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Corona: Deutschland lockert- und Lauterbach sorgt sich

5. April 2022

Deutschland hat fast alle Corona-Beschränkungen aufgehoben. Ob es noch zumindest eine abgespeckte Impfpflicht gibt, entscheidet sich wohl in dieser Woche.

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Gesundheitsminister Karl Lauterbach
Gesundheitsminister Karl LauterbachBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gibt in diesen Tagen offen zu, dass die Belastungen für die Regierung extrem hart sind. Der Krieg in der Ukraine, die Dauerabfolge von schlechten Nachrichten, und natürlich die Pandemie sorgen für permanenten Stress. Der Deutschen Presseagentur (dpa) verriet der SPD-Politiker "Die Aufgabe ist viel härter, als ich mir das vorgestellt hatte. Es ist eine Belastung, wie ich sie mir in dem Umfang nicht vorgestellt habe."

Seit Beginn der Corona-Pandemie war Lauterbach, Arzt und Virologe von Beruf, ein ständiger Mahner vor den Gefahren des Virus. Zunächst als Abgeordneter im Bundestag und Dauergast in den TV-Talkshows. Und dann seit dem Dezember des vergangenen Jahres als Minister in der neuen Regierung aus SPD, Grünen und FDP.  

Der Krieg ist jetzt wichtiger als die Pandemie

Die Corona-Pandemie ist in Deutschland, wie in vielen anderen Ländern auch, durch den Angriff Russlands auf die Ukraine fast aus den Schlagzeilen verschwunden. Lauterbach treibt das um, immer wieder erinnert er daran, dass die Virus-Gefahren noch nicht vorbei sind. Und dennoch musste er zustimmen, als die Regierung vor allem auf Druck der FDP jetzt die meisten Beschränkungen, die die Deutschen seit mehr als zwei Jahren belasten, aufgehoben hat. Masken-Pflichten in Supermärkten und in Schulen entfallen, auch alle Kontakt-Beschränkungen.

Coronavirus - Wegfall der Maskenpflicht
Eine Pflicht besteht nicht mehr: Ein Geschäft in Tübingen bittet zu Wochenanfang dennoch darum, weiter eine Maske zu tragenBild: Bernd Weißbrod/dpa/picture alliance

Und dass, obwohl sich die Infektions-Zahlen weiterhin auf hohem Niveau befinden und weiterhin jede Woche hunderte COVID-Patienten in Deutschland sterben. Die Wahrscheinlichkeit, im Krankenhaus zu landen oder sogar zu versterben ist dabei für Ungeimpfte deutlich höher als für Geimpfte. Die jetzige Aufhebung etwa der bundesweiten Maskenplicht wird damit begründet, dass die zwar sehr ansteckende, aber im Verlauf milde Omikron-Variante des Virus, das zulässt. Mit einer neuen Virus-Variante könnte sich das wieder ändern.

Lauterbach kassiert Anordnung zur Quarantäne 

Am Dienstag kündigte Lauterbach dann noch an: Vom 1. Mai an ist die Quarantäne für Menschen, die sich mit dem Virus angesteckt haben, nur noch freiwillig.Bislang müssen positiv Getestete sich für zehn Tage zurückziehen und können sich nach sieben Tagen mit einem negativen Test aus der Quarantäne befreien. Diese Maßnahme nahm Lauterbach dann aber später wieder zurück und erklärte: "Hier habe ich einen Fehler gemacht. Das entlastet zwar die Gesundheitsämter, Aber das Signal ist falsch und schädlich." Ein Zeichen dafür, wie nervös die Regierung gerade bei der Pandemie-Bekämpfung ist.

24 Prozent sind nicht geimpft

Auch beim Thema Impfpflicht sind Lauterbach und die neue Regierung nicht so weit gekommen, wie zunächst geplant: Nach ihrem Amtsantritt hatten sie sich im Dezember für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen. Aber sie mussten bald feststellen, dass ihr dafür im Bundestag eine eigene Mehrheit fehlte. Vor allem viele Politiker der FDP waren dagegen. Die Regierung rief deshalb dazu auf, ohne Partei - und Fraktionszwang quer durch alle politischen Richtungen nach einer Mehrheit zu suchen.

Die Begründung für diese Pflicht, die es in kaum einem anderen Land gibt: Zu Beginn dieser Woche waren rund 76 Prozent der Menschen in Deutschland vollständig geimpft. Aber eben 24 Prozent nicht. Zu viel, um ohne Sorge auf den nächsten Herbst und den Winter zu schauen, wenn die Infektionen nochmals steigen könnten. Aber noch einen Winter mit möglichen Beschränkungen mag sich niemand vorstellen.  

Verwirrende Debatten um eine Impfpflicht

Tatsächlich will der Bundestag am Donnerstag über eine Pflicht zur Impfung gegen das Corona-Virus beraten. Was dort aber genau beschlossen wird, ist offen. Lange hatte eine Gruppe vor allem von Abgeordneten der Regierungsparteienfür eine allgemeine Impfpflicht für alle Menschen in Deutschland über 18 Jahren geworben.  Aber genug Stimmen für eine Mehrheit konnte auch diese Gruppe nicht sammeln. Deshalb präsentierte sie jetzt einen Kompromiss: Jetzt schlägt die Gruppe vor, alle Menschen , die älter als 50 sind, verpflichtend zu impfen. Und der Bundestag soll im September noch mal prüfen, ob nicht auch andere Alters-Gruppen geimpft werden müssen. Eine Art kleine Impfpflicht also. Dazu sagte einer der Initiatoren, Till Steffen von den Grünen, am Montag : "Wir müssen die Impfquote bis zum Herbst steigern. Sonst können wir uns das alles hier sparen." Janosch Dahmen, ebenfalls von den Grünen und Arzt von Beruf, ergänzt: "Es ist die verbreitete Meinung in der Wissenschaft, dass die Pandemie nicht vorbei ist. Und dass die Pandemie mit Omikron vermutlich nicht die letzte Variante erlebt hat. Wir wollen nicht Ansteckungen vermeiden, sondern es geht darum, Hospitalisierungen und schwere Erkrankungen zu verhindern. Weil dass unser Gesundheitswesen erneut schwer belasten würde."

CDU und CSU sind dagegen - aber es gibt Druck aus den Ländern 

Aber auch wenn die Initiatoren des Antrags versichern, ihr Vorschlag sei gerichtsfest, hat die Unions-Fraktion von CDU und CSU eben genau daran Zweifel. Warum müssen sich Menschen über 50, wenn auch verwundbarer als jüngere Menschen, verpflichtend impfen lassen, die Altersgruppen davor aber zunächst nicht?

ARD Talkshow Anne Will | Dr. med. Janosch Dahmen | Bündnis 90/Die Grünen
Janosch Dahmen (Grüne): "Wir wollen keine Infektionen verhindern, sondern schwere Erkrankungen"Bild: Müller-Stauffenberg/imago images

Die Union werde dem Antrag am Donnerstag nicht zustimmen, so deren gesundheitspolitischer Sprecher Tino Sorge. Er sagte über den veränderten Antrag: "Er hat einen doppelten Boden: Hinter der anfänglichen Impfpflicht ab 50 verbirgt sich eine Impfpflicht ab 18, an der Teile der Ampel offenbar verzweifelt festhalten." Die Ampel, das ist nach den Parteifarben Rot, Grün und Gelb die neue Regierung von SPD, Grünen und FDP.

Lauterbach: "Wer dagegen ist, riskiert Leid im Herbst"

Gesundheitsminister Karl Lauterbach war schon lange für eine Impfpflicht eingetreten. Zu Wochenbeginn erklärte in Berlin: "Zentral ist, dass wir damit die Älteren sofort schützen. Wer aber dagegen stimmt, riskiert erneut Lockdowns und Leid im Herbst."

Deutschland | Coronavirus |  Maskenpflicht in der Frankfurter Innenstadt
Auch wenn die Pflicht zum Tragen einer Maske weitgehend entfällt: Die Menschen bleiben vorsichtigBild: Florian Gaul/greatif/picture alliance

Lauterbach weiß aber auch: In den Ländern sind eigentlich alle 16 Ministerpräsidenten dafür, jetzt bei der Bekämpfung der Pandemie nicht nachzulassen. Wenn auch alle Beschränkungen erstmal wegfallen, haben Regionen und damit auch die Länder die Möglichkeit, sich zu "Corona-Hotspots" zu erklären und bestimmte Beschränkungen wie eben das Tragen von Masken doch noch anzuordnen. Die Länder Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern haben das schon getan. Vielleicht wächst ja bis Donnerstag der Druck auf die Abgeordneten der Union noch, wenigstens der kleinen Impfpflicht zuzustimmen.  Am Mittwoch zeichnete sich dann doch ab, dass die Union womöglich einer Impfplicht ab 60 Jahren zustimmen könnte. 

Die Bevölkerung will vorsichtig bleiben

Die Politik pendelt also zwischen Öffnungswillen und Vorsicht. Die Bevölkerung offenbar auch. Eine Beobachtung in den ersten Tagen nach Wegfall der Maskenpflicht: Im Supermarkt in Berlin-Steglitz gibt es kaum jemanden, der keine Maske trägt. Eine Umfrage des Instituts Civey zeigte jetzt: Fast 70 Prozent der Menschen wollen weiterhin eine Maske tragen, auch wenn die Pflicht dazu weg fällt. Die Menschen blieben also vorsichtig. Noch.