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Corona-Krise: "Start-ups brauchen Kapital und Köpfe"

Klaus Ulrich
12. Juli 2020

Gerade von ihnen werden Innovationen und Flexibilität erwartet - doch auch junge, kreative Unternehmen leiden unter den Folgen von Corona. Im DW-Gespräch erklärt ein Experte die Situation.

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Bild: picture-alliance/PhotoAlto/E. Audras

Deutsche Welle: Auch Start-up-Unternehmen sind von der Corona-Krise betroffen und leiden unter den finanziellen Folgen. Ihr Verband hat einen Maßnahmenkatalog vorgestellt, der junge innovative Unternehmen stärken soll. Was sind Ihre wichtigsten Forderungen?

David Hanf: Es geht darum, wie wir aus der Krise gestärkt hervorgehen, was man in der Zukunft machen muss, um den Standort Deutschland für Start-ups zu stärken. Das Wichtigste für uns ist das Thema 'Zukunftsfonds'. Vor allem große institutionelle Investoren wie Pensionskassen und Versicherungen sollten in die Anlage-Kategorie Start-ups investieren. Um wirklich große, internationale, erfolgreiche Unternehmen zu bauen, gibt es sehr viel Kapitalbedarf. Und das funktioniert im Moment nicht. Deswegen werden Start-ups momentan auch bei erfolgreicher Entwicklung oft zu früh verkauft, weil sie eben nicht das Kapital bekommen, um an die Börse zu gehen.

David Hanf - stellvertretender Präsident Bundesverband Deutsche Startups e.V.
David Hanf vom Bundesverband Deutsche Startups e.V. Bild: Bundesverband Deutsche Startups e.V.

Sehr wichtig ist auch die Mitarbeiterbeteiligung - in dem Sinne, dass wirklich alle Mitarbeiter finanziell am Erfolg eines Start-ups beteiligt sind. Damit im Erfolgsfall nicht nur eine kleine Führungsmannschaft viel verdient. Außerdem stärkt eine so ausgestaltete Mitarbeiterbeteiligung die Bindung zum Unternehmen. Oft ist bei Start-ups die Gehaltsstruktur nicht so hoch wie beispielsweise im Industriebereich. Junge Firmen müssen attraktive Arbeitgeber werden. Nur so können sie Talente aus der ganzen Welt als Mitarbeitende gewinnen. Da sind wir nämlich zurzeit gar nicht gut aufgestellt. Deswegen sind für uns als Verband die beiden wichtigsten Themen: Kapital und Köpfe.

In einer Ihrer Publikationen schreiben Sie, Start-ups könnten dazu beitragen, unsere Volkswirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen, damit der Anschluss an die Weltspitze gehalten werden kann. Wie ist das gemeint?

Von den 60 wertvollsten Unternehmen der gesamten Welt kommen 64 Prozent aus den USA, 31 Prozent aus Asien. Von den verbleibenden fünf haben wir in Europa nur lediglich drei Prozent der wertvollsten Unternehmen der Welt. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass das alles Unternehmen sind, die in den letzten zehn, 15 Jahren gegründet wurden. Also nicht die, die vor 120 Jahren gegründet wurden. Und das wird sich auch nicht mehr ändern. Die Stars, die erfolgreichen Unternehmen der Zukunft werden jetzt gegründet oder sind in den letzten zehn, zwanzig Jahren gegründet worden. Und da wollen wir den Anschluss nicht verlieren.

Corona-Krise bedroht Startups besonders

Sie wollen die Zwanzigerjahre - so heißt es auch in Ihren Publikationen - zu einer neuen Gründerzeit machen. Wie könnte das gelingen?

Wenn Mitarbeiter in einem Start-up gearbeitet haben, dann tendieren sie dazu, danach auch selbst ein Unternehmen zu gründen. Vor allem, wenn sie bereits einen finanziellen Erfolg hatten, der ihnen das Kapital beschert um etwas Neues, Eigenes zu gründen. Das spielt sicherlich eine große Rolle. Da sind wir wieder bei der Frage der verbesserten Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland.

Andererseits sind die Gründer von morgen an der Universität oder noch in der Schule. Dort gibt es einen fantastischen Innovationsgeist in Deutschland, der gefördert werden muss. Vielleicht sollte 'Unternehmertum' ein Pflichtfach werden, nicht nur für BWLer, sondern vor allen Dingen auch für Ingenieure und für Technikerinnen, damit auch die den Schritt wagen in die Gründung.

Sie sind ja nun seit Jahren mittendrin in der Gründerszene. Was sagt Ihnen Ihr Gefühl? Bietet die Coronakrise mehr Chancen oder mehr Risiken für junge Unternehmen?

Die Chancen überwiegen. Start-ups sind wendig und können sich sehr schnell auf neue Situationen einstellen. Das ist ein Riesenvorteil gegenüber etablierten Industrieunternehmen. Wir brauchen einen Push, einen Schub in Richtung Digitalisierung, weil vielleicht wieder eine zweite Corona-Welle kommen könnte und viele weiterhin im Homeoffice arbeiten müssen. Da muss einfach noch sehr viel passieren. Dabei können Start-ups eine große Rolle spielen und vielleicht auch neue Geschäftsmodelle entwickeln.

Allerdings steigen die Risiken umso mehr, je stärker die aktuelle Rezession ausfällt. In so einem Fall konzentriert sich die ganze Wirtschaft immer auf das, was sie schon hat und kann. Öffentliche Investitionen werden gekürzt, private Investoren werden noch zurückhaltender, als sie es jetzt in der Corona-Zeit ohnehin geworden sind. Das könnte einen fatalen Effekt haben. Aber bei mir überwiegt trotzdem der Optimismus.

David Hanf, Geschäftsführer bei einem jungen Berliner Heizungsbau-Unternehmen, ist aktiver Business Angel und Mitgründer und Vorstandsmitglied des Bundesverbands Deutsche Startups. e.V.

Das Gespräch führte Klaus Ulrich