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Bericht des Club of Rome

Fabian Schmidt8. Mai 2012

Vor vierzig Jahren veröffentlichte der Club of Rome die Zukunftsprognose "Die Grenzen des Wachstums". Jetzt wirft die Gruppe einen weiteren Blick nach vorn bis 2052. Wie genau können solche Prognosen sein?

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ARCHIV - Ein Windrad dreht sich vor den Kühltürmen des Kraftwerkes der Vattenfall-Kraftwerke Europe AG im brandenburgischen Jänschwalde (Archivfoto vom 08.12.2006). Ein weltweit beachteter UN-Klimareport, Spitzenthema beim EU- und beim G8-Gipfel, Diskussionspunkt bei den Vereinten Nationen in New York und Friedensnobelpreis - höher kann ein Thema in der Weltpolitik kaum steigen. Der Klimawandel stand in diesem Jahr so weit oben auf der politischen Agenda wie nie zuvor. Foto: Patrick Pleul +++(c) dpa - Bildfunk+++
Bildergalerie Debatte Nachhaltigkeit RioBild: picture-alliance/ZB

In seiner neuesten Veröffentlichung "2052 – Eine globale Voraussage für die nächsten vierzig Jahre" wagt der Denker-Klub Club of Rome einen Blick in die Zukunft. Die 66 in der Organisation zusammengeschlossenen Wirtschaftler, Industriellen und Wissenschaftler prognostizieren, wie schon bei ihrer ersten Publikation 1972 Die Grenzen des Wachstums, dass die Wirtschaftsentwicklung bald kippen könnte.

Im Unterschied zur Zukunftsperspektive vor vierzig Jahren rücken die Autoren mit ihrer jüngsten Veröffentlichung vor allem den globalen Klimawandel ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Insbesondere die Grundannahme, dass eine Erwärmung der globalen Durchschnittstemperatur um mehr als 2,5 Grad Celsius bevorstünde, bestimmt die Prognosen: Es drohten vermehrt Flutkatastrophen, Dürre-Perioden und Extremwetterereignisse.

Der Verbrauch fossiler Energieträger schreite weltweit voran. Das vom Weltklimarat postulierte Ziel, den Ausstoß von Kohlendioxid so weit zu reduzieren, dass eine Erwärmung auf zwei Grad Celsius begrenzt werden könne, sei voraussichtlich nicht mehr zu erreichen, heißt es in dem Bericht. Erst ab 2030 könne mit einem Rückgang der CO2-Emissionen gerechnet werden, und das auch nur dann, wenn die Politik die Abkehr von fossilen Energieträgern mit Nachdruck weiterverfolge.

Eine Solaranlage im kalifornischen Cramer Junction (Foto: dpa)
Dem Club of Rome geht der Ausbau erneuerbarer Energien nicht schnell genug voranBild: picture alliance / dpa

Auch der Vorläuferbericht hatte 1972 die Zukunft der Welt vor allem davon abhängig gemacht, wie Menschen mit Energie umgehen. Im Unterschied zum jetzigen Bericht stand damals allerdings die Grundannahme im Vordergrund, dass die verfügbaren Rohstoffressourcen, insbesondere an Erdöl und Gas, sich bald ihrem Ende zuneigen würden. Ein Jahr nach der Veröffentlichung der Grenzen des Wachstums schienen sich die Thesen der Publikation zunächst zu bestätigen. Die erste Ölkrise von 1973 und die darauf folgende von 1979/1980, im deren Laufe die Rohölpreise dramatisch stiegen, führten zu Rezessionen in den Industrieländern und verliehen der Publikation besondere Relevanz.

Rechenmodelle im Wirklichkeits-Check

"Die Grenzen des Wachstums" markierten einen Meilenstein der Zukunftsforschung, indem sich der Club of Rome erstmals komplexer Rechenmodelle bediente, um Aussagen über gesellschaftliche, ökologische und wirtschaftliche Wirkungszusammenhänge zu treffen.

Das Rechenmodell berücksichtigte die Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen, die Leistung der Industrieproduktion, die Nahrungsmittelproduktion, das Wachstum der Weltbevölkerung und die Umweltverschmutzung.

Kernthese war, dass ein absehbarer Rückgang nicht erneuerbarer Ressourcen alle anderen Faktoren beeinflussen würde: Bereits ab den 1970er Jahren rechnete das Szenario mit einem massiven Rückgang der Rohstoffe. Mit einigen Jahrzehnten Verzögerung sollten dann zuerst ab etwa 2015 die Nahrungsmittelproduktion und Industrieproduktion einbrechen und später die Weltbevölkerung massiv schrumpfen.

Dieses Szenario ist so zwar nicht mehr haltbar, aber auch im jüngsten Bericht geht der Club of Rome davon aus, dass ab etwa 2050 das Wachstum zum Erliegen komme, und zwar nach einer längeren Periode der Stagnation. Mit der einsetzenden Rezession gehe auch die Weltbevölkerung wieder zurück.

Ein Mann läuft in Peking an neuen Autos vorbei (ddp images/AP Photo/Eugene Hoshiko)
Gewinner: Der Mittelstand in China wächst bis 2052 fast auf US-NiveauBild: AP

Ein Abgleich der Voraussagen von 1972 mit den letzten vierzig Jahren verdeutlicht allerdings, wie schwierig es ist, zuverlässige Prognosen für komplexe Modelle zu entwerfen. Die Menschen waren nämlich erfinderischer und anpassungsfähiger als die Forscher gedacht hatten. Nach dem Ölpreisschock der 1970er Jahre gelang es der Industrie relativ schnell, bis dahin nicht bekannte fossile Energieressourcen zu erschließen. Mittlerweile sind selbst Ölbohrungen in über 1000 Meter Meerestiefe an der Tagesordnung – noch 1972 wäre das unvorstellbar gewesen.

Zudem gab es mehrere umfassende Modernisierungsschübe, die der Club of Rome 1972 noch nicht vorhersehen konnte, die aber den Strukturwandel von der alten Schwerindustrie, hin zu einer Gesellschaft mit Hochtechnologie und Dienstleitungen überhaupt erst ermöglichten: Die rasante Entwicklung der Computer ab Ende der 80er Jahre, das Internetzeitalter seit den 90er Jahren und die Entwicklungen im 21. Jahrhundert im Bereich der Energie- und Umwelttechnik und der Nanotechnologie.

Auch die neueste Studie wirft ähnliche ungelöste Fragen auf: Wird die Entdeckung von Methanhydrat als Energieträger die Energieprobleme der nächsten Jahrhunderte lösen oder den prognostizierten Klimawandel verschärfen? Wie werden sich die politischen Entscheidungsträger dazu verhalten? Welche Rolle spielt Ölsand und Ölschiefer im Energiemix der Zukunft? Wie stark wird der Einzug erneuerbarer Energien verbunden mit Ressourcenknappheit auch einen Wertewandel beschleunigen und damit umweltfreundliche Technologien konkurrenzfähig machen? Wird die Menscheit sich angesichts wachsender Not Klimaschutz noch leisten können oder sich einfach dem Klima anpassen? Werden die derzeit gängigen Klimamodelle den Test der Zeit überhaupt bestehen?

Selbsterfüllende Prophezeiung?

Die Berechnungsmodelle für den neuen Bericht sind komplexer geworden. So zieht der Club of Rome neben wirtschaftlichen Forschungen nun auch die Ergebnisse der Klimaforschung und Klimafolgenforschung in seine Vorhersagen ein.

Ein grundlegendes Problem der Zukunftsvorhersage kann diese wachsende Komplexität aber nicht beheben: Die Rückwirkung der Erkenntnisse über die Folgen des eigenen Handelns auf die menschlichen Akteure. Wenn Menschen davon ausgehen, dass eine Änderung ihres Verhaltens ihre Lebensumstände verändern kann, passen sie sich an. Anlässlich der Vorstellung des jüngsten Berichts erklärte der Generalsekretär des Club of Rome Ian Johnson, "Business as usual" sei keine "Option, wenn wir wollen, dass unsere Enkelkinder auf einem zukunftsfähigen Planeten leben."

Damit verdeutlichte Johnson ein altes Dilemma: Ist die Prognose wertneutral und wissenschaftlich oder eine politische Anweisung zum Handeln? Bereits der Begründer der Zukunftsforschung Ossip K. Flechtheim beschrieb in den 1950er Jahren sein Fachgebiet als Synthese aus Ideologie und Utopie, also eine Mischung aus Weltbildern und Wunschvorstellungen. Das habe mit Wissenschaft nicht viel zu tun.

Ein Junge sammelt Wertstoffe auf einer indischen Mülldeponie (Foto: AP)
Verlierer: Drei Milliarden Menschen werden noch in Armut lebenBild: AP

Gewinner und Verlierer

Im politischen Bereich sagt der Club of Rome einen Machtverlust der USA zu Lasten Chinas voraus. Dabei kämen Peking gerade seine undemokratischen Strukturen zugute, die es dem Land ermöglichten, Entscheidungen schnell umzusetzen, die in Demokratien so nicht möglich seien.

Nicht vorhersehen kann der Bericht, ob China diesen taktischen Vorteil langfristig ausspielen kann. Der erste Bericht des Club of Rome hat gezeigt, dass gerade politische Entwicklungen kaum vorherzusehen sind, zum Beispiel der Systemzusammenbruch im ehemaligen sowjetischen Einflussbereich. Mit einer militärischen Konfrontation zwischen den USA und China rechnet der neue Bericht jedenfalls nicht.

Wirtschaftlich sei der Mittelstand in den USA und den entwickelten Industriestaaten Verlierer des bevorstehenden Wandels, weil dort kaum noch Wachstum stattfinde. Die ländliche Bevölkerung in den anpassungsfähigen Schwellenländern gehöre indes zu den Gewinnern, weil dort eine breite Mittelschicht entstehe. Für 2052 rechnet der Club of Rome damit, dass China die USA zu etwa zwei Drittel beim Pro-Kopf-Einkommen eingeholt habe. Zwar gebe es dann noch immer etwa drei Milliarden Menschen in Armut, andererseits steige weltweit die durchschnittliche Lebenserwartung.