1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

'Clique von Kumpels'

Das Gespräch führte Oliver Samson4. Juli 2007

Die Krise des Sports - auch eine Krise des Sportjournalismus? Ein Interview mit Josef Hackforth, Professor für Sport, Medien und Kommunikation an der TU München.

https://p.dw.com/p/BCNS
Auch Journalisten auf Kuschelkurs?Bild: AP

DW-WORLD.DE: Professor Hackforth, Sie haben eine groß angelegte Studie zum Sportjournalismus betreut. Inwieweit ist die Krise des Radsports auch einen Krise des Sportjournalismus?

Deutschland Sport Sportwissenschaftler Josef Hackforth
Der Münchner Sportwissenschaftler Josef HackforthBild: picture-alliance/ dpa

Hackforth: Viele haben die kritische Distanz verloren. Sportjournalisten und Sportler waren eine Clique von Kumpels, die sich gemeinsam über Erfolge gefreut haben. Journalismus und Sport waren nicht mehr zwei getrennte Systeme - und das ist im Sinne einer funktionalen Aufgabenteilung schädlich.

Besonders in der Kritik stand in Deutschland die ARD, die mit dem Radsport auch geschäftliche Beziehungen eingegangen ist. Jetzt wurde dort eine Doping-Redaktion eingerichtet, die Berichterstattung soll deutlich kritischer werden. Reicht das aus?

Die ARD hat in den letzten Wochen einen Salto rückwärts gemacht. Sie war Sponsor des Team Telekom, sie hat Jan Ullrich zwei Mal

leistungsbezogene Einzelverträge gegeben - man war auch Partner des Radrennsports. Das ist gründlich schief gegangen. Man hat noch vor anderthalb Jahren den Experten der ARD, Hajo Seppelt, quasi in die Wüste geschickt und wollte wegen seiner Kritik nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten. Nun holt man ihn zurück und macht ihn möglicherweise zum Leiter der Doping-Redaktion, damit man in Zukunft wieder investigativen Journalismus treiben kann. Die Absichten sind gut, ich hoffe nur, dass wir dass auch in Zukunft an der Art der Berichterstattung merken.

In den anderen großen Radsportnationen sind Journalismus und Sport noch enger verzahnt…

Wir können uns doch nicht damit trösten, dass in Italien, Frankreich, Spanien der Radsport noch enger mit dem Journalismus verbunden ist. Wir müssen unseren eigenen Weg finden. Die Presse hat eine öffentliche Aufgabe, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sogar einen Auftrag - und der schließt Hintergrund und Analyse, Kritik und Kontrolle des Sportsystems mit ein.

Viele Kommentatoren malen nach dem Enthüllungsinterview von Jörg Jaksche nun das Ende des Radsports an die Wand...

In der bisherigen Form wird es sicher große Probleme geben. Dass sich Sponsoren zurückziehen, ist nur normal, wenn sie ein System unterstützen sollen, indem manipuliert, gefälscht und betrogen wird. Dass die Fernsehanstalten letztes Jahr bei der Tour schlechte Einschaltquoten hatten, lag daran, dass Jan Ullrich nicht mehr gestartet ist, aber auch daran, dass Dopinggerüchte über Armstrong, Landis und andere ganz massiv aufgetreten sind. Die Quoten gehen erst wieder hoch, wenn der Sport einigermaßen sauber ist und wir einen deutschen Fahrer haben, dem wir einigermaßen vertrauen können. Allerdings haben wir eine repräsentative Umfrage bei Sportbegeisterten in Deutschland gemacht, bei der mehr als 67 Prozent gesagt haben, ARD und ZDF sollen die Tour übertragen - auf das Wie bin jetzt aber sehr gespannt.

Von gewaltigem Zuschauerrückgang kann international aber keine Rede sein: Fünf Millionen Zuschauer haben sich in Italien unlängst die Königsetappe des Giro angeschaut, Hunderttausende waren an der Strecke. Ist es den Zuschauern egal, wenn gedopt wird?

Doping ist für den Zuschauer lange nicht so wichtig wie für

Journalisten, Politiker oder die Fachöffentlichkeit. Wir kenne das Phänomen aus Sportsendungen: Wenn ein Bericht über Doping gezeigt wird, sinkt die Einschaltquote ganz erheblich. Es gibt einen Überdruss beim Rezipienten, der sagt: Wir würden am liebsten nichts mehr davon erfahren. Das kann uns Journalisten natürlich nicht davon abbringen, das sehr ernst zu nehmen.

Der Kunde möchte betrogen werden?

Er möchte Spektakel, möchte Erfolge, Emotionalität, Spannung,

Drama. Wenn da jemand mit über 40 Stundenkilometer die Berge hochfliegt, finden wir das alle ganz toll - Fachleute wissen allerdings, wie diese Leistung zustande kommt.

Also wird alles so weiter gehen: Die Zuschauer wollen Sieger, die Sponsoren Zuschauer, die Fahrer Erfolge…

Den größten Druck, dass sich etwas ändert, könnten tatsächlich

Zuschauer, Leser, Hörer machen. Wenn die zeigen: Uns interessiert das nicht mehr, dann müsste der Radsport intensiv handeln. Das ist aber eine Illusion. Es wird auch nie die Solidarität im Journalismus geben, dass man darüber nicht berichtet - dann macht es eben ein anderer. Und die Zuschauer werden auch nicht ihr Einschalten verweigern, um Druck auszuüben - leider nicht.

Glauben Sie, dass man den Radsport sauber bekommen kann?

Ich glaube nicht, dass man Doping aus dem Spitzensport verbannen kann. Aber ich bin davon überzeugt, dass man ganz energisch die Auswüchse der vergangenen Jahre und Jahrzehnte reduzieren kann.

Wird es nach der Enthüllungswelle im Radsport eine ähnliche auch noch beim Fußball geben?

Hierzu haben wir eine große Umfrage gemacht: Die große Mehrheit glaubt, dass es im Fußball Einzelfälle gibt, aber kein

flächendeckendes Doping. Dieser Meinung bin ich auch.

Josef Hackforth ist Dekan der Fakultät für Sportwissenschaft der TU München.