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Corona-Studie: Feierwütige Jugend? Von wegen!

Kay-Alexander Scholz
23. Oktober 2020

Eine neue Studie beleuchtet, wie Corona das Leben junger Menschen verändert hat - und widerspricht gängigen Klischees. Die Forscher warnen vor einem neuen Sündenbock.

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Berlin | Junge leute feiern ausgelassen
Bild: Sabine Gudath/Imago Images

Als im Sommer die Infektionszahlen wieder zu steigen begannen, rückten Jugendliche in den Fokus der medialen Öffentlichkeit. Denn anders als zu Beginn der Pandemie steckten sich nun sie und nicht Rentner am häufigsten mit COVID-19 an. Dazu kamen Bilder von Feiernden in den Zentren der Großstädte, die sich offensichtlich nicht an die Abstandsregeln hielten. Die Kritik lautete: Die Jugendlichen seien unvorsichtig und würden das Virus wieder in stärker gefährdete Altersgruppen tragen.

Deutschland: Raven mit Risiko

Doch stimmt dieses Bild einer feierwütigen Jugend, die nicht an die anderen denkt? Zuletzt hatte sogar Kanzlerin Angela Merkel höchstpersönlich bei einer Pressekonferenz an die Jugend appelliert, jetzt doch lieber Mal auf eine "Fete" zu verzichten.

Jetzt ist die Tui-Stiftung in einer repräsentativen Studie mit rund 1000 Jugendlichen im Alter von 16 bis 26 Jahren dem Negativ-Image der potentiellen "Superspreader" nachgegangen. Die Befragung fand in der ersten September-Hälfte durch das Meinungsforschungsinstitut YouGov statt.

Berlin | Junge leute feiern ausgelassen
In der Kritik: Treffen auf der Straße - ohne Maske, ohne Abstand mit Bier vom Kiosk nebenanBild: Sabine Gudath/Imago Images

Zweifel am Image

"Die eingeforderte Solidarität wird gezeigt", fasste You-Gov-Forschungsleiter Peter Mannott die Befragungs-Ergebnisse bei einer Online-Präsentation zusammen. Er machte dies an drei Punkten fest.

  • Über die Hälfte der Jugendlichen halte die Corona-Maßnahmen für angemessen; lediglich ein Fünftel hält sie für übertrieben. Jeder Vierte würde sogar strengere Maßnahmen befürworten.
  • Mit 83 Prozent halte sich eine große Mehrheit ganz oder überwiegend an die Maßnahmen und Empfehlungen im Umgang mit der Pandemie. Nur zwei Prozent hielten sich nicht daran.
  • Dabei stehe ganz klar der Schutz Anderer (89 Prozent) im Vordergrund, betonte Mannott. Sogar noch vor dem Schutz der eigenen Gesundheit (79 Prozent). Dass eine gewisse Sorglosigkeit weit verbreitet sei, stimme nicht.

Jugendlicher Lebensstil besonders eingeschränkt

Auch das renommierte Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin war an der Studie beteiligt. Dessen Vertreter, Marcus Splitter, verwies auf einen interessanten Image-Wandel. Zu Beginn der Pandemie sei das Image der Jugend in der Öffentlichkeit eher positiv geprägt gewesen. Splitter erinnerte an die viele Nachbarschaftshilfen, die sich oft spontan gebildet hatten.

Österreich Salzburg | Coronavirus | Nachbarschaftshilfe
Solche oder ähnliche Zettel fanden sich viele verteilt in Deutschlands Hauseingängen oder auf der StraßeBild: picture-alliance/dpa/picturedesk.com/APA/B. Gindl

"Zuletzt aber hieß es nur noch, die Jugend würde wohl das Konzept der Herden-Immunität verfolgen", sich also nicht um Ansteckungen scheren. Die Studie zeige nun, dass dem nicht so sei. Dabei würden sie - also gerade die Jugendlichen - doch besonders unter der Situation leiden.

Weniger Optimismus

In Deutschland sind Musikclubs und Discos seit dem ersten Lockdown im März geschlossen. Andere Freizeitaktivitäten wie Sport oder Reisen sind zumindest eingeschränkt. Ältere könnten diese Einschränkungen temporär besser wegstecken als junge Menschen, sagte der Sozialwissenschaftler Splitter. Doch "Jugend" als Entwicklungsetappe sei nun einmal geprägt von Austausch, Ausprobieren und Orientierung. Fielen die Möglichkeiten dafür weg, sei das nicht so einfach.

Die Studie fragte deshalb auch nach der allgemeinen Gemütslage. Immerhin 26 Prozent sind nun pessimistischer als im Januar bei einer ähnlichen Befragung. Besonders belastend werden die eingeschränkten Sozialkontakte empfunden (42 Prozent). Eingeschränkte Freizeitmöglichkeiten liegen auf der Leidens-Skala auf Platz zwei (40 Prozent), gefolgt vom Verzicht auf Reisen und Mobilität (32 Prozent). Erst auf Platz vier liegt der Punkt Feiern - 29 Prozent leiden der Studie zufolge darunter. Aber auch Home-Working (20 Prozent) und die Finanzen (19 Prozent) machten Sorgen.

Infografik Jugend leidet unter Corona DE

Die Jugendlichen seien durchaus bereit zu verzichten, betonte Splitter. Er warnte davor, jetzt einen Konflikt zwischen Jung und Alt aufzumachen. Schließlich sei der gesellschaftliche Zusammenhalt in Pandemie-Zeiten eine wichtige Ressource.