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Kult gegen Coca-Cola

8. Mai 2011

Der Coca-Cola-Konzern ist die weltweite Nummer eins unter den Getränkeherstellern. Doch immer wieder schaffen es kleine Betriebe, den alkoholfreien Markt aufzumischen. Von Fritz-Kola über Bionade bis zur Fassbrause.

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Auf der Ausstellung "Mythos aus der Flasche. Coca-Cola Cultur im 20. Jahrhundert" werden im Design Zentrum Nordrhein Westfalen in Osnabrück zwei Werbeplakate vorgeführt (Archivbild vom 04.03.1994). Das Plakat links stammt aus der Mitte der 30er Jahre, das rechte von 1955. Der Slogan "Mach mal Pause", den Herbert Strauf 1954 erfand, gilt als besonders schlagendes Beispiel für erfolgreiche Werbung. (Zu dpa-Feature "Historiker nutzen Werbung als Sonde in die Mentalität der Zeit" vom 05.01.1996) - COLORplus -
Bild: picture-alliance/dpa

125 Jahre Coca-Cola: Respekt, da kann so mancher Getränkemixer neidisch werden. Als der Apotheker John Stith Pemberton im Jahr 1888 ein Mittel gegen Müdigkeit und Depressionen zusammenbraute und später an den Apothekengroßhändler Asa Griggs Candler für kleines Geld verkaufte, konnte er nicht ahnen, was er damit auslösen würde. Candler fackelte nicht lange, gründete die Coca-Cola-Company und brachte das braune Zuckergetränk 1896 weltweit auf den Markt.

Heute bekommt man die Cola in Deutschland in sieben verschiedenen Varianten, dazu vertreibt der Konzern noch etliche Zitronen- und Orangenlimonaden, Mineralwasser, Apfelschorle und Fitness- sowie Energydrinks. Auch mit kleineren exotischen Mischungen namens Georgia-Limonade versucht Coca-Cola sein Imperium zu erweitern.

Kult gegen Wirtschaftsmacht

Man sollte also meinen, der Getränkemarkt sei abgefüllt. Doch weit gefehlt. Es gibt immer noch kleine Betriebe, die versuchen, dem Global Player die Stirn zu bieten. Und sie schaffen es, indem sie gar nicht erst den Anspruch haben, die Allmacht des Coca-Cola-Konzerns zu bekämpfen. Sie machen aus ihrer Marke Kult und schaffen sich so ihre Marktnischen.

Screenshot Homepage: Afri-Cola Flasche (Foto: Afri Cola)
Minimalistische Werbung

Kult ist da, wo Mainstream aufhört. Während die breite Masse Coca-Cola trinkt, hat der coole Szenegänger eine Flasche Fritz-Kola in der Hand. Während in jeder Kaschemme Coca-Cola ausgeschenkt wird, gibt es in trendigen Clubs Afri Cola zu trinken. Auch wenn die Nachahmer den geheimnisvollen Geschmack der Original-Cola nie hinbekommen – hier geht es eher um eine Philosophie, um das anders sein. Anders heißt bei Fritz-Kola: "Die aufgeweckteste Cola der Welt" – mit viel, viel Koffein. Afri wirbt mit der "schönsten Flasche der Welt – aus der Szene für die Szene".

Wie aus Bio Limo wurde

Doch damit ist auf dem Getränkemarkt noch lange nicht das Glas leer. Dieter Leipold, ein Braumeister aus dem oberfränkischen Ostheim an der Rhön hat sich Mitte der 1980er Jahre daran gemacht für Kinder und Jugendliche eine gesunde Alternative zu Apfelsaft und Mineralwasser zu entwickeln. 1995 kam die erste Bionade auf den Markt. Zunächst wurde sie nur lokal vertrieben, ihren Durchbruch erlangte sie 1997, als ein Hamburger Großvertrieb das Getränk so geschickt platzierte, dass es innerhalb von kurzer Zeit zum Hamburger Szene-Getränk wurde.

Eine junge Frau hält auf der Messe "BioFach" in Nürnberg (Mittelfranken) Flaschen des Erfrischungsgetränks Bionade in den Händen. (Foto: dpa)
So hip kann Bio seinBild: picture-alliance/ dpa

In den Jahren 2002 und 2003 wurden zwei Millionen Flaschen Bionade verkauft. 2007 waren es 200 Millionen. Das macht etwa 600.000 Liter. Coca-Cola verkauft zwar in Deutschland mehr als drei Milliarden Liter jährlich, das ist fünf mal so viel, aber wenn man bedenkt, wie viele Getränke Coca-Cola vertreibt, und dass Bionade nur mit wenigen Sorten vertreten ist, ist das ein beachtlicher Erfolg.

Bionade gibt es in vielen europäischen Ländern und in den USA; das einfache Emblem – roter Punkt und weißer Kreis auf blauem Hintergrund - ist ein Kultsymbol geworden. Bis heute haben die Oberfranken es geschafft, Nachahmer durch einstweilige Verfügungen in die Schranken zu weisen. Auch Angriffe des Coca-Cola-Konzerns, wie Übernahmeinteressen und ein ähnliches Konkurrenzprodukt, die exotische Georgia-Limonade, konnten der Bionade nichts anhaben.

Eine Brause für das Rheinland

Bei soviel antialkoholischem Erfolg war es nur eine Frage der Zeit, bis weitere Getränkehersteller ein Stück von dem schier unerschöpflichen Markt abhaben wollten. Immer mehr Bierbrauer brachten alkoholfreies Bier heraus und machten sich Gedanken darüber, wie sie den alkoholfreien Sektor noch weiter erobern könnten. Auch in Köln, bei der Privatbrauerei Gaffel. Alkoholfreies Bier alleine, das ist es nicht, dachte sich hier der Marketingchef Thomas Deloy. Er setzte sich mit anderen Experten zusammen und sie merkten schnell, "dass es nicht unser Anspruch sein kann, das 120. Radler an den Start zu bringen. Wir wollten einen neuen, einen eigenständigen Weg gehen." Gelandet ist man schließlich bei einem alkoholfreien Produkt, das nach dem Motto "Brause mit wertvollen Inhaltsstoffen und einem gewissen Biergefühl" den Nerv der Großstädtler getroffen hat.

Gaffels Fassbrause - Biergarten, 31.08.2010; Copyright: Privatbrauerei Gaffel
gesunde Bier-Alternative?Bild: Privatbrauerei Gaffel

Die Probe im schlanken, leicht taillierten 0,2 Liter Glas: Die Fassbrause ist hellgelb und hat tatsächlich eine Schaumkrone wie ein richtiges Bier. Sie perlt mit einem gesunden Kohlensäureanteil die Kehle herunter und schmeckt – tja, dann doch wie ein Radler, mit Zitronenschwerpunkt. Erfrischend, nicht zu süß. Ein hoher Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen und wenig Kalorien soll die Brause von anderen alkoholfreien Biermischgetränken unterscheiden. Mit diesem Produkt auf Werbefeldzug zu gehen, war dann auch nicht allzu schwer. Dem sportlich-gesunden Biozeitgeist folgend, hat man die großen Kölner Sportvereine, die schon für das Gaffel-Kölsch geworben haben, mit ins Boot genommen und die Fassbrause in kürzester Zeit etabliert. Im April 2010 kam sie auf den Markt, nach drei Monaten hatte Gaffel schon seinen geplanten Jahresabsatz erreicht und kämpfte mit Lieferengpässen.

Eine Zitrone will die Welt erobern

Bei aller Freude über den grandiosen Erfolg darf man nicht vergessen, dass die Fassbrause keine rein kölsche Erfindung ist. Die osttdeutsche Brauerei Torgau hat schon im Jahr 2000 eine Fassbrause mit Malzextrakten auf den Markt gebracht. Die Rezeptur unterscheidet sich allerdings von der Kölner Brause – und es gibt sie in vier Geschmacksrichtungen. Mit der Ostalgiewelle und einer Portion Zeitgeist hat "Zille's Fassbrause" zumindest in Berlin und den neuen Bundesländern einen gewissen Kultstatus bekommen.

Gaffels Fassbrause - Kronkorken solo, 23.03.2010; Copyright: Privatbrauerei Gaffel
Bild: Privatbrauerei Gaffel

Auch die Gaffel-Strategen wollen über die regionalen Grenzen hinaus. "Wir haben schon Anfragen aus dem Ruhrgebiet, aus Hessen, aus München, aus Hamburg“, freut sich Thomas Deloy, "Da stehen wir vor ganz neuen logistischen Herausforderungen und gucken jetzt, wie wir am besten die ganze Nation mit Fassbrause erfreuen können." Allerdings soll es dabei erst mal bei der Zitronen-Fassbrause bleiben.

Der amerikanische Getränkeriese Coca-Cola beobachtet diese Entwicklungen natürlich und so ist ihm auch nicht entgangen, dass da eine Kölner Brauerei mit einem alkoholfreien Erfrischungsgetränk den rheinischen Markt aufmischt. Bisher ist in den rheinischen Gaststätten aber nur der Absatz von Apfelschorle zugunsten der Fassbrause zurückgegangen. Das schwarz-braune Zuckerwasser aus John Pembertons Apotheke ist nach wie vor die unangefochtene Nummer eins bei den alkoholfreien Muntermachern – auch im traditionsbewussten Köln. 125 Jahre Erfolgsgeschichte sind so schnell nicht zu toppen.

Autorin: Silke Wünsch

Redaktion: Marlis Schaum