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Politik

Corona stürzt 150 Millionen Kinder in Armut

17. September 2020

Familien, die dabei waren, der Armut zu entkommen, seien wieder hineingerutscht, sagt das Kinderhilfswerk UNICEF. Die Auswirkungen sind oft erst später sichtbar.

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Gaza-Streifen Nahrungsmittelhilfe
Kinder in Gaza, der größten Stadt im Gazastreifen, erhalten Nahrungsmittel von den Vereinten NationenBild: Majdi Fathi/NurPhoto/picture alliance

Was die Corona-Pandemie für Kinder bedeutet, zeigt am eindrucksvollsten eine Weltkarte. Sie findet sich auf der Webseite der UNESCO. In einem fahlen Violett sind darauf alle Länder markiert, in denen wegen des Virus die Schulen geschlossen blieben - der Besucher kann den zeitlichen Verlauf abrufen. Buchstäblich die halbe Welt erscheint für mehrere Monate in dieser Farbe.

Allein im ostafrikanischen Kenia sind 18 Millionen Kinder und Jugendliche betroffen, 150.000 von ihnen leben in Flüchtlingslagern. Der UN-Bildungsorganisation zufolge bieten gerade einmal acht von 42 untersuchten Staaten südlich der Sahara wieder Präsenzunterricht an. In sechs weiteren Ländern werden einzelne Klassen unterrichtet.

Schüler ohne Strom

Wie in westlichen Ländern werden auch in etlichen ärmeren Staaten Lerneinheiten für Fernunterricht entwickelt - verbreitet per Internet, aber auch über Radio- und Fernsehsender. Doch viele Menschen können sich dort nur einen sehr begrenzten Online-Tarif leisten; von Notebooks zu schweigen. Zahlreiche Schüler sind überhaupt nicht ans Elektrizitätsnetz angeschlossen. In Kenia haben nur drei Viertel aller Haushalte Strom. Auch der Gegensatz zwischen Stadt und Land wird dadurch weiter vertieft: Kinder, die in traditionellen Gemeinschaften leben, müssen sich später mit Kindern aus Metropolen messen, die Lehrmaterialien, Strom und Licht haben.

Coronavirus | Indien Solapur Schulunterricht im Freien
Unterricht im Freien in Solapur im westindischen Bundesstaat Maharashtra (Archivbild)Bild: AFP

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen geht davon aus, dass die Pandemie 150 Millionen Kinder zusätzlich in die Armut gestürzt hat. Insgesamt seien somit 1,2 Milliarden Mädchen und Jungen von prekären Lebensverhältnissen betroffen. Und es dürften in den kommenden Monaten noch viele hinzukommen, sagt UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore. "Am besorgniserregendsten ist, dass wir näher am Anfang der Krise sind als an deren Ende."

"Größter globaler Bildungsnotstand"

Viele Familien, die gerade im Begriff waren, ein höheres Einkommen zu erzielen, sind im Zuge der Viruseindämmung erneut in die Armut gerutscht. Nicht allein Schulen, auch Betriebe und öffentliche Einrichtungen mussten schließen; Grenzen wurden abgeriegelt. Millionen Menschen verloren ihre Jobs. Die Volkswirtschaften erlitten schweren Schaden.

Doch Kinder sind laut UNICEF besonders betroffen: Bei ihnen geht es nicht nur um den Zugang zum Gesundheitswesen und zu sanitären Einrichtungen, um die Hygienesituation sowie die Versorgung mit Lebensmitteln und Trinkwasser - Dinge also, die sich unmittelbar auswirken. Zusätzlich kommt es auf eine entscheidende Investition in die Zukunft an: auf die Bildung. "Diese Pandemie hat bereits den größten globalen Bildungsnotstand der Geschichte verursacht", sagt Janti Soeripto, Leiter der Organisation Save the Children. Kinder, die hier den Kürzeren ziehen, würden mit größerer Wahrscheinlichkeit zu Kinderarbeit oder früher Heirat gezwungen und seien "auf Jahre hinaus in einem Teufelskreis der Armut gefangen".

Warmes Essen fällt aus

Das ganze Ausmaß wird erst später sichtbar, wenn diese Generation nach Studien- und Berufschancen sucht. Eine Folge des Unterrichtsausfalls zeigt sich in ärmeren Ländern dagegen schon heute. "Viele Kinder haben in der Schule jeden Tag eine warme Mahlzeit bekommen", sagt Rachel Esther, eine Lehrerin in Kenia. Die fehle nun auf dem Speiseplan. "Die meisten Eltern können sich nicht drei Mahlzeiten für ihre Familie leisten."

jj/wa (dpa, epd, UNICEF, UNESCO, Save the Children)