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Container bleiben Mangelware

23. Februar 2021

Trotz - und wegen - Corona-Pandemie samt Lockdown ist die Nachfrage nach Containertransporten seit fast sechs Monaten in die Höhe geschossen. Und mit ihr die Frachtraten und Gewinne der Reeder.

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Asien Container-Schiff Handel Wirtschaft
Bild: picture-alliance/dpa/McPhoto

"Wir sehen seit dem dritten Quartal eine enorm gestiegene Nachfrage, die wir so in der Industrie noch nie gesehen haben", sagt Nils Haupt von der Container-Reederei Hapag Lloyd. Eine unvorhergesehene, aber für die Containerreeder sehr erfreuliche Entwicklung, nachdem das Geschäft in den letzten zwölf Jahren schlecht lief und dann im letzten Jahr auch noch die Corona-Pandemie dazu kam.

Im Januar und Februar 2020 sei die Schifffahrt schwer getroffen worden, weil mit dem Stillstand der Produktion in China auch der Exportstrom aus Asien versiegte, erzählt Haupt im Gespräch mit der DW. "Dann drehte sich das Blatt und es gab einen absoluten Einbruch der Nachfrage in den USA, in Europa und in Südamerika, sodass zwar in China wieder produziert, aber nur wenig transportiert wurde. In der Schifffahrtsbranche ging man davon aus, dass das für Wochen und Monate so bleibt," sagt Haupt.

Lockdown sorgt für Boom in der Containerschifffahrt

Im August aber wendete sich das Blatt für die Containerschifffahrt erneut. Seitdem übersteigt die Nachfrage nach Containertransporten das Angebot deutlich. Mit zu diesem Boom beigetragen hat ausgerechnet der Lockdown. Viele Menschen arbeiten zu Hause und geben weniger Geld für Reisen oder Dienstleistungen aus. Wem es in den eigenen vier Wänden dann zu langweilig wird und wer das Geld nicht einfach nur aufs Konto legen möchte, der investiert - in neue Möbel, Unterhaltungselektronik, Sportgeräte oder Fahrräder. Zudem füllen Großunternehmen und Großhändler wieder ihre Lager.

Mit dem unerwartet deutlichen Wachstum der Transportnachfrage konnte das Flottenwachstum nicht mithalten. "Viele Reeder haben sich in den vergangenen Jahren von vielen älteren Schiffen getrennt ", sagt Burkhard Lemper vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) und Professor an der Hochschule Bremen. Außerdem wären sie auch bei der Bestellung neuer Schiffe zurückhaltend gewesen. Vor allem seien nach Beginn der Corona-Krise im letzten Jahr nochmal einige Aufträge zumindest verschoben worden.

"Die größte Sorge, die wir im Moment haben, ist, dass es tatsächlich gar keine Schiffe mehr auf dem Markt gibt," berichtet Haupt von Hapag Lloyd. Zurzeit wäre es auch nicht möglich, Schiffe zusätzlich zu chartern. "Alle Schiffe, die Container transportieren können und die nicht in der Werft liegen müssen, sind unterwegs. Alle Container, die verfügbar sind, sind unterwegs", bestätigt auch Ralf Nagel vom Verband deutscher Reeder (VDR).

Deutschland | Containerbrücke im Hamburger Hafen
Fahrräder, Möbel, IT - meist muss die Ware per Schiff in Containern transportiert werdenBild: Daniel Reinhardt/dpa/picture alliance

Verzögerungen beim Transport verknappen das Angebot

Nicht nur, dass es zu wenig Schiffe gibt, durch die riesige Nachfrage und Corona kommt es zudem zu massiven Störungen in den Häfen und beim Weitertransport ins Hinterland. In Los Angeles beispielsweise müssen Schiffe ungefähr zehn Tage warten, bis sie überhaupt in den Hafen einfahren können. Personelle Engpässe wegen Lockdown-Maßnahmen, Erkrankungen und Quarantäne verschärfen die Lage. Auch steckten in der Pandemie ganze Crews fest. "Nach wie vor befinden sich in etwa 400.000 Seeleute auf Schiffen, die nicht planmäßig abgelöst werden können", sagt Hartmann, Präsident des VDR.

Eine weitere Folge: Leercontainer sind im Moment Mangelware. Durch die ganzen Verzögerungen in Häfen, in Kanälen und beim Landtransport sind Container viel länger unterwegs als normalerweise. Allein im Januar kamen die Schiffe von Hapag Lloyd auf den am meisten befahrenen Strecken Richtung Fernost im Durchschnitt 170 Stunden, also rund sieben Tage, zu spät. Auf den Transpazifikrouten waren es sogar 250 Stunden.

Außerdem stehen Container häufig länger beim Kunden, bis sie bearbeitet werden können. "Wir haben im vergangenen Jahr und Anfang diesen Jahres 300.000 neue Container angeschafft und selbst das reicht noch nicht", sagt Haupt. Einfach neue dazu kaufen, ginge auch nicht, denn auch die Hersteller von Containern arbeiteten ihrerseits an der Grenze und die Preise seien enorm gestiegen, so Haupt.

Hohe Frachtraten, hohe Gewinne der Reeder

Die hohe Nachfrage bei begrenztem Angebot führte zu stark gestiegenen Frachtraten. Glücklich schätzen können sich diejenigen, die vor dem Boom einen längerfristigen Vertrag geschlossen haben. Sie merken, sofern der Vertrag nicht neu verhandelt werden musste, wenig von den Preissteigerungen. Wer jetzt aber kurzfristig Transportkapazitäten braucht, muss zum Teil viel Geld in die Hand nehmen und froh sein, wenn seine Waren überhaupt befördert wird. "Im Moment ist es fast unmöglich, kurzfristig Kapazität auf dem Schiff zu bekommen", bestätigt Haupt.

Auch wenn die kurzfristigen Frachtraten für Container zum Teil enorm angesteigen sind - sie liegen immer noch unter dem Niveau von 2008
Auch wenn die kurzfristigen Frachtraten für Container zum Teil enorm angesteigen sind - sie liegen immer noch unter dem Niveau von 2008Bild: Marcus Brandt/dpa/picture-alliance

Die Frachtraten seien im Moment ungefähr drei bis viermal höher, als vor einem Jahr waren, so Haupt. Vor allem bei Fracht aus China. Es gebe aber auch andere Gebiete, in denen sich die Frachtraten kaum verändert hätten. Die durchschnittliche Frachtrate sei bei Hapag Lloyd im Vergleich zu 2019 um vier Prozent gestiegen, so Haupt.

Reeder fahren Gewinne ein

Deutschlands größte Container-Reederei Hapag-Lloyd hat der Boom insgesamt ein gutes Jahr 2020 beschert. Dieses Jahr rechnet der Konzern mit einer deutlichen Gewinnsteigerung. Im ersten Quartal könnte ein Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) von mindestens 1,25 Milliarden Euro erwirtschaftet werden. Im Vorjahreszeitraum lag der Wert mit 160 Millionen Euro mehr als deutlich darunter.

Auch die weltgrößte Container-Reederei Maersk machte im vierten Quartal 2020 einen bereinigten operativen Gewinn von 2,71 Milliarden Dollar (rund 2,23 Milliarden Euro). Die Dänen rechnen damit, dass die Gewinne auch in diesem Jahr steigen.

Und wie lange geht das noch weiter?

"Im Moment haben wir volle Schiffe von China, nach USA und Europa", sagt Haupt von Hapag Lloyd. Er rechnet damit, dass sich die massive Nachfrage bis in den April hineinzieht. Es sei aber nicht zu erwarten, dass diese große Konsumfreude das ganze Jahr anhalten wird, meint er. "Wir sind eine sehr volatile Industrie. In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat man das immer wieder spüren können, dass es mal massiv runtergeht. Dann geht es wieder massiv hoch."

"Nach den Jahren des ungewöhnlichen Wachstums vor allem in der Containerschifffahrt Anfang der 2000er-Jahre und dem darauffolgenden Rückgang haben wir jetzt eine neue Normalität," sagt Ralf Nagel, vom Reederverband. "Die Größe der Seefahrtsflotte wird sich in den nächsten Jahren auf dem derzeitigen Stand halten", glaubt Alfred Hartmann vom VDR.

Eine schnelle Ausweitung der Schiffskapazität ist nicht in Sicht, denn schon 2019 gingen Aufträge für neue Schiffe um zehn Prozent zurück und auch im letzten Jahr wurde 50 Prozent weniger bestellt. Hapag Lloyd orderte kurz vor Weihnachten sechs neue Containerschiffe. Für den gegenwärtigen Boom nützt das allerdings nichts, da die Schiffe erst 2023 ausgeliefert werden. 

Insa Wrede, DW-Mitarbeiterin
Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion