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Gesellschaft

Israels besondere Impfstrategie

Tania Krämer Jerusalem
9. Januar 2021

Israel macht mit einer schnellen Massenimpfung von sich reden. Gleichzeitig will das Land seinen dritten landesweiten Lockdown verschärfen - und Premier Benjamin Netanjahu die vorgezogenen Wahlen im März gewinnen.

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Israel Jerusalem | Coronavirusimpfung
In einem Impfzentrum in Jerusalem wird eine Israelin am 3. Januar gegen Covid-19 geimpft Bild: Ronen Zvulun/REUTERS

Rund zwei Wochen nach dem Beginn der Massenimpfung seiner Bevölkerung hat Israel sich an die Spitze der Länder mit der höchsten Impfrate gegen COVID-19 gesetzt und ist damit ins weltweite Rampenlicht gerückt. Laut Gesundheitsminister Yuli Edelstein und aktueller Zahlen haben bislang etwa 1,8 Millionen Israelis (Stand 09.01.2020) die erste Dosis des BioNTech-Pfizer Impfstoffs erhalten.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will die erfolgreiche Impfkampagne auch zu einem politischen Erfolg machen. Im Vergleich zu anderen Ländern, sei Israel "ein Weltmeister" im Impfengeworden, schrieb er auf Twitter.

Netanjahu, der bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im März mit der Likud-Partei wiedergewählt werden möchte, hat seinen Landsleuten versprochen, dass Israel das erste Land sein könnte, das aus der Pandemie herauskommen wird - wenn sich die Bürger impfen lassen.

Die israelische Regierung hatte sich frühzeitig mehrere Millionen Dosen des BioNTech-Pfizer-Impfstoffs gesichert, der aber nur nach und nach geliefert wird. Am Dienstag wurde der Impfstoff der US-Firma Moderna vom israelischen Gesundheitsministerium zugelassen. Dieser soll aber erst in den kommenden zwei Monaten ankommen.

"Es gibt eine Bereitschaft in der Gesellschaft, aus der Situation herauszukommen und so etwas wie Kontrolle über das Leben zu spüren. Der Impfstoff ist wie eine Metapher, damit die Menschen sehen, wir unternehmen gerade gewaltige Schritte, um aus der Corona-Pandemie herauszukommen," sagt Diane Levin-Zamir, Professor für Öffentliche Gesundheit an der Universität Haifa.

Verschärfung des Lockdowns 

Aber das Land kämpft auch mit stetig steigenden Coronavirus-Infektionen. 3.445 Menschen sind in Israel bislang an COVID-19 gestorben. Nun soll der bereits dritte landesweite Lockdown, der vor kurzem verhängt wurde, noch weiter verschärft werden. "Eine Impfung ist erst vollständig eine Woche nach der zweiten Impfung. In der Zwischenzeit steigt die Morbidität," warnte Gesundheitsminister Yuli Edelstein. Deshalb brauche es eine "baldige, vollständige Schließung".

Als Gründe für die schnelle landesweite Impfung weisen Gesundheitsexperten auf die relativ kleine Größe des Landes mit nur rund neun Millionen Einwohnern hin. Hinzu kommen die Verfügbarkeit von Impfstoff und das digitalisierte Gesundheitssystem.Jeder Bürger in Israel muss Mitglied in einer der vier Krankenkassen sein, die selbst Polikliniken betreiben. Die Impfkampagne läuft sowohl über diese Kliniken, als auch über Krankenhäuser und speziell eingerichtete Impfzentren, an sieben Tagen die Woche.

"Das Gesundheitssystem ist sehr breitflächig angelegt, so dass jede Nachbarschaft, jede Kleinstadt eine eigene Klinik hat", erklärt Diane Levin-Zamir, die auch Direktorin der Abteilung Gesundheitsbildung bei Clalit ist, eine der israelischen Krankenkassen. "Gleichzeitig gibt es ein zentrales Gesundheitssystem, alles ist miteinander vernetzt."

Menschen über 60, medizinisches Personal und Pfleger, sowie Menschen aus Risikogruppen werden als erstes geimpft. In sozialen Netzwerken gibt es aber auch Geschichten von jüngeren Impfwilligen, die eine überzählige Dose abbekommen, die sonst unbrauchbar werden würde.

BdTD Coronavirus | Proteste in Israel | Wasserwerfer gegen Ultraorthodoxe
Protest gegen den erneuten Lockdown: In Israel löst die Polizei eine Demonstration von ultraorthodoxen Juden aufBild: Ilia Yefimovich/dpa/picture alliance

Ramallah verhängt Ausgangssperre

Wann eine Impfkampagne für die rund fünf Millionen palästinensischen Einwohner im benachbarten israelisch besetzten Westjordanland und im Gazastreifen beginnt, ist allerdings noch ungewiss. Sowohl in dem von der Hamas kontrollierten Gazastreifen als auch im Westjordanland, das von der palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet wird, waren die Infektionsraten in den vergangenen Monaten gestiegen.

Die Regierung in Ramallah hatte nächtliche Ausgangssperren verhängt. Mehr als 1.600 Menschen sind bislang nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums an COVID-19 gestorben. Die hohen Infektionszahlen und die Berichterstattung über die Massenimpfungen im benachbarten Israel haben eine Diskussion unter Palästinensern ausgelöst, wann auch dort mit Impfungen begonnen wird.

Der Druck auf die finanziell angeschlagene Palästinensische Autonomiebehörde, Impfstoffe von Ländern und Pharma-Konzernen sicherzustellen, nimmt zu. "Wir geben unser Bestes, einen Impfstoff zu erhalten, und haben Anfragen bei verschiedenen Pharmakonzernen laufen," sagt Dr. Yaser Bouzieh, Direktor der Abteilung Öffentliche Gesundheit im palästinensischen Gesundheitsministerium. Einen Zeitplan gibt es nicht, aber man erwarte, "das Ende Februar, Anfang März erste Lieferungen ankommen könnten". 

Gaza Streifen | Lockdown wg Coronavirus
Auch im Gaza-Streifen wurden bereits mehrfach Lockdowns verhängtBild: picture-alliance/Pacific Press/R. Habboub

Impfstoffe für Palästinenser

Die palästinensische Autonomiebehörde setzt vor allem auf die Teilnahme an einem speziellen Programm der Weltgesundheitsorganisation WHO und der Gavi Vaccine Alliance. Das sogenannte Covax-Programm soll sicherstellen, das auch finanzschwache Länder ausreichend Zugang zu Impfstoffen bekommen. 92 Staaten nehmen an dem Programm teil und warten auf die Notfall-Zulassung der Impfstoffe durch die WHO, bevor die Verteilung in Phasen beginnen soll.

"Wir wissen noch nicht genau, wann Impfstoffe bereitgestellt werden, denn noch werden mehrere potentielle Vakzine studiert und großflächige klinische Studien laufen," sagt Gerald Rockenschaub, Leiter des WHO-Büros in Jerusalem. "Wir schätzen, dass es Anfang bis Mitte 2021 sein könnte."

In einem offenen Brief an die israelische Regierung hatten zuletzt mehrere israelische Menschenrechtsgruppen an Israel als militärische Besatzungsmacht appelliert, Impfstoffe für die Palästinenser zu liefern oder zu finanzieren.

Von israelischer Seite hieß es, dass möglicher Impfstoff-Überschuss weitergegeben werden könnte, sobald die eigene Bevölkerung geimpft worden sei. Beobachter weisen darauf hin, dass dies im Interesse des Landes ist, da täglich hunderte von palästinensischen Arbeitern nach Israel kommen oder in israelischen Siedlungen arbeiten.

Porträt einer Frau mit dunklen Haaren
Tania Krämer DW-Korrespondentin, Autorin, Reporterin