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Schreibende Roboter, sexy Datenjournalisten

Vera Tellmann18. Dezember 2015

Claire Wardle, international gefragte Expertin für Digitalen Journalismus, sprach in der Deutschen Welle über Trends und Risiken in der globalen Nachrichtenwelt. 2015 war für sie „ein Jahr der Innovationen“.

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Claire Wardle
Bild: DW

„In den Sozialen Medien stehen Nachrichtenanbieter unter Druck. Sie müssen ihre Nutzer verstehen und fesseln.“ Claire Wardle erforscht, welche Inhalte und Formate ausschlaggebend sind für eine zielgruppengerechte Nutzeransprache.

„2015 wird in die Geschichtsbücher eingehen“, sagte die Social-Media-Expertin am 17. Dezember in Bonn mit Blick auf die zahlreichen neuen Medienanbieter, Portale und Apps. Bei Nutzern besonders gefragt seien qualitativ hochwertige Nachrichtenformate für mobile Geräte. Wardle sagte, sie sei einerseits begeistert von den vielfältigen Möglichkeiten, Nachrichten zu konsumieren, andererseits sehe sie große Herausforderungen für Anbieter und Nutzer.

Dank überall einsatzbereiter Sozialer Medien kommen Nutzer immer häufiger Journalisten bei der Berichterstattung zuvor und veröffentlichen User Generated Content (UGC). Wardle bevorzugt den Begriff „Augenzeugen-Medien“, weil er die unmittelbare Nähe zu einem Ereignis treffender beschreibe. „Traditionellen Journalisten“ kommt laut Wardle heute die zusätzliche Rolle zu, UGC zu filtern, zu verifizieren und in Zusammenhänge einzuordnen.

Claire Wardle ist als Forschungsleiterin am Tow Center for Digital Journalism der Columbia University in New York tätig. Das Institut gehört zu den weltweit führenden Think Tanks im Bereich Digitaler Journalismus (towcenter.org). Zuvor war sie beim Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) in Genf für die Integration Sozialer Medien in die Kommunikation der Hilfsorganisation verantwortlich.

Technische Entwicklungen ermöglichten eine vielfältige und präzise Auswertung des individuellen Nutzerverhaltens, doch Messbarkeit sei nicht alles, so Wardle. Mindestens genauso wichtig seien Analysen, was mit den Inhalten passiere – in Bezug auf Rechte, willkürliche Verwendung, Kontrolle, Archivierung –, und die Auswirkungen auf Menschen. Journalisten und Nutzer könnten die teils drastischen Bilder und Berichte schwer verarbeiten. Wardle: „Ich habe dieses Jahr viele Menschen auf dem Bildschirm meines Mobiltelefons sterben sehen.“

Trotz neuer Technologien für und einer beschleunigten Informationsverbreitung habe sich das Journalistenprofil aber nicht komplett verändert, sagte Wardle. Ethische Richtlinien, die Reporter beispielsweise im Umgang mit traumatisierten Menschen oder trauernden Angehörigen eines Opfers zu beachten haben, seien weiterhin gültig. Die Privatsphäre und Sicherheit aller Beteiligten – auch der Journalisten in Krisengebieten – müssten Priorität behalten.

Die Nutzung künstlicher Intelligenz – sowohl in Form von Robotern als auch automatisierter Computerprozesse – sei für ein Redaktionsteam durchaus vorstellbar und teilweise bereits etabliert. „Aber das gilt nur für langweilige Standardaufgaben, zum Beispiel die Aufbereitung von Finanz- und Sportnachrichten. So bleibt den Journalisten wieder mehr Zeit, sich den spannenden Themen zu widmen.“

Wardle sprach in der DW-internen Veranstaltungsreihe „Made by Minds“. Sie bietet eine standortübergreifende Plattform zur Präsentation innovativer Ideen und richtungweisender Projekte. Interne und externe Referenten stellen regelmäßig neue Projekte und Formate vor, berichten über Trends auf den internationalen Medienmärkten oder rücken neue Technologien in den Fokus. Die Reihe versteht sich als Dialogplattform zum Austausch von Ideen und Erfahrungen und soll den Wissenstransfer in der DW stärken. Über einen Livestream im Intranet konnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den DW-Standorten Bonn und Berlin die Präsentation verfolgen.