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Corona-Tests: Maschinen auf Hochtouren

20. März 2020

In der deutschen Hauptstadt Berlin hat eine kleine Biotech-Firma mit Forschern der Universitätsklinik Charité den Beginn der Pandemie in China verfolgt. Dann hat der Chef die Produktion auf Corona-Tests umgestellt.

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Olfert Landt, Geschäftsführer von TIB Molbiol
Bild: picture-alliance/Kitty Kleist-Heinrich/Tagesspiegel

Es ist ein Telefonanruf in den Maschinenraum dieser Covid-19-Krise: Im Hintergrund klickt und schnauft es mechanisch. Der Unternehmer Olfert Landt steht in seinem Produktionsraum. Es ist der dritte Anrufversuch über mehrere Tage, dann hat er Zeit - spät am Abend, es ist schon nach 22 Uhr.

Seit Wochen geht das jetzt so: Durcharbeiten bis um Mitternacht. Landt stellt mit seiner kleinen Firma TIB Molbiol Syntheselabor GmbH Testpakete für das Coronavirus her. Damit werden die Abstriche gemacht, die in den Medizinlaboren auf das Virus untersucht werden. Die Kits mit 100 Tests pro Packung gehen an Labore in Europa und weltweit. Mitte März tauchte die kleine Firma mit ein paar Dutzend Mitarbeitern im Twitter-Kanal von US-Präsident Donald Trump auf. Er retweetete einen Artikel der Businessweek, die ihrerseits gepostet hatte: "Diese deutsche Biotech-Firma hat seit Beginn des Corona-Ausbruchs schon vier Millionen Corona-Tests produziert."

Was immer der Mann im Weißen Haus mit seinem Tweet mitteilen wollte, es ist eine skurrile Fußnote in einer Zeit, in der die Welt Kopf steht. So wie seit Wochen die kleine Manufaktur des Berliner Biochemikers Olfert Landt mit ihren 30 Mitarbeitern. Von dem Tweet für Trumps 73 Millionen Follower erfährt er beim Gespräch am Telefon zum ersten Mal. Er kommt ja kaum noch raus. Seine Maschinen stehen kaum noch still. 15.000 Test-Kits pro Woche, die für 1,5 Millionen Tests genutzt werden können. Im Kampf gegen das Virus.

Corona-Testkit der Berliner Firma TIB Molbiol
Corona-Testkit der Berliner Firma TIB MolbiolBild: picture-alliance/Kitty Kleist-Heinrich/Tagesspiegel

Eine gute Nachricht in der Krise

Er ist wahrscheinlich der kleinste Hersteller dieser Tests in Deutschland und verspricht dennoch, dass es keinen Engpass bei den so wichtigen Teströhrchen geben werde. "Wir kommen zu meinem eigenen Erstaunen bisher mit dem Abarbeiten der täglichen Nachfrage hin." Außer wenn wie vor zwei Wochen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 3000 Pakete auf einmal bestelle. Diese Woche ging der WHO-Generaldirektor mit einer sehr kurzen Botschaft an die Weltöffentlichkeit: „Test, test, test", sagte Tedros Adhanom Ghebreyesus – die Welt soll die möglicherweise infizierten Menschen auf das Coronavirus testen und dann isolieren. Das allein sei jetzt der Weg, die Krise in den Griff zu bekommen.

"Ich denke, dass man dabei tatsächlich nur den testen muss, der Symptome hat", sagt Olaf Landt. Das aber sofort. Wie in Südkorea, wo die Menschen am Straßenrand in ihren Autos sitzend getestet werden. Oder in Containern oder Lastwagen, die abseits der Straßen stehen. "Oder man schickt Leute zu den Menschen nach Hause, nimmt eine Probe und fährt damit ins Labor." All das sei einfach zu organisieren auch bei den jetzt sich vielfach schnell steigenden Infektionsraten in Deutschland.

Das Entscheidende aber, um das Virus zu bekämpfen, sagt auch der Berliner Biochemiker, ist die Selbst-Isolation: "Wir müssen irgendwie sehen, dass die Bevölkerung die Kontakte reduziert." Und da klingt er sogar ein wenig zuversichtlich, manchmal am Telefon kaum zu verstehen wegen des Krachs im Hintergrund: Sobald das Virus nicht mehr von Mensch zu Mensch komme, sei es bekämpft. "Wenn man seine Kontakte auf zehn Prozent reduziert, kommt man doch vermutlich auf eine Zahl die deutlich unter eins ist" - so dass das Virus statistisch nicht mehr von einem auf mindestens einen weiteren Menschen oder mehr reist.

Die Suche nach einem Impfstoff läuft auf Hochtouren - hier bei der Firma Curevac in Tübingen
Die Suche nach einem Impfstoff läuft auf Hochtouren - hier bei der Firma Curevac in TübingenBild: Reuters/A. Gebert

Die Gefahr also, dass ein infizierter Mensch das Virus auf mehrere weitergibt, sinkt mit jedem Verzicht auf zwischenmenschlichen Kontakt. "Das ist zu schaffen", sagt er optimistisch. Dabei hat er keine Ahnung davon, wie viele Menschen sich diese Woche in Deutschlands Parks bei sonnigem Wetter noch immer viel zu nahegekommen sind.

Auch vor der eigenen Haustür: In Berlin rechnen viele jetzt mit einer staatlich verordneten Ausgangssperre wie in Paris oder Brüssel. Die deutsche Hauptstadt steht womöglich vor dem totalen Lockdown. Olfert Landt im Covid-19-Maschinenraum bekommt davon nichts mit. Er komme nicht mehr dazu, Nachrichten zu schauen, sagt Landt, während er nach Mitternacht noch E-Mails beantwortet. Für den Feldzug Test gegen Virus.

Gefahr unterschätzt

Deutschland habe viel zu spät auf das neue Coronavirus reagiert, sagt der Test-Produzent. Vor allem im Vergleich mit Südkorea oder Taiwan. "Objektiv gesehen hat man es unterschätzt, obwohl man die Situation in China vor Augen hatte und wenig später gesehen hat, wie es Italien ergangen ist." Als zum Jahreswechsel klar wurde, welches Ausmaß der Corona-Ausbruch in China annimmt, hat er sich mit den Virologen des Berliner Universitätsklinikums Charité zusammengesetzt. Sie hätten die anfangs spärlichen Informationen aus der Corona-Region Wuhan in China studiert.

Als dann klar war, dass es ein neues Coronavirus ist, hat Landt seine Produktion von Tests auf den Erreger der Covid-19-Krankheit umgestellt. Es wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, bereits Flüge aus den Krisengebieten in China oder dem Iran einzustellen. Doch Landt hält sich nicht mit deutscher Nabelschau auf. Diese Krise müsse international gelöst werden. Bis heute könne er seine Tests wegen der Wirtschafts-Embargos weder nach Russland, Myanmar oder Pakistan verkaufen - dabei sei "im Iran der Teufel los." Alle Anfragen aus diesen Ländern musste er ablehnen. Regierende, sagt Landt, täten sich selbst in dieser weltweiten Krise schwer, "Gesetze, die sie einmal geschaffen haben, wenigstens für eine Zeit auszusetzen". Vorteil für das Virus.

Ein Test für unter zehn Euro

Dagegen produziert er an. Und er hat vorgesorgt: Die Vorprodukte seien für mehrere Monate auf Lager. Und die Tests selbst könnten auch noch gestreckt werden - ein "Test für unter zehn Euro" sei möglich. Testen also und zwischenmenschliche Kontakte einstellen - das sei der Weg, das Virus "innerhalb von Wochen" zu besiegen. Dass Europas Politiker jetzt panisch die Binnengrenzen der Europäischen Union schließen, sei hingegen "objektiv Unsinn", sagt der Unternehmer. Und wenn es schlecht läuft, könnte auch ihm das Probleme machen: Zumindest die Etiketten für seine Test-Kits kauft er in Polen ein. An der Grenze nach Deutschland standen die Lastwagen tagelang im Stau. 

Olfert Landt, Geschäftsführer von TIB Molbiol
Bei der Arbeit: Olfert Landt, Geschäftsführer von TIB MolbiolBild: picture-alliance/Kitty Kleist-Heinrich/Tagesspiegel

Olfert Landt hat sich vor 30 Jahren während seines Studiums an der Freien Universität Berlin selbständig gemacht. Bürokratische Hürden kennt jeder Unternehmer, in Deutschland und Europa. Doch die Corona-Krise verändert den Blickwinkel. Während am Telefon im Hintergrund die Geräusche seiner Maschinen noch einmal lauter werden, erzählt Landt, wie er auf die Genehmigung seines Corona-Testverfahrens warten musste. "Zwischenzeitlich war der Sachbearbeiter für Wochen krank. Eine Vertretung gab es nicht." Da starben in China reihenweise Patienten. Zeitgewinn für das Virus.

Hilfe vom Nachbarn

Als dann vor wenigen Tagen Deutschland die Notbremse zog und Schulen und Kindergärten schloss, konnten manche seiner Mitarbeiter nicht zur Arbeit kommen. Die neu geschaffenen Betreuungsplätze für Krankenhausbeschäftigte sollten für die TIB-Molbiol-Mitarbeiter nicht zur Verfügung stehen. Obwohl sie helfen, die Infektionskette zu durchschlagen. Noch ein Punkt für das Virus.

Und dennoch: Deutschland kann in der Corona-Krise auch ganz andere Geschichten produzieren. "Ich bin unendlich dankbar", sagt Olfert Landt und meint seinen Nachbarn, "eine Event-Agentur" wie so viele in Berlin. New Wave heißt die Berliner Firma, die irgendwie alles macht, was man mit der Party-Hauptstadt Europas assoziiert. Doch das Virus hat alle Partys beendet. "Da hat er mir angeboten, dass seine Mitarbeiter bei uns arbeiten könnten." Ganz ohne bürokratischen Aufwand, einfach über die Straße rüber. Jetzt packen die Kreativen gemeinsam mit dem Unternehmer die Corona-Tests in Tüten ein. Und so sieht er jetzt aus - der Kampf gegen das Virus in einem kleinen Berliner Maschinenraum der Covid-19-Krise.