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Politik

Corona-Impfstoff für EU zugelassen

Barbara Wesel
21. Dezember 2020

Die Europäische Arzneimittelbehörde und die EU-Kommission machen den Weg frei für den Einsatz des ersten Corona-Impfstoffs in der EU. Das Vakzin von BioNTech-Pfizer könne als sicher empfohlen werden, so die Experten.

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Deutschland | Coronavirus | Impfstoff
Bild: Dado Ruvic/REUTERS

Nach der Empfehlung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) hat die EU-Kommission den von BioNTech-Pfizer entwickelten Impfstoff für die EU zugelassen. Das gab Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekannt. 

Die Europäische Arzneimitelbehörde (EMA) in Amsterdam hatte zuvor eine vorläufige Marktzulassung für den von BioNTech-Pfizer entwickelten Impfstoff erteilt. "Es ist ein historischer Erfolg", lobt EMA-Direktorin Emer Cooke. Man habe in elf Monaten geschafft, was normalerweise Jahre dauere. Aber nach Sichtung aller Daten gebe es jetzt eine sichere wissenschaftliche Basis dafür, den Impfstoff in der gesamten EU einzusetzen. Er könne für Menschen ab 16 Jahren empfohlen werden.  

Sicherheit vor Geschwindigkeit

Behördenchefin Cooke wehrt sich dabei noch einmal gegen Vorwürfe, das Amt habe nicht schnell genug gearbeitet. Die Kritik kam auf, nachdem der Impfstoff in Großbritannien und in den USA per Notverordnung schon vor Wochen zugelassen worden war. Es habe intensive interne Debatten darüber gegeben, sagt Cooke, wobei manche für eine schnellere Genehmigung plädiert und andere gegen eine zu schnelle Anwendung argumentiert hätten.

Aber nach der sorgfältigen Analyse der klinischen Studie mit rund 40.000 Teilnehmern könne man jetzt erklären: "Die Vorteile des Impfstoffs überwiegen mögliche Risiken". Die EMA habe zudem über eine Masse an zusätzlichen Daten verfügt, die noch bis zum letzten Tag aus bereits laufenden Impfkampagnen geliefert wurden, mehr Daten als jede andere Zulassungsbehörde.

"Der Impfstoff hilft nur, wenn die Bürger genug Vertrauen in ihn haben", betont die Direktorin der EMA. Das Amt werde deshalb ausführliche Informationen zu seiner Sicherheit veröffentlichen. Dennoch warnt sie:"Wir sind noch nicht am Wendepunkt der Pandemie. Die Impfkampagne wird Zeit erfordern und auch wenn wir inzwischen schon eine Menge über das Virus wissen, brauchen wir noch mehr Informationen."

Niederlande l European Medicines Agency (EMA) in Amsterdam
Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) in Amsterdam hat nun grünes Licht für den Impfstoff gegeben Bild: Robin Utrecht/picture alliance

Die Behörde will weiterhin Daten aus allen anlaufenden Impfkampagnen sammeln. Jeden Monat soll ein Sicherheitsbericht erstellt werden, in dem alle Beobachtungen über mögliche Nebenwirkungen ausgewertet werden. Und es sind Folgestudien geplant, deren Ergebnisse laufend veröffentlicht werden sollen.

Die Frage nach politischem Druck zur Beschleunigung des Verfahrens wehren die Experten aus Amsterdam ab: Am Ende sei die Entscheidung von dem Zulassungs-Ausschuss bestehend aus Experten aller EU-Länder getroffen worden. Auf sie alle politisch Druck auszuüben, sei quasi unmöglich.

Wirkt der Impfstoff auch bei UK-Mutation?

Emer Cooke geht davon aus, dass der Impfstoff auch gegen neue Varianten des Virus wirksam sein könne. Jedenfalls gebe es keine Beweise für das Gegenteil, wie auch ein EMA-Experte für biologische Gesundheitsbedrohungen und Impfstoffe bekräftigt. Der Impfstoff sei auf die Rezeptoren auf der Oberfläche des Virus ausgerichtet und könne vermutlich auch Varianten davon neutralisieren, sagt Marco Cavalieri. Aber festlegen wollen sich die Experten noch nicht, man brauche mehr Informationen.

"Dies ist der erste MRNA-Impfstoff, den wir genehmigen", sagt Harald Enzmann als Vorsitzender des Arzneimittelausschusses, in dem Experten aller 27 EU-Mitgliedsländer vertreten sind. Man brauche mehr Erfahrungen mit seiner Wirkungsweise und wolle breit angelegte zusätzliche Untersuchungen durchführen.

Was die Experten noch nicht über den Impfstoff wissen, ist, ob er tatsächlich die Infektion mit dem Coronavirus verhindert oder sie nur so weit mildert, dass keine Erkrankung entsteht. Das würde bedeuten, dass auch geimpfte Menschen das Virus in sich tragen und eventuell weiter geben könnten. Eine Wissenslücke, die die Forscher so bald wie möglich durch die laufende Begleitung der Impfkampagnen schließen wollen. 

Großbritannien Blockade und Rückstau in Dover
Geschlossene Grenze Richtung Frankreich: Diverse Länder haben Verkehrsverbindungen zu Großbritannien eingestellt Bild: Stephen Lock/i Images/imago images

"Was uns erschrecken würde, wären multiple Variationen (des Virus) bei den Rezeptoren", erklärt Enzmann auf die Frage nach der jüngsten Mutation. Aber vor den Varianten, die man derzeit beobachte, habe man noch keine Angst.

Einschränkungen und Nebenwirkungen

Empfohlen wird der Impfstoff ab 16 Jahren, weil es für jüngere Jugendliche nicht genug Daten gibt. Ältere Menschen können dagegen von einer breiten Datenbasis profitieren. Unter den rund 40.000 Teilnehmern der klinischen Studie waren ausreichend viele Menschen über 75 Jahren vertreten, so dass er für sie uneingeschränkt empfohlen werden kann. Auch Patienten mit Bluthochdruck oder Übergewicht hatten an den Studien teilgenommen - die Daten für sie seien zufriedenstellend und die Anwendung sicher.

Wo weitere Beobachtungen nötig seien, ist die Wirkung bei Allergikern. In Großbritannien waren sechs Fälle von allergischen Reaktionen aufgetreten, in den USA wenige Fälle von anaphylaktischem Schock. Hier müsse man weiter untersuchen, wie sich der Impfstoff bei gewissen Patienten auswirke. 

BdT Deutschland Impfzentrum Freiburg Simulation Coronaimpfung
Studierende bei einem Probelauf in Freiburg: Die Menschen sollen 30 Minuten nach der Impfung beobachtet werden Bild: Philipp von Ditfurth/dpa/picture alliance

Auch für schwangere Frauen wird keine uneingeschränkte Empfehlung ausgesprochen. Es waren zu wenige Schwangere in den klinischen Studien vertreten, um deren Daten zu bewerten. Für sie soll der Impfstoff also nur von Fall zu Fall nach besonderer Indikation angewendet werden.

Abgesehen davon seien bisher nur milde Nebenwirkungen beobachtet worden, wie sie auch bei anderen Impfungen vorkommen: Schmerzen an der Einstichstelle, Kopfschmerzen, etwas erhöhte Temperatur, ein leichtes Krankheitsgefühl. Sie seien meist nach einem Tag verschwunden. Die Hersteller BioNTech-Pfizer seien jedenfalls verpflichtet, laufend weitere Beobachtungen aus der Anwendung des Impfstoffes an die EMA zu liefern.

Kein Wettlauf um den Impfstoff

EMA-Direktorin Cooke betont, dass durch die schnellere Zulassung etwa in Großbritannien kein Bürger dort eine größere Chance auf den Impfstoff habe. Die Verteilung erfolge proportional an alle europäischen Länder, je nachdem wie viele Optionen im vorab angekauft worden seien. Die Dosen für Deutschland etwa seien teilweise schon eingelagert. Alle EU-Länder wollen direkt nach Weihnachten mit den Impfungen beginnen.

Der Europaabgeordnete Peter Liese bestätigt, dass ein neues Werk zur Herstellung des Impfstoffs in Marburg kurz vor der Eröffnung stehe: "Nach meinen Informationen liegen alle nötigen Genehmigungen vor. BioNTech hat mit versichert, dass falls dieses Werk im Februar seinen Betrieb aufnimmt, 50 Millionen Dosen noch vor dem Sommer zu Verfügung stehen können, die wir erst danach hätten bekommen sollen".

In den nächsten Monaten werde Impfstoff, der schon angewendet werden dürfe, knapp werden. Am 6. Januar will sich die EMA mit der Zulassung des zweiten MRNA-Impfstoffes von US-Hersteller Moderna befassen. "Niemand hat genug Impfstoff um auch nur die Risikogruppen zu impfen. Das wird sich aber im Frühjahr bessern, je nach dem wie der weitere Ausbau des Produktionsprozesses gelingt", erklärt Peter Liese, der sich im Laufe der Pandemie zum Impfstoffexperten des Europaparlaments entwickelt hat.