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Corona: Wie geht es weiter mit dem Testen?

Kay-Alexander Scholz
16. Oktober 2021

Seit März gab es kostenlose Bürgertests in Deutschland. Das gilt für die meisten Menschen seit dem 11. Oktober nicht mehr. Was wird nun aus den vielen Test-Stationen? Und lassen sich jetzt mehr Leute impfen?

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Deutschland Coronavirus l Schnelltest, Testzentrum in Hanau
Bild: Hasan Bratic/picture alliance

Die kleine weiß-blaue Test-Station auf dem Bürgersteig steht mitten in der Ausgehzone rund um die Torstraße in Berlin-Mitte. Es sieht aus wie ein Pförtner-Häuschen - und ungefähr das ist es auch. Denn dahinter liegen die vielen Lokalitäten, in die nur kommen darf, wer genesen, geimpft oder getestet ist. Dass ein Corona-Schnelltest nun für viele nicht mehr kostenlos ist, sei schon zu merken, erzählt der Mitarbeiter Hassan Ghazin. Auf etwa die "Hälfte weniger", schätzt er die Kundenzahl. Aber es gebe ja noch die Ausnahmen, die weiterhin nichts zahlen müssten. "Das sind rund ein Drittel", sagt er.

Berlin | Test-Station
Test-Station in Berlin-MitteBild: Kay-Alexander Scholz/DW

Die Liste der Ausnahmen umfasst zum Beispiel Minderjährige, sozial Schwache oder Leute, die sich am Ende einer Quarantäne freitesten müssen. Sie bekommen den sogenannten Bürgertest weiterhin bezahlt. Auch wer zum Arzt geht, weil er Symptome hat, bleibt befreit.

Die neuen Corona-Test-Regeln in Deutschland traten am 11. Oktober in Kraft. Sie zielen auf die Nicht-Geimpften, die bislang kostenlos einen Test machen konnten, um danach zum Beispiel ins Restaurant zu gehen. Alles solle "fair" bleiben, hatte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums gesagt. Dazu gehöre, "dass jeder die Möglichkeit hatte, sich impfen zu lassen - jetzt kann man nicht mehr erwarten, dass Bürgertests auf Kosten der Allgemeinheit angeboten werden".

"Kein sinnvoller Schritt"

Janosch Dahmen, Arzt und Gesundheitsexperte der Bundestagsfraktion der Grünen, kritisiert den Beschluss, den Kanzlerin Angela Merkel zusammen mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer getroffen hat. "Ich halte den Schritt nicht für sinnvoll", sagte er der DW. "Wir haben in der dritten Welle gesehen, wie sehr uns insbesondere die Schnelltests geholfen haben, die Infektionsdynamik zu bremsen." Noch immer seien rund 30 Prozent der Bevölkerung nicht geimpft, warnt Dahmen. "Tests können helfen, zielgerichteter vorzugehen - wir wissen nicht, wo das Virus ist, wie schnell es sich verbreitet und zwischen wem."

ARD Talkshow Anne Will: Dr. med. Janosch Dahmen von den Grünen
"Das hätte alles besser laufen können", kritisiert der Grünen-Politiker Janosch DahmenBild: Müller-Stauffenberg/imago images

Besser mache es Österreich, sagt Dahmen. Dort wurde ein ähnlicher Beschluss gerade für sechs Monate aufgeschoben. Erst im März, nach dem Ende der kalten Jahreszeit, soll dann das Testen auch dort nicht mehr kostenlos sein.

Aktuell stagniert die Pandemie in Deutschland. Das betrifft die Zahl der Neuansteckungen und die Situation auf den Intensivstationen. "Im Moment sind wir in einer Plateau-Phase", sagte Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin. Rund 1400 Patienten liegen aktuell auf den Intensivstationen - der Höchststand lag bei fast 5800 Fällen. Die Lage sei zwar "unter Kontrolle", aber von Entspannung könne nicht die Rede sein. Wie schnell die Zahlen wieder steigen können, zeigt sich derzeit in den Niederlanden.

Gutes Geschäft - soziale Fragen

Die kostenlosen Bürgertests in Deutschland gab es seit März 2021. Danach schossen Corona-Test-Stationen jeder Größe in den Städten wie Pilze aus dem Asphalt. Zuletzt bekamen die Betreiber 11,50 Euro für einen Test bezahlt. Die Materialkosten liegen bei rund 5 Euro. Für viele war das ein gutes Geschäft. Allerdings mehrten sich Berichte über mangelhaft durchgeführte Tests und Abrechnungsbetrug.

Johann Nowak war schon viel früher auf dem Markt. Er eröffnete im Oktober 2020 zusammen mit seinem Sohn die erste Test-Station in den Räumen seiner Galerie in der Berliner Auguststraße. Am Anfang sei die Skepsis groß gewesen, erzählt er der DW. "Schon wieder eine GmbH, die liegt dann so rum, und nach ein, zwei Monaten ist es vorbei." Mittlerweile gibt es 45 Test-Stationen in Berlin und in Frankfurt am Main mit mehreren hundert Angestellten. Dass er monatelang 18 bis 19 Stunden am Tag gearbeitet hat, merkt man seinen nervösen Händen noch an. Das operative Geschäft machen inzwischen hauptsächlich sein Sohn und andere aus dessen Umfeld. Zu tun hat er trotzdem noch genug.

Berlin | Johann Nowak | Chef von „Schnelltesten Berlin“
Ein Pionier der Test-Szene: Johann Nowak, Ideengeber von "Schnelltesten Berlin"Bild: Kay-Alexander Scholz/DW

Dass es nun bergab geht, glaubt er nicht, obwohl in den vergangenen Tagen bundesweit bereits zahlreiche Testzentren schlossen. Seine Kundenzahlen seien teilweise sogar besser als in den Wochen zuvor. "Was wir merken, sind die verschiedenen Stadtviertel," erzählt er. "In den ärmeren Vierteln wie Neukölln oder Kreuzberg gehen die Zahlen runter. "Es gibt viele, die weggehen, wenn man ihnen sagt, das Testen jetzt was kostet", berichtet Nowak von seinem Besuch in einem Test-Zentrum in Neukölln. "Im reicheren Mitte oder Charlottenburg interessiert das anscheinend niemanden." Für einen genaueren Überblick ist es wahrscheinlich noch zu früh, weil die Umstellung erst wenige Tage zurückliegt. Doch Nowak macht sich bereits Gedanken, zum Beispiel für Studenten günstigere Tarife einzuführen. Ein Schnelltest kostet normalerweise 19,90 Euro bei "Schnelltest Berlin". Damit liegt er preislich aktuell im Mittelfeld. 

Gesamtüberblick fehlt

Ein Gesamtüberblick über Schnelltests in Deutschland fehlt ganz generell. Die Meldungen des Robert-Koch-Instituts (RKI), der Nationalen Gesundheitsbehörde, beziehen sich nur auf die PCR-Tests. Also auf die medizinisch aussagekräftigeren Labortests, die in der Regel nach einem positiven Schnelltest als Verifikation durchgeführt werden. Und selbst hier hat das RKI nach eigenen Angaben keinen Gesamtüberblick.

Symbolbild Corona-Schnelltest
Ein sogenannter Corona-SchnelltestBild: Christian Ohde/CHROMORANGE/picture alliance

Gab es einen kleinen Impfboom wegen der neuen Regeln? In den drei Tagen vor Inkrafttreten schon, da lagen die Zahlen bei den Erstimpfungen um 15 bis 25 Prozent höher. Doch danach setzte sich der Trend fallender Impfzahlen auch schon wieder fort, den das RKI seit Mitte Juni misst. 

Das hätte alles besser laufen können, meint der Grünen-Politiker Dahmen. Die Corona-Warn-App hätte - sozusagen als digitale zentrale Sammelstelle - viel stärker genutzt werden können. "Geld vom Staat für Bürgertests an die Testzentren hätte es nur geben dürfen, nachdem das Testergebnis in die App eingespeist wurde. So hätten die Ergebnisse einerseits viel schneller und regelmäßiger in der Corona-Warn-App erfasst und andererseits zur Anwendung der 3G-Regel auch einheitlich und fälschungssicherer dargestellt werden können." Auch hier sei das digitale Krisenmanagement des Gesundheitsministeriums "lückenhaft" gewesen - so wie "oft in der Pandemie".

Dahmens Kritik an der alten Bundesregierung geht weiter. Auch die Teststrategie sei "inkonsequent umgesetzt" worden. Ein Blick in Nachbarländer wie Frankreich oder Italien zeige, dass dort die 3G-Regeln wirklich umgesetzt würden, auch bei Inlandsflügen, in Zügen oder am Arbeitsplatz. "Da sind wir unglaublich lückenhaft."

Wer hält sich an die Regeln?

Von größeren Protesten nach Einführung der neuen Regeln wurde nicht berichtet. Allein aus der sächsischen Hauptstadt Dresden wurde ein Zwischenfall aus einem Testzentrum gemeldet. Ein Mann forderte einen kostenlosen Test, und als er gehen sollte, schlug er einen Mitarbeiter. Die Polizei schritt ein.

Berlin | Galerie „Schnelltesten Berlin“
Die erste Teststation von Johann Nowak machte er in seiner Galerie in der Berliner Auguststraße aufBild: Kay-Alexander Scholz/DW

Droht eine neue Polarisierung? Grünen-Politiker Dahmen sieht derzeit "keine Ausgrenzung von Nicht-Geimpften". Das liege nicht nur an der Möglichkeit, dass sich inzwischen jeder Impfen lassen könne, sondern auch an der schon erwähnten lockeren Überprüfung der Regeln und fälschungsanfälligen Nachweisen. Ein Test lasse sich "teils mit selbstgebastelten Zetteln" ausweisen. Es gebe ein "riesiges Gap zwischen der Emotionalität der Debatten um Zugangsgerechtigkeit und der Konsequenz, mit der wir die Regeln am Ende tatsächlich systematisch durchsetzen".

Der Unternehmer Nowak findet noch einen anderen Punkt überdenkenswert. Denn nun bekommen auch Geimpfte keinen kostenlosen Test mehr. Doch das sei "fahrlässig". Inzwischen habe sich schließlich herumgesprochen, dass es eben auch nicht wenige Impfdurchbrüche gebe. Das RKI meldet aktuell 80.000 Impfdurchbrüche. Auch bei ihm habe es positive Fälle bei Geimpften gegeben, so Nowak. Für Geimpfte solle deshalb eine Ausnahme gemacht werden. "Damit die sich testen lassen, wenn sie zum Beispiel zu einem Familienfest fahren wollen."

So könnte das Geschäft mit dem Testen noch eine Weile weitergehen. Vielleicht werden die Regeln auch von anderer Seite noch geändert. Der Oberbürgermeister der sächsischen 40.000-Einwohner-Stadt Freiberg hat verkündet, die Tests für die Einwohner aus der Stadtkasse zu bezahlen. Das werde bis Ende des Jahres wohl 14.000 Euro kosten. Im föderal organisierten Deutschland ist auch das möglich.