin sind wir an diesem Dorf vorbeigekommen, wo sie ihren Hunden und Katzen Bürgerrechte verliehen haben. Da habe ich zu meiner Frau gesagt: Lass uns doch kurz da vorbeifahren, einen kleinen 2-Minüter für Youtube drehen - und dann machen wir unseren Urlaub.

Wir sind dann eine ganze Woche geblieben und haben viele Interviews gedreht. Die Begegnungen haben uns sehr inspiriert. Und dann sagten die Leute in Trigueras de Vallos, ihr müsst auch noch zum Santuario de Animales, zum Tierhospital fahren, das ist hier ganz in der Nähe. Die haben dort ein Schwein, dem sie eine eigene Reha-Station gebaut haben. Wir sind hingefahren, und dort haben sie uns noch jemand empfohlen. Da waren wir schon mittendrin in einer Dokumentarfilm-Produktion - die wir gar nicht geplant hatten.

In Deutschland hat Tierschutz oft mit gequälten oder vernachlässigten Tieren zu tun. Was haben Sie auf Ihrer filmischen Reise quer durch Europa gesehen?

Eine der ersten Stationen war eine Hundestation bei Madrid. Sie haben dort fast 300 Hunde. Carmen, die Leiterin der Station, hat uns viel über ihre Einzelschicksale erzählt. Und ich habe gleich diese Liebe gespürt, die sie diesen Tieren entgegen bringt. Diese starke Liebe zu den Tieren konnte ich ausnahmslos bei allen  Leuten, die wir besucht haben, feststellen.

Dokumentarfilm von Oliver Kyr Citizen Animal 2
Ansturm der Hunde: Dreharbeiten auf einem Tierschutzhof in Spanien Bild: jip film & verleih/T. Kühr

Engagierte Tierschützer werden in Deutschland schnell als Außenseiter oder militante Tierfreunde abgestempelt. In Spanien gibt es einen Bürgermeister, der Tieren besondere Rechte eingeräumt hat. Woher kommt diese amtliche Tierliebe dort?

Dieses Dorf wurde schon als Welttierhauptstadt bezeichnet. Sie haben den Tieren dort nicht nur besondere Tierrechte gegeben, sondern ganz offiziell Bürgerrechte. Sie nennen ihre Tiere auch "vecinos", also Nachbarn. Ich dachte zuerst, vielleicht ist das so ein Marketing-Gag oder eine nette philosophische Betrachtung. Aber die hat normalerweise keine rechtlichen Konsequenzen.

Aber dann meinte der Bürgermeister: "Doch, wenn jemand einen Hund schlägt oder misshandelt, dann wird ihm dieser Hund sofort weggenommen. Und wir suchen dann einen besseren Platz für das Tier." Das ist rechtlich abgesichert. Dieses kleine spanische Dorf hat inzwischen eine Signalwirkung auf andere Gemeinden und andere Länder, wo Aktivisten und Tierschützer versuchen, etwas Ähnliches auf die Beine zu stellen.

Welche Unterschiede haben Sie denn in den europäischen Ländern, die Sie bereist haben, gefunden?

Es wird gern gesagt, dass die Tiere es in den südeuropäischen Ländern am schlimmsten haben und ihre Rechte dort oft mit Füßen getreten werden. Ich hatte eher den Eindruck, dass es polarisierter ist. In Spanien gibt es wohl immer noch Todeslager, wo Straßenhunde einfach umgebracht werden. Auf der anderen Seite ist es beeindruckend, was Tierschützer dort aufgebaut haben. Zwei der größten Tierlebenshöfe in Europa sind in Spanien.

Das heißt, auf der einen Seite werden die Tierrechte eklatant mit Füßen getreten und da geht es um ganz grausame Dinge - um Stierkämpfe und sowas. Und demgegenüber steht eine Phalanx von engagierten Leuten, die sich sehr für die Tierrechte einsetzen.

Dokumentarfilm von Oliver Kyr Citizen Animal 2
Regisseur Oliver Kyr traf auch die britische Verhaltensforscherin Jane GoodallBild: jip film & verleih/T. Kühr

Oder in der Schweiz: Da haben sie längst ein Bewusstsein dafür, dass Tiere keine Sachen sind, dass sie Gefühle haben und dass Tiere Schmerzen erleiden können usw. Da scheinen mir andere europäische Länder noch nicht so weit zu sein, zum Beispiel, wenn man sieht, was in Rumänien mit Hunden passiert.

Sie haben für Ihren Film nicht nur Tierschützer besucht, sondern auch einen Koch, der vegan kocht. Hat die vegane Bewegung einen Bewusstseinswandel bewirkt, was den Umgang mit Tieren betrifft?

Ich glaube, wenn sich jemand entscheidet, vegan zu leben, ist der Hauptgrund in sehr vielen Fällen die Tierliebe. Und das Bewusstsein, dass wir nicht das Recht haben, sie zu essen. Insofern trägt die vegane Bewegung schon dazu bei, dass das Thema Tierrechte stärker ins Bewusstsein dringt.

Wir haben nach den Filmvorführungen im Kino immer auch Diskussionen im Publikum gehabt. Der Film polarisiert sehr stark, und dann fangen die Zuschauer an, Argumente für und gegen Tierrechte auszutauschen. Ich finde es grundsätzlich gut, dass ein Diskurs da ist oder durch den Film entsteht.