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Corona: Kunstausstellung trotz Pandemie

16. Januar 2021

Im Bottroper Impfzentrum trifft Medizin auf Kunst. Skulpturen von Gereon Krebber geben der Corona-Gefahr eine sichtbare Form.

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Eine menschenähnliche Figur liegt auf einem Hallenboden
Bild: Gereon Krebber

Ein rosafarbener menschenähnlicher Körper liegt auf dem Hallenboden. Eine felsenartige Skulptur reckt furchteinflößend eine Art Bärenkralle in die Höhe, ein aufgeschnittener Schlauch liegt hilflos auf dem Rücken, während aufgeschlagene Marmorblöcke Einblicke in ihr Inneres gewähren. Der Bildhauer Gereon Krebber, Kunstprofessor an der Düsseldorfer Kunstakademie, hat die nüchterne Stahl-Beton-Halle des Bottroper Impfzentrums kurzerhand in eine Skulpturenlandschaft verwandelt.

Zwei Wochen, bevor die ersten Freiwilligen zu Impfungen eintreffen, kam Bottrop so – gleichwohl unverhofft – zu einem neuen Kulturort. Der lenkt jetzt viele neugierige Blicke in die Ruhrgebietsstadt, denn wie überall im Land steht das Kulturleben auch hier still: Das jährliche Orgelfestival, das Figurentheaterfestival, alles muss pandemiebedingt pausieren. Und auch im wichtigsten Haus am Platz, dem Josef Albers-Museum, benannt nach dem einstigen Bauhaus-Lehrer und großen Sohn der Stadt, geht nichts mehr.

Porträt des Bildhauers Gereon Krebber
Der Bildhauer Gereon KrebberBild: Manfred Förster

Gereon Krebber, ein Bottroper Jung

Da kommt die Skulpturenschau im Impfzentrum, wie Stadtsprecher Alexander Pläsken gegenüber der DW im Stile eines echten Ruhrpöttlers festhält, ganz gelegen: "In Bottrop jibbet halt, wat et hier jibt!" ("In Bottrop gibt es eben, was es hier gibt!"). Schon zuvor hatte der Künstler seine Kunstwerke auf dem Gelände gelagert. "Um die Ecke ist mein Depot", erzählt Krebber, "der Vermieter kam im Sommer und fragte, 'Hör mal, ich muss hier der Stadt Räume geben. Willste nicht auch noch was machen?'" So habe sich das Projekt ergeben, Krebbers Kunst gelangte ins Impfzentrum. Zumal den neuen Anbau des Josef-Albers-Museums eigentlich der Wahl-Düsseldorfer Gereon Krebber mit einer Skulpturen-Schau füllen sollte, auch er ein Bottroper Jung. Doch auch das ist jetzt ins Wasser gefallen - wegen Corona.

Skulptur von Gereon Krebber
Skulptur von Gereon KrebberBild: Gereon Krebber

Ein schöner Zufall, dass nun ausgerechnet das nagelneue Impfzentrum zum Kunst-Hotspot geworden ist - zu einem Zeitpunkt, da es seine Pforten - mangels Impfstoff - noch gar nicht geöffnet hat. So kommt es, dass - noch während mobile Impfteams durch die Seniorenheime der Stadt ziehen, um erste Immunisierungen gegen das Coronavirus zu verabreichen - die Kunst schon wirkt. Wenn nicht gegen das Virus, so doch gegen die Angst davor.

Alexander Pläsken, Sprecher der Stadt Bottrop
Gelassen: Stadtsprecher Alexander PläskenBild: Pressestelle Stadt Bottrop

Kein Illustrator der Pandemie

"Ich wollte Bilder für etwas finden, was mikroskopisch da ist, aber nicht sichtbar", sagt Krebber im Gespräch mit der DW, Bilder für die unsichtbare, tödliche Gefahr. Seine Skulpturen sind eine Mischung aus amorphen und architektonischen Formen – kein Wunder nach dem Studium bei zwei Künstlern mit gegensätzlicher Formensprache: Tony Cragg und Hubert Kiecol. Krebber sieht sich als "Bildhauer des Zwiespalts", aber ganz wichtig ist ihm auch: "Ich will nicht als Illustrator der Pandemie dastehen!" Ihm geht es um Analogien. Betrachter sollen sich in der Körperlichkeit seiner Werke wiederfinden.

So trägt das Bottroper Impfzentrum, das der Künstler auf eigene Rechnung bestückt hat, inzwischen sehr menschliche Züge: Nicht nur, dass Krebbers Arbeiten im Kontrast zur steril-weißen Medizinoptik stehen. Sie alle erfüllen auch, zur Eindämmung eventueller Feuergefahr im Falle eventueller Brandanschläge, sämtliche Anforderungen der Brandschutzklasse B1. "Ja", sagt Krebber, "der Ort ist echt hart."

Bottrop: Ein Impfzentrum als Skulpturenlandschaft
Bottrop: Ein Impfzentrum als SkulpturenlandschaftBild: Gereon Krebber

Das Schöne: Keiner muss hingucken

Sicherheitsleute patroullieren vor dem rot-weißen Gebäude, das zuvor ein Golf-Center war, inklusive Putting-Green aus Kunstrasen. Sie weisen jeden ab, der ins Impfzentrum möchte, sogar den Künstler. Anderswo mag der Zugang zur Kunst pandemiebedingt verboten sein. Hier gibt es die Kunst als kostenlose Dreingabe, der man kaum entgehen kann - zur Inspiration, zum Bestaunen oder auch nur zum Trost.

Aus Brandschutzgründen hat Krebber sogar den Hallenboden mit Plastikplane abdecken müssen. Das hebt seine Werke jetzt optisch auf ein Silbertablett, was viel künstlerischer wirkt als im Impfzentrum der bayerischen Stadt Straubing. Dort nämlich hängen schon seit Dezember Bilder von regionalen Künstlern an den Wänden. Kunst könne helfen, sagt Gereon Krebber, die seelische Belastung durch Corona in den Griff zu kriegen. "Aber man kann auch daran vorbeigehen und muss nicht hingucken. Das ist das Schöne!"