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Politik

Eine Russin auf der Flucht aus Wuhan

Roman Goncharenko
7. Februar 2020

Immer mehr Länder fliegen ihre Bürger aus dem vom Coronavirus geplagten chinesischen Wuhan aus. Eine junge Russin erzählte der DW, wie sie die Evakuierung erlebt hat. Sie muss zwei Wochen in Quarantäne bleiben, sagt sie.

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BG Wuhan Rückholaktion weltweit / Russland
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Slutsky

Marina Zaitceva  ist eine von 144 Personen, meistens russische Staatsbürger, die Russland mit zwei Militärmaschinen zu Beginn der Woche aus der chinesischen Stadt Wuhan aufgrund des Coronavirus ausgeflogen hat. Zaitceva studiert Biologie in Deutschland und war in China auf einer privaten Reise. Im DW-Gespräch erzählte die junge Russin über ihre Erlebnisse in Wuhan:      

DW: Sie waren unter den ersten Russen, die aus Wuhan mit dem Flugzeugen evakuiert wurden. Wo sind Sie jetzt und wie sind die Bedingungen?

Marina Zaitceva: Ich bin derzeit in einer Pension im Gebiet Tjumen (in Sibirien - Anm. der Redaktion). Als wir eintrafen, haben uns Ärzte in Schutzanzügen empfangen. Man hat uns nicht einmal Wasser oder einen Sitz angeboten, obwohl wir einen 12-stündigen Flug hinter uns hatten. Im Stehen wurden uns Vorschriften und Listen vorgelesen. Darin ging es darum, wer mit wem einquartiert wird. Man hat mich zunächst in ein Zimmer mit drei Leuten eingeteilt, doch ich habe protestiert. Ich wollte nicht mit zwei fremdem Menschen wohnen. Wir bleiben für 14 Tage in Quarantäne und dürfen unsere Zimmer nicht verlassen. Wer es doch tut, für den beginnt diese Frist von vorne. Zurzeit wohnen wir zu zweit, doch vielleicht kommt doch noch jemand dazu.

Im Zimmer gab es eine Beschreibung von Sofortmaßnahmen. Wir mussten unsere gesamte Kleidung bis zur Unterwäsche ausziehen, desinfizieren und in eine Kiste packen und duschen. Hier ist alles vorhanden - Fernseher, Kühlschrank, Wasserkocher, Tee und Pralinen. Auch im Bad ist alles da, inklusive Hygieneartikel. Ärzte kommen täglich zur Kontrolle.

Was haben Sie erlebt?

Ich studiere in Deutschland, habe gerade meine Semesterferien und wollte im Februar zurückkehren. Ich war nach Wuhan geflogen und bin dann weiter zu meinen Freunden nach Xiangyang in der Provinz Hubei gefahren. Für das chinesische Neujahr wollten wir zurück nach Wuhan fahren, doch die Stadt war bereits abgesperrt. Unsere Stadt wurde zwei Tage später ebenfalls abgesperrt, also konnte ich sie nicht mehr verlassen.

Marina Zaitceva
Marina Zaitceva Bild: Privat

Sie haben im Vorgespräch gesagt, dass Sie versucht hätten, mit der Bundeswehrmaschine auszufliegen, doch man habe Sie nicht mitgenommen. Haben Sie danach selbst russische Behörden kontaktiert oder umgekehrt?

Ja, in der deutschen Botschaft hieß es, es dürfen nur deutsche Staatsangehörige oder engste Verwandte mitfliegen. In der russischen Botschaft habe ich fast eine Woche lang vergeblich versucht, Informationen über die Ausreise zu bekommen. Erst als in Moskau die Entscheidung über eine Evakuierung gefallen war, ging alles sehr schnell. Man rief mich an und teilte mir mit, wann wir ausgeflogen werden.

Wie haben Sie selbst über das gefährliche Coronavirus erfahren?

Ich wusste zwar über die Lungenkrankheit Bescheid, habe es zunächst nicht als so gefährlich wahrgenommen. Ich bin aus  Singapur nach China geflogen, und eine Freundin hat mich informiert, dass Menschen in Wuhan unter einer Lungenentzündung leiden würden. Ich habe mir zunächst nichts dabei gedacht. Doch als die Zahl der Opfer stieg, habe ich sofort in der Botschaft angerufen.                                            

Wie ist die Evakuierung abgelaufen?

Wir wussten drei Tage vorher Bescheid, dass wir abgeholt würde. Der Bus kam früh morgens und um elf Uhr waren wir in Wuhan. Wegen Straßensperren dauerte die Fahrt deutlich länger als sonst. Wir mussten immer wieder aussteigen, Fieber messen lassen und unsere Pässe zeigen. Der Abflug war spät in der Nacht. Wir haben Wasser und ein paar Snacks bekommen. Die erste Maschine ist planmäßig nachts um ein Uhr gestartet. Der Abflug der zweiten Maschine, in der ich saß, verzögerte sich bis vier Uhr morgens. Wir waren sehr erschöpft.

Der Militärtransporter vom Typ Iljuschin-76 benutzt für Evakuierung der russischen Staatsbürger
Insgesamt wurden 144 Menschen nach Russland zurückgeholtBild: picture-alliance/dpa/Russian Defence Ministry

Hat man Sie während der Evakuierung auf das Coronavirus untersucht? 

Im Flugzeug hat man uns mehrmals Fieber gemessen und mit einem Wärmedetektor gecheckt. Einem Mann wurde schlecht und er wurde auf ein Klappbett gelegt. Sonst hat sich niemand beschwert. Am Flughafen gab es drei junge Frauen, die Fieber hatten. Deswegen hat sich unser Abflug verzögert, doch am Ende wurden auch sie mit uns ausgeflogen.

Sie sind mit einem russischen Militärtransporter vom Typ Iljuschin-76 geflogen...

Es war grauenhaft. Es gab keine Sicherheitsgurte, die Menschen saßen einfach auf Holzbänken. Es gab keine Toiletten, sondern Zelte, in denen Eimer aufgestellt waren. Sie dienten als Toiletten. Es war sehr heiß und laut im Flugzeug. In Ulan-Ude (eine Stadt im Südosten Sibiriens - Anm. der Redaktion) sind wir zum Nachtanken zwischengelandet. Dort war es sehr kalt, bis minus 30 Grad. Man hat Zelte neben dem Flugzeug aufgestellt. Dort gab es zwar Tee, aber der Belag der Brötchen war gefroren. Alles dauerte sehr lange, es war sehr schwer das zu ertragen.

Wie haben Sie die Lage in China erlebt?

Alles war sehr klar geregelt, alle trugen sofort Atemschutzmasken. Information wurde schnell weitergegeben. Der einzige Moment, wo ich gespürt habe, hier stimme etwas nicht, war kurz vor der Abreise. In der Stadt gab es plötzlich Lautsprecher, die alle davor warnten, auf die Straßen zu gehen. Überall gab es Plakate, auf denen ebenfalls stand, man solle zu Hause bleiben. Die Bewohner selbst haben angefangen, Zufahrtsstraßen zu ihren Siedlungen zu sperren - mit Fahrrädern und Säcken. Doch die Geschäfte waren mit allen Waren ausgestattet - zu jedem Zeitpunkt.