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Corona gefährdet UN-Entwicklungsziele

3. Dezember 2020

Für die ärmsten Länder der Welt ist die Pandemie weniger ein gesundheitliches als ein wirtschaftliches Problem, so die UN-Organisation UNCTAD in einem neuem Bericht.

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 Demokratische Republik Kongo | Coronavirus | Schulstart
Temperaturmessung vor einer Schule in Kinshasa im August 2020Bild: Getty Images/AFP/A. Mpiana

Zu Beginn der Pandemie war die Sorge groß, dass das Coronavirus den ärmsten Ländern der Welt besonders stark zusetzen würde. Wenn schon die Gesundheitssysteme reicher Länder wie Spanien und Italien an ihre Grenzen stoßen, was würde dann erst in Ländern geschehen, die medizinisch viel schlechter versorgt sind?

Doch in den 47 Ländern, die in der Statistik der Vereinten Nationen die Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder ausmachen (Least Developed Countries - LDC), blieb die medizinische Katastrophe aus. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD), ein UN-Organ mit Sitz in Genf.

Infografik Health systems in LDCs remain weak DE

Diese Länder "haben die Gesundheitsaspekte der Pandemie besser überstanden als anfänglich vorhergesagt", heißt es im Bericht. Zu den Gründen gehören frühere Erfahrungen mit Epidemien, angemessene Reaktionen der Politik und nicht zuletzt eine im Schnitt sehr junge Bevölkerung sowie eine meist geringe Bevölkerungsdichte. Dennoch sei nicht auszuschließen, dass sich die Situation durch eine zweite Infektionswelle auch in diesen Ländern verschärft.

Wirtschaftlich ist die Pandemie für die ärmsten Länder dagegen "verheerend" und die "schlechteste ökonomische Entwicklung seit 30 Jahren", so der Bericht. Während ihre Wirtschaft vor einem Jahr noch im Schnitt um fünf Prozent jährlich wuchs, wird für dieses Jahr ein Minus von 0,4 Prozent erwartet. In der Folge werden sich die Durchschnittseinkommen in 43 der 47 Staaten noch weiter verringern.

Infografik Karte Länder in Armut DE

Die LDC stellen schon heute mehr als die Hälfte aller Menschen weltweit, die in extremer Armut leben und mit weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag auskommen müssen. Dabei macht ihr Anteil an der Weltbevölkerung nicht einmal 14 Prozent aus.

Extrem abhängig

Hauptgrund für den wirtschaftlichen Absturz sind aber nicht Geschäftsschließungen und andere lokale Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie, sondern die Rezession der Weltwirtschaft.

"Dadurch die ist Nachfrage aus dem Ausland nach Gütern und Dienstleistungen stark eingebrochen", heißt es im Bericht. Der daraus resultierende Preisverfall ist besonders problematisch, weil die ärmsten Länder nur wenig haben, was überhaupt international verkäuflich ist. Länder wie Angola, Chad oder Mosambik sind abhängig vom Öl, die Demokratische Republik Kongo, Sambia oder Guinea von Mineralien und Metallen, Bangladesch, Kambodscha oder Nepal vom Textilverkauf und Inselstaaten wie Vanuatu oder Sao Tome and Principe vom Tourismus.

Eine weitere wichtige Geldquelle sind Geldüberweisungen, die Familien von Verwandten erhalten, die im Ausland leben und arbeiten. Durch die Pandemie sind diese sogenannten Remittances stark eingebrochen, laut Bericht um mindestens 20 Prozent, in den Ländern südlich der Sahara auch mehr.

Und so werden sich die Haushaltslöcher in den ärmsten Ländern der Welt laut UNCTAD in diesem Jahr noch vergrößern, von zuletzt minus 4,6 Prozent auf minus 6,8 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Mehr als früher sind die Länder daher auf Entwicklungshilfe angewiesen. Deren Volumen stagniert allerdings seit 2013, wie der Bericht anmerkt, auch weil "die geldgebenden Länder ihr langjähriges Versprechen nicht einhalten", ihre Hilfszahlungen an die Ärmsten auf ein Niveau zu heben, das 0,15-0,2 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung entspricht.

Millionen mehr in extremer Armut

Die globale Rezession ist auch ein Rückschlag im Bestreben, die Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zu erreichen. So sollen bis zum Jahr 2030 extreme Armut und Hunger beendet werden. Doch allein in den am wenigsten entwickelten Ländern wird der Anteil der Menschen in extremer Armut von 32 auf 35 Prozent ansteigen. "Das entspricht einem Anstieg von 32 Millionen Menschen", so der Bericht.

Auch andere Ziele, etwa zur Gesundheit, Bildung und Geschlechtergerechtigkeit, seien in Gefahr. "Die LDC sind das Schlachtfeld, auf dem sich der Kampf um die Nachhaltigen Entwicklungsziele für 2030 entscheidet", heißt es dort weiter.

Die Pandemie habe wieder einmal all die Fehler und Ungerechtigkeiten im globalen Handels- und Finanzsystem deutlich gemacht. Um die Lage der ärmsten Länder nach der Krise zu verbessern, drängt die UNCTAD auf Handelserleichterungen für den Export und strukturelle Reformen in den Ländern selbst.

Ebenso wichtig sei aber eine Erleichterung der Schuldenlast, "die weit über das Schuldenmoratorium hinausgeht, das die G20 im April 2020" beschlossen haben". Mit anderen Worten: Die ärmsten Länder brauchen nicht nur einen Zahlungsaufschub, sondern einen Schuldenschnitt, so die UNCTAD.

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.