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Saisonabbruch sorgt für Wut

Andreas Sten-Ziemons mit SID, dpa, bnr.nl, nos.nl
25. April 2020

Mit großer Enttäuschung reagieren viele Fußballvereine in den Niederlanden auf den Liga-Abbruch wegen der Coronavirus-Pandemie. Die Saison geht ohne Meister und Aufsteiger zu Ende. Dem Verband droht nun eine Klagewelle.

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Niederlande Amsterdam | Champions League | Ajax Amsterdam
Bild: picture-alliance/dpa/B. Gal

Dem niederländischen Fußballverband KNVB steht nach dem Abbruch der Saison in der Eredivisie und der zweiten Liga eine Klagewelle bevor. Einige Klubs sind mit der Entscheidung, die Spielzeit ohne Meister, Auf- und Absteiger zu beenden, überhaupt nicht einverstanden. Zumal bei der Entscheidung, laut Medienberichten die Mehrheit der Klubs vom Verband überstimmt wurde.

Wie der TV-Sender NOS am Samstag berichtete, fühlen sich zahlreiche Vereine sportlich und finanziell schwer benachteiligt. Es soll keinen Meister und außerdem auch keine Auf- und Absteiger geben - das löst bei vielen Profis und Klubverantwortlichen Unverständnis aus. Doch die Kritik richtet sich auch gegen die Regelungen des KNVB, die für die kommende Saison bei der Teilnahme an den Europapokal-Wettbewerben, Champions League und der Europa League, gelten sollen.

Ajax Amsterdam, mit 25 absolvierten Partien momentan nur aufgrund der besseren Tordifferenz auf Rang eins vor AZ Alkmaar, ist für den Einzug in die Champions League gesetzt. Alkmaar nimmt hingegen erstmal "nur" an der zweiten Qualifikationsrunde zur Königsklasse teil. Laut AZ-Sportdirektor Robert Eenhoorn will man gerichtlich gegen die KNVB-Entscheidung vorgehen.

Utrecht: "Schwarzer Tag für den Fußball"

In der Europa League sollen die in der Tabelle auf den Rängen drei bis fünf platzierten Teams an den Start gehen: Pokalfinalist Feyenoord Rotterdam, die PSV Eindhoven und Willem II Tilburg. Das sorgt beim FC Utrecht, der mit einem Spiel weniger und drei Zählern Rückstand auf Tilburg Sechster ist, für regelrechte Wut.

Niederlande Fußball | Thijs van Es, FC Utrecht
Utrechts Klubchef Thijs van Es hat kein Verständnis für die Entscheidung des VerbandsBild: picture-alliance/Pro Shots/R. Kool

Die Utrechter sehen sich gleich doppelt benachteiligt: Zum einen bekommen sie nicht die Gelegenheit, sich über die Liga für den Europapokal zu qualifizieren. Zum anderen, wären sie im Pokalfinale, das nun auch nicht mehr stattfinden soll, auf Feyenoord getroffen und hätten sich mit dem Pokalsieg ebenfalls für die Europa League qualifizieren können.

Utrechts Klubchef Thijs van Es sprach von einem "schwarzen Tag für den Fußball". Den Entscheidungen des KNVB "mangelt es an Transparenz und Objektivität", schimpfte er. Utrechts Mehrheitsaktionär Frans van Seumeren kündigte bei NOS an, er wolle "die besten Rechtsanwälte des Landes" engagieren, um vor Gericht zu ziehen sowie bei den entsprechenden Instanzen der Europäischen Fußball-Union (UEFA) gegen den KNVB zu klagen. Doch während man sich beim FC Utrecht noch ärgerte, feierten die Anhänger von Willem II Tilburg den Europapokal-Einzug ihres Teams bereits mit einem Autokorso.

Kaum Chancen vor Gericht

Niederlande Fußball | Eric Gudde, KNVB
KNVB-Geschäftsführer Eric GuddeBild: picture-alliance/dpa/ANP/Pieter Stam de Jonge

"Ich verstehe die Enttäuschung", sagte KNVB-Geschäftsführer Eric Gudde dem Radiosender BNR. "Ich hätte es auch vorgezogen, wenn die Entscheidung auf der grünen Wiese getroffen worden wäre, daher ist dies im Übrigen kein sehr freudiger Tag." Was drohende Klagen angeht, müssen sich Gudde und der Verband wahrscheinlich wenig Sorgen machen. Experten räumen den Klägern gegen die KNVB-Beschlüsse nur geringe Chancen ein. "Ein Richter in den Niederlanden berücksichtigt die sportlichen Aspekte kaum, sondern beurteilt vor allem die Verfahrensweise", erklärte Marjan Olfers, ein Dozent für Sport und Recht, auf NOS.

Bei den Profiteuren der KNVB-Entscheidung gab man sich zurückhaltend: "Als Spieler und als Verein willst du natürlich Meister werden", sagte Ajax-Geschäftsführer Edwin van der Sar: "Es ist schade, dass wir nicht zum Meister erklärt worden sind, aber in dieser Situation mag das verständlich sein. Es gibt im Moment wichtigere Dinge als Fußball."

Auch der ehemalige Bundesliga-Torhüter Lars Unnerstall, der seit vergangenem Sommer bei der PSV Eindhoven unter Vertrag steht, unterstützte van der Sars Aussagen. "Jetzt weiß man, dass man die Saison auf keinen Fall weiterspielen wird. Aber das ist okay. Wenn man sagt, dass man die Gesundheit aller Menschen nicht garantieren kann, muss man Konsequenzen ziehen, und das heißt eben, die Saison abzubrechen", sagte der 29-Jährige bei Sky Sport News HD.

"Die größte Schande der Geschichte"

Unmut regt sich dagegen in der 2. Liga, die in den Niederlanden "Eerste Divisie" heißt: Der SC Cambuur und De Graafschap, die beiden führenden Vereine in der Tabelle, werden um den Aufstieg gebracht und wollen voraussichtlich ebenfalls rechtliche Schritte einleiten. "Das fühlt sich wie die größte Schande in der Geschichte des niederländischen Sports an", sagte Cambuur-Manager Henk De Jong im niederländischen Fernsehen.

Seine Mannschaft hatte elf Punkte Vorsprung auf die Play-off-Plätze, als die Liga unterbrochen wurde. Die niederländische Regierung hatte Großveranstaltungen bis zum 1. September verboten. Der Saisonabbruch war danach nur noch Formsache.