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Verstaatlichung von Unternehmen als letztes Mittel?

Thomas Kohlmann
19. März 2020

Italien tut es, Frankreich hat es angekündigt und Deutschland wird wahrscheinlich nichts anderes übrig bleiben: Staatliche Beteiligungen als letzter Ausweg für Unternehmen vor dem Corona-Kollaps.

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Italien Maschinen der Fluggesellschaft Alitalia und Lufthansa
Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Calanni

In Italien läuft alles auf die Verstaatlichung der dauerkriselnden Fluglinie Alitalia hinaus. In Frankreich hat Finanzminister Bruno Le Maire jetzt angekündigt, Unternehmen notfalls ganz zu verstaatlichen. Doch anders als in Frankreich, wo staatliche Beteiligungen in der Auto- oder Energiebranche Normalität sind, hadern deutsche Volkswirte und Politiker normalerweise mit einem solch drastischen Eingriff in die Privatwirtschaft.

Beispiel Lufthansa: Die größte deutsche Airline wird durch die Corona-Krise praktisch auf den Boden gezwungen. Die bislang verabschiedeten Maßnahmen - ein ausgeweitetes Kurzarbeitergeld, Liquiditätshilfen und Steuerstundungen - reichten zunächst aus, sagte der Luftfahrtkoordinator der Regierung, Thomas Jarzombek, am zurückliegenden Montag. Später werde entschieden, ob es weitere Hilfen geben müsse. "Die Verstaatlichung von Unternehmen ist definitiv nicht das Ziel", sagte er zu einer möglichen Beteiligung des Bundes an der Lufthansa.

Allerdings hat Lufthansa-Chef Carsten Spohr seinen Hilferuf an den Staat bekräftigt. "Je länger diese Krise andauert, desto wahrscheinlicher wird es, dass die Zukunft der Luftfahrt ohne staatliche Hilfe nicht gewährleistet werden kann", erklärte er am Donnerstag zur Vorlage der Bilanz des vergangenen Jahres. Eine Verstaatlichung komme aber nicht in Frage. 

Achim Wambach, Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW in Mannheim, hält eigentlich nichts von Staatsbeteiligungen - normalerweise. "Diese Frage - sollte der Staat, der die Spielregeln setzt, auch Spieler im Markt sein? - stellt sich jetzt nicht. Jetzt ist Krisenmanagement angesagt", fordert der ZEW-Chef gegenüber der DW.
"Der Staat wird den Unternehmen in der Krise beistehen müssen. Eine Wiederauflage des Wirtschaftsfonds Deutschland wäre ein geeignetes Instrument dafür." In den Jahren 2009 bis 2010 hatte der Bund mehr als 100 Milliarden Euro für Firmen in Not zur Verfügung gestellt. Die Sonderkredite der staatlichen Förderbank KfW, für die der Bund geradestand, hatten in der globalen Finanzkrise Zehntausenden Unternehmen durch die Krise geholfen und Millionen Jobs erhalten.

Staatliches Eigen- oder Fremdkapital?

Achim Wambach könnte sich jetzt auch einen solchen Fonds vorstellen: "Die Erfahrung mit diesem Instrument spricht dafür, wie damals Unternehmen in Liquiditätsproblemen mit Krediten und Bürgschaften zu helfen, also mit Fremdkapital", sagt der Präsident des ZEW.

Wambach ist neben seinem Job beim Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstitut auch Vorsitzender der Monopolkommission, einem unabhängigen Beratungsgremium, das die Bundesregierung in Wettbewerbsfragen berät. Direkte Beteiligungen des Staates mit Eigenkapital - wie in Frankreich üblich - sieht er nach wie vor skeptisch. Ob allerdings ein Volumen von 100 Milliarden Euro wie damals beim Wirtschaftsfonds Deutschland bei der aktuellen Coronavirus-Krise ausreichen wird, kann auch Wambach nicht sagen: "Das lässt sich jetzt noch nicht robust abschätzen. Man sollte, unabhängig von der Erstaustattung, sich Möglichkeiten offenhalten, diese zu erweitern."

ZEW-Chef Achim Wambach
ZEW-Chef Achim Wambach Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach

Abkehr von der reinen Lehre in der Krise

Bereits in der vergangenen Woche hatten führende deutsche Volkswirte einen "Unternehmensrettungsfonds als ultima ratio" ins Gespräch gebracht. In dem Papier der sieben Wirtschaftswissenschaftler Peter Bofinger, Sebastian Dullien, Gabriel Felbermayr, Clemens Fuest, Michael Hüther, Jens Südekum und Beatrice Weder di Mauro werden die Aufgabe der "Schwarzen Null" im Bundeshaushalt und Steuersenkungen gefordert. 

Clemens Fuest, Chef des Münchner ifo-Wirtschaftsforschungsinstituts, sagte heute in München auf eine Frage der DW, man müsse schnell handeln, um jetzt durch die Bereitstellung von Milliarden-Mitteln in einen solchen Fonds Vertrauen zu schaffen. Wichtig sei es, dass man auf Regierungsseite jetzt zügig die komplizierten juristischen Fragen für einen solchen Fonds abarbeitet, um es dem Staat zu ermöglichen, schon bald als stiller Teilhaber mit Eigenkapital bei bedrohten Unternehmen einzusteigen .

Auch Staatsbeteiligungen an Unternehmen müssten in der Krise möglich sein, fordern die Studien-Autoren: "Wenn es nicht gelingen sollte, die Ausbreitung der wirtschaftlichen Schockwellen einzudämmen, so dass es in größerem Stil zu Unternehmensinsolvenzen käme, wäre als ultima ratio an Maßnahmen zu denken, bei denen sich der Staat mit Eigenkapital an Unternehmen beteiligt." Wie 2008 und 2009, als Banken im Rahmen des so genannten SoFFin Banken-Schutzschirms gerettet wurden. Noch heute hält der Bund einen Anteil an der Commerzbank von rund 15 Prozent - mehr als zehn Jahre nach der Finanzkrise. Darüber hinaus hält der Bund Anteile an weiteren Firmen, zum Beispiel bei der Deutschen Telekom. Das allerdings hängt mit der Privatisierung der Deutschen Bundespost vor 25 Jahren zusammen.

Auch wenn sich Deutschlands-Topökonomen noch nicht darüber einig sind, wie das Volumen und die Details eines neuen Krisenfonds aussehen sollen - dass er kommt, scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein.

Aktualisierte Version - dieser Artikel wurde erstellt am 18.3.2020 um 16:00 und am 19.3. um 12:00 aktualisiert.