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CSU als Vorbild

Emiliyan Lilov 10. Dezember 2006

Bulgarien hat eine neue Partei. Gegründet wurde sie von Sofias beliebtem Bürgermeister. Er gilt als NATO-treu und pro-europäisch. So heißt die Partei denn auch "Bürger für europäische Entwicklung von Bulgarien" (GERB).

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Alexander Newski Kathedrale in Sofia
Frischer Wind aus Sofia?Bild: AP

"Bruder Boiko" anstatt Herr Borissov - so wird der 44-Jährige meist angeredet. Bei den Bürgern wird vor allem seine Fähigkeit geschätzt, die Dinge beim Namen zu nennen. So fand er zum Beispiel in einer Debatte ganz offene Worte zum Thema Korruption. Er prangerte die schweren Defizite in der Justiz an. Auch ist er der Überzeugung, dass korrupte Richter daran schuld sind, dass sich viele Verbrecher noch auf freiem Fuß befinden. Musik in den Ohren der Bevölkerung ist auch seine Position zu den Akten der ehemaligen kommunistischen Staatssicherheit "Darzhavna sigurnost" (DS). Viele Politiker äußern sich zu diesem Thema sehr vorsichtig oder gar nicht. "Bruder Boiko" hingegen fordert, dass alle noch auffindbaren Akten vorgelegt und auch geöffnet werden sollen. Und er geht sogar noch ein Stück weiter. Borissov nennt Namen von Menschen in hochrangigen diplomatischen Positionen in Bulgarien, die einst für "Darzavna sigurnost" tätig waren. "Was haben die Botschafter da noch zu spionieren!", rief er von der Tribüne des Gründungskongress seiner Partei "Bürger für europäische Entwicklung von Bulgarien" (GERB).

Beliebter Borissov

Borissov freut sich über seine Beliebtheit auch in Europa und spricht auch gerne darüber. So habe er unter anderem aus Deutschland viele Grußtelegramme zur Gründung seiner Partei bekommen. "Das spricht eindeutig dafür, dass die Leute zu schätzen wissen, was ich geleistet habe", sagt der Politiker.

Seine große Popularität führte auch dazu, dass er vor einem Jahr bei den Kommunalwahlen in Sofia mit großer Mehrheit zum Bürgermeister der bulgarischen Hauptstadt gewählt wurde. Jetzt jedoch stellt der Bürgermeisterposten ein Hindernis dar. Denn laut Artikel 41 im Kommunalverwaltungsgesetz kann ein Bürgermeister nicht gleichzeitig zum Vorsitzenden einer Partei oder in die Regierung gewählt werden. Deshalb wurde auf der Gründungsversammlung Tzvetan Tzvetanov, Borissovs rechte Hand, zum Vorsitzenden der neuen Partei gekrönt. Bis jetzt war der Mann stellvertretender Bürgermeister von Sofia. Für Tzvetanov ist jedoch Borissov, und nicht er der wahre Leader der Partei. Er sei nur deren Vorsitzender: Der Leader von GERB sei Boiko Borissov, und der Parteivorsitzende heiße Tzvetan Tzvetanov, sagte er.

CSU-Werte

Auf dem bulgarischen politischen Parkett werde sich GERB als Mitte-Rechts-Partei positionieren, so Tzvetan Tzvetanov. "Unsere Priorität wird die Familie sein. Sehr hoch bei uns im Kurs werden auch Themen wie Bildung, Korruptionsbekämpfung und Transparenz in der Arbeit der Verwaltungsorgane stehen", sagte er.

Die politische Plattform der neuen Partei sei von der deutschen CSU abgekupfert worden, erklärt Tzvetanov. Er bezeichnet die CSU als einen strategischen Partner von GERB, mit deren Vertretern Unterredungen auf Hochtouren laufen. Enge Zusammenarbeit besteht zwischen GERB und der CSU-nahen Hans-Seidel-Stiftung in München.

Gemäßigte Erwartungen

Politische Beobachter in Bulgarien warnen vor zu großen Erwartungen vom neuen Spieler im politischen Leben des Landes. Genauso wie jetzt Borissov, ist vor fünf Jahren der kurz davor aus seinem spanischen Exil zurückgekommene bulgarische Ex-König Simeon Sax-Coburg-Gotha der Politik beigetreten. Bei den Parlamentswahlen 2001 gewann seine neu gegründete "Nationale Bewegung Simeon Saxkoburggotski" (NDSV) die Hälfte der Mandate in der bulgarischen Volksversammlung. Damals haben die Bulgaren sehr viel Hoffnung auf die neue Partei NDSV gesetzt, doch heute kommt sie nur noch auf vier Prozent unter den Wählern und ist ein Koalitionspartner der bulgarischen Sozialisten.