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Corona und das Prinzip Hoffnung

14. März 2022

Die Corona-Infektionszahlen in Deutschland sind so hoch wie nie. Trotzdem lockert das Land die Beschränkungen. Und hofft auf einen milden Frühling.

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Deutschland | Coronavirus | Bundespressekonferenz Karl Lauterbach
Bild: Thomas Trutschel/photothek/picture alliance

So ganz wohl in seiner Haut fühlt sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Moment nicht. Seit Beginn der Pandemie hat der SPD-Politiker, selbst Epidemiologe, vor Corona gewarnt, seit Dezember vergangenen Jahres ist er Minister. Jetzt hat die neue Regierung von SPD, Grünen und FDP beschlossen, die Pandemie-Einschränkungen vom 20. März an bundesweit weitgehend zurückzufahren. Und das, obwohl die Infektionszahlen immer neue Rekordhöhen erklimmen. Am Montag lag die Zahl der neuen Infektionen innerhalb von sieben Tagen unter 100.000 Einwohnern, bei 1543. So hoch war dieser Wert noch nie. 

Zwischen Hoffnung und Sorge

Aber die aktuelle Omikron-Variante des Virus zeigt nur milde Verläufe, vor allem bei Geimpften. Und aktuell sind 75,7 Prozent der deutschen Bevölkerung mindestens zweimal geimpft worden. Zu wenig, um die Pandemie zu besiegen, aber zu viele, um die derzeitigen Beschränkungen beizubehalten. Der Frühling kommt, die Menschen treffen sich wieder mehr im Freien. Dennoch bleibt Lauterbach skeptisch, wie er am vergangenen Freitag in Berlin sagte: "Das kann uns nicht zufrieden stellen. Es ist eine Situation, die ich als kritisch bezeichnen möchte. Wir haben stark steigende Fallzahlen. Wir können nicht zufrieden sein mit einer Situation, in der zwischen 200 und 250 Menschen jeden Tag sterben. Die Lage ist objektiv viel schlimmer als die Stimmung."

Coronavirus Deutschland | 2G+ in Gastronomie
Wird wohl bald nicht mehr gelten: Zutritt in Restaurants nur für Geimpfte und Genesene.Bild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Deutschland öffnet - bei hohen Infektionszahlen

Trotzdem will die Regierung noch in dieser Woche das Infektionsschutzgesetz neu formulieren: Darin sollen die Maßnahmen, die die zuständigen Bundesländer in Zukunft noch verhängen können, deutlich reduziert werden. Die bisherigen Regeln laufen am 19. März aus und ohne einen neuen Beschluss gäbe es gar keine möglichen Maßnahmen mehr. Kommt das Gesetz so, wie von der Regierung geplant, bleiben bundesweit nur noch Maskenpflichten im Flug-und Fernverkehr und etwa in Altenheimen und Krankenhäusern. Dort, in Kliniken und Pflegeeinrichtungen, werden auch aktuelle Tests weiter nötig sein. Und: Bilden sich bestimmte Hotspots heraus, können die Länder schärfere Maßnahmen beschließen, aber nur dann. Generell wird damit der Besuch von Restaurants, Bars, Theatern und Kinos freigegeben. Für Geimpfte und für Ungeimpfte. 

Bundesländer bleiben skeptisch

Allerdings fühlen sich viele Bundesländer von der Regierung gerade überrumpelt. Auch zahlreiche Fach-Organisationen und Ärzteverbände äußern sich besorgt. So sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im Interview mit dem Norddeutschen Rundfunkt (NDR), um wirklich langfristig von den hohen Infektionszahlen wegzukommen, sei ein höherer Impfschutz nötig. Der aber stagniert schon lange bei rund 75 Prozent an vollständig Geimpften. Es kommen nur sehr wenige neue Impfungen dazu. Kommt etwa eine neue, wieder gefährlichere Variante als Omikron, drohten im Herbst wieder schärfere Maßnahmen, So Weil. "Wir sollten nach zwei Jahren Corona nicht in ein drittes gehen, ohne daraus gelernt zu haben." Generell bemängeln viele Ministerpräsidenten -  wenn die Kameras aus sind -  in den Gesprächsrunden mit der Regierung werde wesentlich weniger offen gesprochen als noch unter der früheren Kanzlerin Angela Merkel.  Die Bundesregierung plädiere für einheitliche Regeln und wolle diese durchsetzen.

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD)  Niedersachsen
Bleibt vorsichtig. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).Bild: Political-Moments/imago images

Beschränkungen für Geimpfte kaum noch haltbar

Auch Lauterbach treibt die Sorge vor einem zu leichtfertigen Vorgehen sichtlich um, aber vor allem die FDP in der Regierung hat Druck gemacht, um die meisten Beschränkungen jetzt zurückzunehmen. Und zahlreiche Juristen hatten der Regierung geraten, dass etwa die Kontaktverbote für die Geimpften rechtlich kaum noch haltbar sein könnten. Lauterbach dazu: "Das ist meiner Meinung nach ein Fortschritt. Denn wenn das von der Regierung und von den Landtagen beschlossen wird, also der mögliche Hotspot, dann ist das auch sicher vor Gericht." 

Impfpflicht in den Gesundheitsberufen startet

Neben dem Infektionsschutzgesetz rückt die Impfpflicht immer mehr in den Fokus. Die Impfpflicht in den Gesundheitsberufen startet schon in dieser Woche. Menschen, die in Pflegeheimen oder Krankenhäusern arbeiten, müssen bis Dienstag nachweisen, dass sie genesen oder geimpft sind. Lauterbach wirbt aber nach wie vor auch für eine allgemeine Impfpflicht, die der Bundestag in verschiedenen Varianten ebenfalls in dieser Woche diskutieren wird: "Ich werde immer mit dem Argument konfrontiert: Omikron ist ja nicht so gefährlich. Wir brauchen keine Impfpflicht. Das ist falsch."  

Dauerhafte Folgen von Corona besorgen Mediziner

Auch für Jördis Frommhold, Chefärztin der Median-Klinik in Heiligendamm, ist es nicht richtig, jetzt Entwarnung zu geben. Lauterbach hatte sie extra zur Pressekonferenz am Freitag in Berlin eingeladen. Frommhold hat in ihrer Klinik vor allem mit Patienten zu tun, die nach überstandener Infektion heftig mit den Folgen zu kämpfen haben: "Ich erinnere mich an den 40 Jahre alten Triathleten, der einen leichten Verlauf hatte. Und jetzt ist schon ein langsamer Spaziergang von 20 Minuten eine Herausforderung und für ihn fast nicht zu bewältigen." 

Deutschland Schwerin | Gesundheitsminister Karl Lauterbach impft beim Besuch des Impfzentrums
Will nach wie vor die allgemeine Impfpflicht: Der Arzt und Minister Karl Lauterbach, hier bei einer Impfaktion in Schwerin.Bild: Xander Heinl/photothek.de/imago images

Lauterbach: "Pandemie ist noch nicht vorbei!"

Am Mittwoch will der Bundestag über das neue Infektionsschutzgesetz beraten, am Freitag, wenn alles wie geplant läuft, darüber abstimmen. Ob das Parlament später noch eine allgemeine Impfpflicht beschließt, bleibt abzuwarten. Lauterbach ist dafür. "Es ist leider so: Bei der in Deutschland hohen Zahl an Ungeimpften ist die Pandemie noch nicht vorbei." Aber erst einmal wird gelockert. Mit ungewissem Ausgang.