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Politik

Corona: Deutschland vor "schwierigen Wochen"

13. November 2021

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Neuinfektionen steigt weiter, die Lage in den Kliniken spitzt sich zu, Mediziner fordern wirksamere Maßnahmen. Der Kampf gegen die Ansteckungen im Überblick.

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Coronavirus - Testzentrum
Eine Patientin an der von einer Arztpraxis betriebenen Corona-Teststelle in HannoverBild: picture alliance/dpa

Die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht Deutschland vor "schwierigen Wochen". Vor einem Jahr sei man in einer ähnlich ernsten Lage gewesen, doch nun gebe es Impfstoffe, sagte sie in ihrem wöchentlichen Video-Podcast. "Wir müssen nur zugreifen, schnell zugreifen." Jeder Corona-Kranke solle die bestmögliche Behandlung bekommen, aber auch für jeden anderen Behandlungsbedürftigen solle es Platz und Personal in den Krankenhäusern geben.

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Neuinfektionen steigt seit mehr als einer Woche kontinuierlich an. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) erhöhte sich der Wert auf 277,4 und erreichte damit den sechsten Tag in Folge einen neuen Höchststand. Corona-Hotspot in Deutschland ist der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit 1146,2.

Schnelltests wieder kostenlos

Der Bund führt das erst vor einem Monat stark eingeschränkte Angebot der "Bürgertests" erneut auf breiter Front ein. Das legt eine Verordnung des geschäftsführenden Gesundheitsministers Jens Spahn fest. Damit haben nun wieder alle Anspruch auf mindestens einen Schnelltest pro Woche durch geschultes Personal - unabhängig vom Impf- oder Genesenenstatus. Die Testbescheinigungen können auch als Nachweis bei Zugangsregeln zu bestimmten Innenräumen und Veranstaltungen dienen. 

Allerdings sind vielerorts die Teststellen nach dem weitgehenden Aus für die Gratis-"Bürgertests" zum 11. Oktober aufgegeben worden. Nun können bestehende Anbieter die Arbeit fortsetzen. Die Länder können zudem weitere Testzentren beauftragen. 

Coronavirus - Straubing
In den Krankenhäusern in Niederbayern spitzt sich die Lage zuBild: picture alliance/dpa

Bericht : Bundeswehr will Soldaten mobilisieren

Die Bundeswehr bereitet sich nach einem "Spiegel"-Bericht auf eine bundesweite Corona-Notlage vor. Der zuständige Generalleutnant Martin Schelleis will deswegen bis zu 12.000 Soldaten zur Unterstützung der Kliniken und Gesundheitsämter mobilisieren. Die Soldaten sollen demnach auch für Booster-Impfungen Schnelltests vor Pflegeheimen und Hospitälern bereitstehen.

Kliniken am Anschlag

Aufgrund der stark steigenden Corona-Infektionszahlen spitzt sich die Lage in den Kliniken im Süden und Osten Deutschlands dramatisch zu. In Bayern und Baden-Württemberg würden bereits "täglich Verlegungen zwischen Krankenhäusern zum Ausgleich und zum Erhalt der Funktionsfähigkeit durchgeführt", zitieren die Zeitungen der Funke Mediengruppe aus einem vertraulichen Bericht der Länder. Auch in Hessen werde es immer schwieriger, Patienten auf den Intensivstationen unterzubringen.

Berlin Innenminister Horst Seehofer
Der geschäftsführende Innenminister Horst Seehofer hofft sehr auf bundeseinheitliche RegelungenBild: Ina Fassbender/AFP/AP/picture alliance

Das RKI fordert angesichts der Wucht der vierten Welle die Rückkehr zu massiven Einschränkungen. Es rief alle Bürger auf, ihre Kontakte zu reduzieren.

Mediziner warnen

Intensivmediziner-Präsident Gernot Marx sieht viele Kliniken bereits in einer "echten Notsituation". In Sachsen, Thüringen und Bayern sei die Lage wegen der stark angestiegenen Zahl der Intensivpatienten "schon jetzt sehr, sehr angespannt", sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Charité im Ballungsraum Berlin habe schon alle planbaren Operationen abgesagt.

35 führende Mediziner und Wissenschaftler aus ganz Deutschland haben Bund und Länder zu einem Umsteuern in der Corona-Politik aufgefordert. Jeder Tag des Abwartens koste Menschenleben, heißt es in ihrem Aufruf.

Merkel und Seehofer fordern einheitliche Regeln

Kanzlerin Merkel fordert ein einheitliches und rasches Vorgehen von Bund und Ländern in der Corona-Politik. Vor allem bei der sogenannten Hospitalisierungsrate, also der Zahl der Krankenhauseinweisungen pro 100.000 Einwohnern, müsse "sehr schnell" ein Schwellenwert festgelegt werden, ab dem zusätzliche Schritte eingeleitet werden müssten. Ferner verlangt Merkel in ihrem Podcast mehr Tempo bei den Auffrischungsimpfungen. 

Auch der geschäftsführende Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte der "Augsburger Allgemeinen", er hoffe sehr auf klare, bundeseinheitliche Regelungen. "Wir dürfen die Bevölkerung nicht länger verwirren." Niemand könne im Ernst erwarten, "dass sich noch jemand auf eigene Rechnung testen lässt, wenn er danach in Quarantäne keine Lohnfortzahlung bekommt". Seehofer mahnte im Kampf gegen die vierte Welle eine gemeinsame Kraftanstrengung von scheidender Bundesregierung und möglicher Ampel-Koalition an.

Lindner: Debatte ist "missverständlich"

Trotz der hohen Infektionszahlen wollen die potenziellen Regierungspartner SPD, Grüne und FDP die epidemische Lage von nationaler Tragweite am 25. November auslaufen lassen. Die Debatte darüber sei jedoch "missverständlich", sagte der FDP-Vorsitzende Christian Lindner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Mit diesem Wort werden rechtliche Sonderbefugnisse der Regierung gemeint, die aber das Parlament ausfüllen kann. Und es geht um Maßnahmen wie Ausgangssperren, die inzwischen von Gerichten verworfen wurden." 

SPD Politikerin Bärbel Bas
Die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas rät zum Verzicht auf Weihnachtsfeiern (Archivbild)Bild: Christoph Reichwein/imago images

Die Unionsfraktion will sich einem Medienbericht zufolge im Bundestag für eine Verlängerung der epidemischen Lage einsetzen. Auch drei Länder-Gesundheitsminister der Grünen sprechen sich für ihren Fortbestand aus - trotz der Pläne der möglichen Ampel-Regierung.

"Die 2G-Regel sollte selbstverständlich sein" 

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas rät derweil zum Verzicht auf größere Weihnachtsfeiern. "Alle Bürgerinnen und Bürger sollten für sich entscheiden, ob sie in diesem Winter an Weihnachtsfeiern oder an Karnevalssitzungen teilnehmen wollen", sagte die SPD-Politikerin den Funke-Zeitungen. "Wenn solche Veranstaltungen überhaupt stattfinden, sollte die 2G-Regel selbstverständlich sein. Ich appelliere an alle, auf größere Feiern zu verzichten."

nob/rb (dpa, rtr, afp)