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Wie Corona die Kultur 2020 verändert hat

Torsten Landsberg
29. Dezember 2020

Das Coronavirus setzt Kunst und Kultur besonders heftig zu. Mit kreativen Konzepten versuchten Theater, Clubs und Museen aus der Not eine Tugend zu machen.

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Ein Kino macht mit dem Spruch "Kultur ist nicht alles, aber ohne Kultur ist alles nichts" auf die Corona-Situation aufmerksam.
Kinos erinnerten daran, dass Kultur mehr als ein Freizeitspaß istBild: Political-Moments/imago images

Die Corona-Pandemie hat die Kunst-und Kulturszene 2020 arg gebeutelt. Etwas hilflos klangen die ermunternden Worte aus der Politik, die Szene werde kreative Lösungen finden. Obwohl die finanziellen Nöte vieler Häuser und Kulturschaffender groß sind und nicht alle die Pandemie so dankbar annehmen wie der Schauspieler und Sänger Tom Schilling, der "an Extremsituationen oder Tragödien eine gewisse Freude" empfindet und sich vom Lockdown im Frühjahr "regelrecht beflügelt" fühlte - mit einfallsreichen Konzepten haben sie in den vergangenen Monaten dennoch der angespannten Situation die Stirn geboten.

Konzerte

Eine Wortneuschöpfung, die das Jahr 2020 prägte, war fraglos das "Hygienekonzept". Das war nach dem ersten Lockdown allerorten notwendig, sofern Spielstätten wenigstens mit stark reduzierten Kontingenten wieder für das Publikum eröffnen wollten. Die Aufführungen wurden bundesweit begeistert angenommen, die Sehnsucht nach Live-Kultur war bei Zuschauerinnen und Zuschauern ebenso groß wie bei den Künstlerinnen und Künstlern. Häuser wie die Hamburger Elbphilharmonie setzten auf mehrere zeitversetzte Aufführungen mit wechselnden Besetzungen am gleichen Tag. Als einziges Problem blieb vielerorts die mangelnde Wirtschaftlichkeit.

Der Künstler Alexander Iskin liegt auf dem Boden in seinem Atelier. Er zieht sich eine Hose an. An den Wänden stehen Gemälde.
Der Künstler Alexander Iskin ließ sich per Webcam im Atelier beobachten.Bild: Galerie Sexauer

Streaming

Dass sich Streams nicht nur für das "Binge-Watchen", auch Komaglotzen genannt, der nächsten Netflix-Serie eignen, bewiesen Clubs, Orchester und Theater gleichermaßen. Schon kurz nach Beginn des Lockdowns schlossen sich Clubs in Berlin zusammen und übertrugen unter dem Motto "United We Stream" Partynächte in die Wohnzimmer der ausgeschlossenen Besucherinnen und Besucher: Die DJs legten in den Clubs live ihre Sets auf - vor leeren Tanzflächen. Weltweit machten auch Orchester von den digitalen Möglichkeiten Gebrauch. Starpianist Igor Levit gab Hauskonzerte aus seinem Wohnzimmer und der Künstler Alexander Iskin ließ sich 50 Tage lang live per Webcam bei der Arbeit beobachten.

Virtual Reality

Das Staatstheater Augsburg produzierte Virtual-Reality-Inszenierungen, die sich ohne Infektionsgefahr per VR-Brille Zuhause genießen lassen. Wer die Schauspiel- oder Ballett-Inszenierungen sehen möchte, kann sie auch noch 2021 direkt auf die eigene Brille streamen oder den bundesweiten Leihservice des Theaters in Anspruch nehmen.

Diese Variante verspricht einen Mehrwert gegenüber der herkömmlichen Aufführung: Das Theater kündigt an, dass die 360-Grad-Perspektive die Grenzen von Raum und Zeit überwindet und damit ein neues Theatererlebnis ermöglicht. Auch Museen reagierten auf die Schließungen und öffneten ihre Ausstellungen mit digitalen Rundgängen.

Eine Frau trägt eine VR-Brille.
Das Staatstheater Augsburg inszenierte Virtual-Reality-Aufführungen und verschickte VR-Brillen ans Publikum.Bild: Imaginechina-Tuchong/Imago Images

Corona in der Kunst

Die Pandemie wird die Kulturszene auch künstlerisch nachhaltig beeinflussen. Wie werden Malerinnen und Sänger, Autorinnen und Schauspieler die Erfahrungen und gesellschaftlichen Umbrüche verarbeiten? Das Kunsthaus Bregenz wollte nicht zu lange auf die Antwort warten und fragte bereits im Sommer Künstlerinnen und Künstler für die Corona-Ausstellung "Unvergessliche Zeit" an. Manche schickten aktuelle Werke, die bereits Reflexionen auf die Krise waren, darunter ein Werk des südafrikanischen Gegenwartskünstlers William Kentridge. Andere beteiligten sich mit älteren Arbeiten, die mit Fortschrittsskepsis und Melancholie wie Vorahnungen der Pandemie wirkten.

Wortschöpfungen

Sprache ist Kultur, große gesellschaftliche Ereignisse wirken sich immer auch auf unsere Kommunikation aus. Das "Hygienekonzept" ist ein Beispiel. Andere Begriffe erlebten dank Corona einen unvorhersehbaren Aufschwung, inzwischen weiß auch jeder, wie "Epidemiologie" und "Quarantäne" geschrieben werden. Und wie oft ist Ihnen vor diesem Jahr der Begriff "Spuckschutz" begegnet?

Besonders nachhaltig hat das Virus neue Wortschöpfungen begünstigt: Rund eintausend Begriffe fanden Eingang ins Sprachwort-Verzeichnis des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache, darunter "Superspreaderereignis", "Wellenbrecherlockdown" und "Zoomparty". Und jetzt starten wir auf der "Impfstraße" ins Jahr 2021.

Ein Gemälde zeigt eine Frau mit Mundschutz. Es ist Markus Schinwalds "Grita" von 2010.
Das Kunsthaus Bregenz zeigte aktuelle Werke zur Pandemie, hier Markus Schinwalds "Grita".Bild: Markus Schinwald / Bildrecht, Wien, 2020