1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Coronavirus versetzt Börsen in Panik

28. Februar 2020

Kursverluste an den Aktienmärkten in Höhe von 30 bis 40 Prozent und eine Rezession werden nicht mehr ausgeschlossen. Für die Verbraucher in Deutschland sind die Folgen der Coronavirus-Krise allerdings bisher gering.

https://p.dw.com/p/3YZsh
Japan Tokio Kursrückgänge an den Börsen
Bild: picture-alliance/Jiji Press/M. Taguchi

Die Furcht vor den Folgen der weltweiten Coronavirus-Epidemie brockt den internationalen Aktienmärkten die schwärzeste Woche seit der Finanzkrise 2008 ein. Allein seit Wochenauftakt sank der Wert der Unternehmen an den Börsenwert um fünf Billionen Dollar. Der wichtigste deutsche Aktienindex Dax fiel am Freitag in der Spitze um mehr als fünf Prozent. Mit einem Dax-Verlust von gut 12 Prozent seit dem vergangenen Freitag erleben die Anleger die schwärzeste Woche seit Beginn der Griechenland-Schuldenkrise im Sommer 2011. Das Rekordhoch aus der Vorwoche bei 13.795 Punkten scheint in der aktuellen Unruhe am Markt so schnell nicht wieder erreichbar.

In Asien hatte sich der Ausverkauf an den Aktienmärkten wegen der Furcht vor einem Einbruch der Konjunktur durch die rasche Ausbreitung des Coronavirus  am Freitagmorgen fortgesetzt. Hoffnungen, dass die Epidemie, die von China ausging, nach ein paar Monaten vorbei sei, hätten sich zerschlagen, sagten Marktteilnehmer. Es sehe jetzt nach einer Pandemie aus.

"Selbst mit einem großen Risiko können die Märkte umgehen, solange es am Ende des Tunnels Licht gibt", sagte Chef-Investmentstratege Norihiro Fujito von Mitsubishi UFJ Morgan Stanley Securities. "Im Moment kann aber niemand sagen, wie lange es dauert und wie ernst es wird."

Weitere Zinssenkungen?

Ökonomen zufolge setzen Investoren nun darauf, dass die US-Notenbank schon im kommenden Monat die Zinsen senken dürfte, um die Wirtschaft anzukurbeln. "Die Auswirkungen des Coronavirus werden eindeutig größer ausfallen als der Handelsstreit zwischen den USA und China", sagte Tomoaki Shishido, Analyst bei Nomura Securities.

Der US-Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Shiller warnte vor einer Rezession wegen der Folgen des Coronavirus. "Die direkten Effekte auf die Weltwirtschaft halten sich zwar erst einmal in Grenzen. Aber das Virus hat plötzlich ein Bewusstsein für die weitaus größeren Risiken geschaffen, die die globalen Finanzmärkte belasten werden", sagte Shiller dem "Handelsblatt" vom Freitag.

Vor allem auf den US-Aktienmärkten, die er für 40 Prozent überbewertet hält, werde es "unweigerlich zu einer heftigen Korrektur kommen", sagte Shiller. Die wachsende Angst vor der Epidemie könne sich auf die Realwirtschaft auswirken "und in eine Rezession führen". Der Yale-Ökonom hatte sowohl das Platzen der Internetblase kurz nach der Jahrtausendwende als auch den Absturz der Immobilienpreise im Jahr 2007 vorhergesehen.

EZB ist "sehr besorgt"

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) ist durch die zunehmende Ausbreitung des Coronavirus in Europa immer mehr beunruhigt. "Wir alle sind sehr besorgt über das, was gegenwärtig im Hinblick auf die Ausbreitung des Virus passiert", sagte EZB-Direktorin Isabel Schnabel am Donnerstag in London. Falls sich das Virus stärker in Europa festsetze, könne die Notenbank darüber nicht hinwegsehen. Aus Sicht von EZB-Präsidentin Christine Lagarde ist aber der Punkt noch nicht erreicht, ab dem die Viruserkrankung langanhaltenden wirtschaftlichen Schaden verursacht.

Deutschland Nürnberg | Coronavirus | Vorsichtsmaßnahme Desinfektion Hände
Coronavirus: Desinfektion der Hände als VorsichtsmaßnahmeBild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

DZ-Bank-Stratege Michael Bissinger beschreibt das dunkelste Krisenszenario folgendermaßen: "Lieferketten reißen , der Welthandel bricht ein und die Welt gleitet in eine Rezession ab." Der Dax könne dann ähnlich wie in den Rezessionsjahren 2003, 2009 und 2011 um rund 30 Prozent fallen. Damit würde er unter die psychologisch wichtige Marke von 10.000 Punkten rutschen.

Auch beruhigende Stimmen

Österreichs Notenbank-Chef Robert Holzmann ist gegen übereilte Reaktionen der EZB auf die Ausbreitung des Coronavirus. "Die Geldpolitik sollte nur weiter gelockert werden, wenn es zu einem wirtschaftlichen Einbruch kommt und nicht schon bei einer Abflachung der Wachstumsdynamik", sagte das EZB-Ratsmitglied in einem Interview der "Börsen-Zeitung". Holzmann erwartet nur geringe Auswirkungen der Epidemie auf die Weltwirtschaft und die europäische Wirtschaft, sollte das Virus in den nächsten Monaten überwunden werden.

Goldman Sachs
Goldman Sachs: Korrektur an den Aktienmäkten - aber keine RezessionBild: picture-alliance/dpa/J. Lane

Auch die Strategen von Goldman Sachs halten das Rezessions-Szenario für weniger wahrscheinlich. Sie sehen aber ein höheres Risiko für eine kurzfristige Korrektur an den Aktienmärkten. Mit einer generellen Kehrtwende rechnen sie nicht, da die Firmengewinne nicht wesentlich einbrechen dürften.

Der MSCI-Weltindex gab am Freitag weitere 0,5 Prozent nach. Damit beläuft sich das Minus in dieser Woche bislang auf 9,3 Prozent. Damit könnte die schlechteste Woche seit November 2008 bevorstehen. Damals betrug der Verlust 9,8 Prozent.

Verbraucher derzeit kaum belastet

Der Außenhandelsverband BGA sieht zunehmende Belastungen für die Wirtschaft durch den neuartigen Coronavirus - die Folgen für die Verbraucher aber seien derzeit noch gering. BGA-Präsident Holger Bingmann sagte der Deutschen Presse-Agentur, es zeige sich immer deutlicher, dass die Coronavirus-Epidemie nicht spurlos an der Wirtschaft vorbei gehe. "Die ersten Auswirkungen machen sich klar bemerkbar. So kommt es zu Liefer- und Produktionsengpässen, da Ware teilweise nicht aus den Häfen kommt oder die Produktionen stillstehen."

Allerdings spürten die meisten Branchen im Großhandel noch kaum direkte Auswirkungen, da eigene Lagerbestände vorhanden seien, die vieles abfedern könnten: "Das beste Mittel, um mit diesen Herausforderungen umzugehen, ist weiterhin eine transparente Kommunikation und nicht in Panik zu verfallen." In welchem Ausmaß sich der Virus auf die Wirtschaft und Konjunktur auswirken werde, sei derzeit noch schwer abzuschätzen. "Aus vergleichbaren Fällen in der Vergangenheit wissen wir, dass sie eine spürbare Delle in der Weltkonjunktur hinterlassen können. Die vergangenen Wochen und Monate zeigen deutlich, wie empfindlich unsere global vernetzte Wirtschaft auf Epidemien und Handelsstreitigkeiten reagieren kann", so Bingmann.

Infografik Verlauf der COVID-19-Epedemie DE 27.02.2020

Spitzenverbände der Wirtschaft hatten am Donnerstag vor massiven Belastungen für die Konjunktur gewarnt. "Die Ausbreitung des Coronavirus wird der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr erheblich zusetzen", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Die deutsche Industrie sieht das neue Coronavirus als "Stresstest" für die Wirtschaft. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier schloss nicht aus, dass das Virus "überschaubare Auswirkungen" auf die bisherigen Wachstumsprognosen haben könne. Es sei aber noch zu früh für eine belastbare Aussage.

Vorsichtige Hoffnungen aus China

In China gibt es indes erste Hoffnungssignale: Während die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Menschen in Europa zuletzt spürbar gestiegen ist, nimmt sie in China seit einigen Tagen den offiziellen Zahlen zufolge ab, was auf ein Abklingen der Epidemie deute, schreiben Analysten der Commerzbank. Danach scheinen die Unternehmen ihre Produktion langsam wieder hochzufahren. Das zeigten auch den Analysten vorliegende "Echtzeit-Indikatoren": Der Verkehr habe in den großen Städten zuletzt wieder etwas zugenommen. Gleiches gelte für die Zahl der Immobilientransaktionen, die ein guter Indikator für die Bereitschaft der Menschen ist, wieder am öffentlichen Leben teilzunehmen.

All das ändere aber nichts daran, dass die Produktion fast vier Wochen nach dem eigentlichen Ende der Neujahrsferien in China noch weit unter ihrem "Normalniveau" liege, was das chinesische Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal um mehr als sechs Prozent reduzieren könnte, auch wenn das in den offiziellen Statistiken nicht vollständig sichtbar gemacht werde.

ul/hb (dpa, rtr, afp)